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ArchitektenhaftungDie Subsidiaritätsklausel und Ihr Leistungsverweigerungsrecht bei Planungsfehlern
| Begründet eine Subsidiaritätsklausel im Architektenvertrag ein Leistungsverweigerungsrecht bei Planungsfehlern? Mit dieser Frage haben sich das OLG Köln und der BGH befasst. PBP schildert Ihnen, was die Subsidiaritätsklausel bewirken soll, worum es im konkreten Fall ging und welche Schlüsse sich aus der Entscheidung für Ihre vertraglichen Haftungsbeschränkungen ergeben. |
Der Anlass für die Nutzung von Subsidiaritätsklauseln
Der bauüberwachende Architekt/Ingenieur und der bauausführende Unternehmer sind keine Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB, da sie nicht dieselbe Leistung schulden. Der bauüberwachende Architekt/Ingenieur haftet dem Besteller für Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk realisiert haben, nur auf Schadenersatz (neben der Leistung), da der Baumangel durch Nacherfüllung der Überwachungsleistung nicht beseitigt werden kann. Der bauausführende Unternehmer hingegen haftet vorrangig auf Nacherfüllung; nach erfolglosem Ablauf einer zur Nacherfüllung gesetzten Frist stehen dem Besteller weitere Mängelansprüche zu.
Trotzdem behandelt der BGH den bauüberwachenden Architekten/Ingenieur und den bauausführenden Unternehmer als sog. Zweckgemeinschaft mit gleichstufiger Haftung und damit wie Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB, da sie für einen gleichartigen Vermögensnachteil des Bestellers einzustehen haben (BGH, Urteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17, Abruf-Nr. 200213).
Dem Besteller steht somit grundsätzlich das Wahlrecht zu, ob er den Bauüberwacher oder den Bauausführenden in Anspruch nimmt. Dies führte bei vor 2018 geschlossenen Verträgen häufig zur Inanspruchnahme des berufshaftpflichtversicherten Architekten/Ingenieurs, der sich dann nur im Innenverhältnis an den Bauunternehmer halten konnte. Dadurch wurde einerseits dessen Insolvenzrisiko vom Besteller auf den Architekten/Ingenieur abgewälzt und andererseits dem Bauunternehmer das Nacherfüllungsrecht genommen, was den Schaden regelmäßig erhöhte.
Die Subsidiaritätsklausel in Vergangenheit und Gegenwart
Um ihrer bevorzugten Inanspruchnahme entgegenzuwirken, haben Architekten/Ingenieure deshalb mitunter Klauseln in ihre AGB aufgenommen, die auf ihre subsidiäre Haftung abzielten.
1. Rechtslage nach altem Schuldrecht (vor 2002 geschlossene Verträge)
Bspw. lautete Ziffer 7.6 S. 2 des (später zurückgezogenen) Einheits-Architektenvertrags für Gebäude in der Fassung 1994 wie folgt:
Wortlaut Einheits-Architektenvertrag |
„Wird der Architekt wegen eines Schadens in Anspruch genommen, den auch ein Dritter zu vertreten hat, kann er vom Bauherren verlangen, dass der Bauherr sich außergerichtlich erst bei dem Dritten ernsthaft um die Durchsetzung seiner Ansprüche auf Nachbesserung und Gewährleistung bemüht.“ |
Das OLG Schleswig hielt eine weitergehende Klausel für wirksam, die den Besteller auf eine vorherige gerichtliche Inanspruchnahme des Bauunternehmers verwies, solange diese auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit beschränkt war (OLG Schleswig, Urteil vom 31.01.2007, Az. 9 U 43/06, Abruf-Nr. 242647). Die Klausel sei sachgerecht und zumutbar und verstoße nicht gegen die Vorschriften des § 11 Nr. 7 AGBGB und § 9 Abs. 1 AGBG. Die Vorschrift des § 11 Nr. 10a AGBG, wonach Gewährleistungsansprüche in AGB nicht von einer vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden konnten, galt seinerzeit nur bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und Leistungen, nicht jedoch bei Werkverträgen.
