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HOAIKanal und Straße werden gemeinsam gebaut: So ermitteln Sie die anrechenbaren Kosten

Abo-Inhalt31.07.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. Ulrich Welter, ö.b.u.v. Sachverständiger für Ingenieurhonorare nach HOAI, ingside®, Büsum

| Wird ein Abwasserkanal neu verlegt, so nutzt die Gemeinde häufig diesen Umstand und erneuert die marode Straße gleich nachfolgend. So werden die Baumaßnahmen auf das notwendige Maß beschränkt und Kosten gespart. Wie aber ermittelt der mit der Gesamtmaßnahme beauftragte Ingenieur die anrechenbaren Kosten und die Höhe seines Honorars? PBP klärt auf. |

Der Fall aus der Leserschaft

Ein Abwasserkanal muss erneuert werden. Träger und Bauherr der Maßnahme ist ein Abwasserzweckverband. Die Gemeinde beschließt, gleich im Anschluss an die Kanalbauarbeiten die betroffenen Straßen vollständig zu erneuern (= grundhafter Ausbau). Die Gesamtmaßnahme soll an eine Baufirma vergeben werden.

Als Auftraggeber fungiert der Abwasserzweckverband. Dieser trifft zusammen mit der Gemeinde eine Vereinbarung, wie die Straßenbauarbeiten untereinander abgerechnet werden sollen. Darin übernimmt der Abwasserzweckverband einen Anteil an den Straßenbaukosten in Höhe von 25 Prozent als Beitrag für die ansonsten bei ihm allein anfallenden Kosten der Straßenwiederherstellung in Kanalgrabenbreite (= Deckenschluss). Für das mit der Planung der Gesamtmaßnahme beauftragte Ingenieurbüro stellt sich nun die Frage, wie in diesem Fall das Honorar zu ermitteln ist.

Leistungsbildübergreifende Objekte gibt es nicht

Um die anrechenbaren Kosten zu bestimmen, ist zunächst die Anzahl der Objekte zu bestimmen. Im vorliegenden Fall ist das Ingenieurbüro mit der Planung und Überwachung von zwei Objekten beauftragt, nämlich mit der Planung des Abwasserkanals und der Planung der Straße.

Beim Abwasserkanal handelt es sich gemäß § 41 Nr. 2 HOAI um ein Ingenieurbauwerk, bei der Straße hingegen gemäß § 45 Nr. 1 HOAI um eine Verkehrsanlage. Die beiden Objekte sind gemäß § 11 Abs. 1 HOAI getrennt abzurechnen. Denn ein Zusammenfassen der beiden Objekte ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 192/03, Abruf-Nr. 042799) nicht möglich, da es leistungsbildübergreifende Objekte nicht gibt.

Das Ingenieurbüro kann/muss somit zur Abrechnung seines Honorars die anrechenbaren Kosten für die beiden Objekte getrennt ermitteln. Dabei stellt sich jedoch die Frage, wie mit dem Anteil des Straßenbaus im Bereich des Kanalgrabens umzugehen ist.

Die anrechenbaren Kosten für das Objekt Abwasserkanal

Die anrechenbaren Kosten sind gemäß § 6 Abs. 1 HOAI auf der Grundlage der Kostenberechnung und objektbezogen zu ermitteln. Aus den fünf nachfolgend beschriebenen Fallkonstellationen ergeben sich unterschiedliche anrechenbare Kosten für das Objekt Abwasserkanal.

Fall 1: Kanalplanung beauftragt / Straßenplanung noch nicht beauftragt

Das Ingenieurbüro ist mit der Planung des Kanals beauftragt, allerdings (zunächst noch) nicht mit der Planung der Straße. In einem solchen Fall ist in der Regel vorgesehen, den Kanalgraben nach Beendigung der Kanalbaumaßnahme wieder so zu verschließen, wie er vor der Baumaßnahme vorhanden war. Bei einer bituminös befestigten Straße wird der Kanalgraben also wieder bituminös geschlossen. Dabei sind die technischen Anforderungen an den Fahrbahnoberbau (ungebunden / gebunden) zu beachten. Der Umfang der Bauleistung (Verschluss) ist Bestandteil der Planung des Abwasserkanals (= Ingenieurbauwerk) und somit in der Kostenberechnung enthalten und beim Objekt Abwasserkanal vollständig anrechenbar.

Fall 2: Zeitgleiche Planung von Kanal und Straße

Das Ingenieurbüro ist zeitgleich mit der Planung des Abwasserkanals und dem grundhaften Ausbau der Straße beauftragt. In diesem Fall sind die Schnittstellen zwischen den beiden Objekten zu bestimmen und zu klären. Das obliegt im Übrigen dem Auftraggeber, denn objektübergreifende Grundleistungen gibt es nicht. Sämtliche Grundleistungen beziehen sich stets auf ein einziges Objekt. Falls die Schnittstellen nicht vom Auftraggeber, sondern vom Planungsbüro bestimmt werden, handelt es sich bei dieser objektübergreifenden Leistung gemäß HOAI um eine Besondere Leistung (vgl. hierzu Anlage 12.1 zur HOAI, Lph. 5 – rechte Spalte: Objektübergreifende, integrierte Bauablaufplanung bzw. Koordination des Gesamtprojekts). Dass dies auch für Objekte in anderen Leistungsbilder gilt, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 S. 2 HOAI. Es ist also in diesem Fall zu klären, bis zu welchem Horizont die Kanalgrabenverfüllung zu planen ist. Dafür sind verschiedene Fälle denkbar (vgl. Fall 3 bis 5). Im Ergebnis vereinbaren die Parteien, welche Bauleistungen für den Abwasserkanal zu planen sind. Diese sind dann entsprechend beim Objekt Abwasserkanal anrechenbar.

Fall 3: Kanalbau + vollständiger Deckenschluss / Straße kommt später

In diesem Fall ist wie im Fall 1 abzurechnen. Ist der vollständige Deckenschluss erst später vom Auftraggeber gewünscht bzw. angeordnet, weil sich z. B. der Straßenbau verzögert, und waren die Lph 1 bis x zunächst nur bis z. B. Erdplanum vereinbart und erbracht, so ändern sich die anrechenbaren Kosten insoweit, als der vollständige Deckenschluss nun noch hinzukommt. Grundlage hierfür ist § 10 Abs. 1 HOAI.

Fall 4: Kanalbau + Deckenschluss provisorisch / Straßenbau kommt bald

Ist der provisorische Deckenschluss (z. B. als Kiesverfüllung) von vornherein vereinbart, so beinhaltet die Kanalplanung eben nur diese provisorische Lösung. Die anrechenbaren Kosten setzen sich dann daraus zusammen. Der vollständige Deckenschluss in endgültiger Bauweise bleibt unberührt. Für den Fall der nachträglichen Anordnung eines provisorischen Deckenschlusses ist wie im Fall 3 zu verfahren (nachträgliche Anpassung der Kostenberechnung).

Fall 5: Kanalbau + Verfüllung bis Erdplanum / Straßenbau direkt danach

Erfolgt der Straßenbau direkt im Anschluss an die Kanalarbeiten, dann endet das Objekt Abwasserkanal an der Oberkante der Grabenverfüllung, was dem Erdplanum für den anschließenden Straßenbau entspricht. Auch hier gilt, dass, falls diese Verfahrensweise erst später gewünscht bzw. angeordnet wurde, die Lph 1 bis x nach den Kosten der tatsächlichen Planung abzurechnen sind. Die anrechenbaren Kosten der darauffolgenden Lph sind ggf. zu reduzieren.

Die anrechenbaren Kosten für das Objekt Straße

Für den Straßenbau gilt grundsätzlich, dass die Kosten einschl. des Deckenschlusses in allen Fallkonstellationen – also immer – vollständig anrechenbar sind.

Fazit | Die anrechenbaren Kosten sind für die beiden Objekte aufgrund der Zuordnung zu verschiedenen Leistungsbildern getrennt zu ermitteln. Für den Kanalbau sind die Kosten für den Deckenschluss in Kanalgrabenbreite soweit anrechenbar, wie dieser tatsächlich ausgeführt wird. Dabei ist es möglich, dass in den verschiedenen Lph unterschiedliche Kosten anrechenbar sind. Wenn z. B. bis einschl. der Lph 5 die vollständige Wiederherstellung der Straße geplant war, dann sind die Kosten hierfür anrechenbar. Wurde allerdings erst danach entschieden, die Straße grundhaft neu zu bauen und deshalb beim Kanalbau nur eine Grabenverfüllung bis Höhe Erdplanum ausgeschrieben und ausgeführt, dann sind für die Lph 6 bis 8 auch nur diese Kosten beim Objekt Kanalbau anrechenbar. Für den Straßenbau sind grundsätzlich die vollständigen Kosten der Maßnahme anrechenbar, einschl. des Anteils für den Deckenschluss in Kanalgrabenbreite. Beachten Sie, dass sowohl beim Objekt Kanalbau als auch beim Objekt Straßenbau anrechenbare Kosten für den Deckenanschluss anzusetzen sind, die in die Honorarermittlung eingehen.
Weiterführende Hinweise
  • Sonderausgabe: „Die Honorarabrechnung beim Auftrag für mehrere Objekte: Praktische Anwendungstipps für § 11 HOAI“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 49923368
  • Beitrag „Regenwasser- bzw. Schmutzwasserkanal und Verkehrsanlage: Getrennte Honorarabrechnung anerkannt“, PBP 11/2005, Seite 15, pbp.iww.de → Rubrik „Heft-Archiv“
  • Sie haben ähnliche Zweifelsfälle, in denen Sie sich mit dem Auftraggeber über das Honorar uneins sind. Dann schildern Sie den Fall der Redaktion (pbp@iww.de) und lassen Sie die Allgemeinheit daran teilhaben. Wir bemühen uns gerne darum, Ihnen und allen Lesern eine fachmännische Einschätzung zukommen zu lassen.

AUSGABE: PBP 8/2024, S. 3 · ID: 50024661

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