2. Rechtslage für Verträge von 2002 bis 2017
Für ab 2002 geschlossene Architekten-/Ingenieurverträge ist § 309 Nr. 8b aa BGB zu beachten. Eine Bestimmung in AGB ist unwirksam, wenn sie Ansprüche gegen den Verwender
- wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausschließt,
- auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder
- von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig macht.
Gegenüber Verbrauchern ist eine Subsidiaritätsklausel in AGB des Bauüberwachers gemäß § 309 Nr. 8b aa BGB unwirksam, wenn sie bestimmt, dass Mängelansprüche gegen den Bauüberwacher erst dann geltend gemacht werden können, nachdem der Auftraggeber zuvor den Bauunternehmer (erfolglos) gerichtlich in Anspruch genommen hat.
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr findet gemäß § 310 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB statt. Da dies gegenüber dem alten Schuldrecht keine Haftungsverschärfung darstellt, dürfte eine Klausel, wie sie der Entscheidung des OLG Schleswig (Urteil vom 31.01.2007, Az. 9 U 43/06, Abruf-Nr. 242647) zugrunde lag, trotz der von dem Verstoß gegen § 309 BGB ausgehenden Indizwirkung auch bei einem zwischen 2002 und 2017 geschlossenen Vertrag der Inhaltskontrolle standhalten.
3. Rechtslage für ab 2018 geschlossene Verträge
Der Gesetzgeber hat dann die Benachteiligung des Bauüberwachers erkannt und die Vorschrift des § 650t BGB eingeführt. Diese gilt für ab dem 01.01.2018 abgeschlossene Architekten- und Ingenieurverträge und stellt dem bauüberwachenden Architekten/Ingenieur bei einem fehlerhaft nicht erkannten Baumangel ein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite. Das gilt, solange der Auftraggeber dem Bauunternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht entfällt jedoch wieder, wenn der Bauunternehmer den Mangel nicht binnen der ihm vom Besteller gesetzten angemessenen Frist beseitigt oder die Nacherfüllung zu Unrecht ablehnt. Die von § 650t BGB vorgesehene Subsidiarität der Haftung des Bauüberwachers ist somit begrenzt.
Infolgedessen stellt sich für Architekten/Ingenieure weiterhin die Frage, ob sie ihre Inanspruchnahme zumindest im unternehmerischen Geschäftsverkehr in eigenen AGB – soweit überhaupt durchsetzbar – von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme des Bauunternehmers abhängig machen können. Für die Wirksamkeit könnte zwar sprechen, dass der Gesetzgeber die Bauüberwacher nicht schlechter stellen, sondern vielmehr deren überproportionale Belastung durch § 650t BGB reduzieren wollte. Allerdings würde hiermit von einem wesentlichen Grundgedanken des § 650t BGB abgewichen, dem Leitbildcharakter zukommt und der nur ein eingeschränktes Leistungsverweigerungsrecht vorsieht. Der Gesetzgeber hat sich gegen andere Lösungsmöglichkeiten wie eine Abschaffung der gesamtschuldnerischen Haftung oder deren Einschränkung durch eine Regelung der Rangfolge der Inanspruchnahme ausgesprochen. In der Gesetzesbegründung hat die Bundesregierung ausdrücklich darauf abgestellt, dass das Verlangen einer vorherigen erfolglosen Klage gegen den Bauunternehmer die Geltendmachung der Mängelansprüche des Auftraggebers erschweren würde und – gerade bei größeren Mängeln – mit einem nicht hinnehmbaren Zeitverlust verbunden wäre. Dementsprechend würde eine solche Klausel einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB nicht mehr standhalten.
Für eine Klausel, die eine vorrangige außergerichtliche Inanspruchnahme des Bauunternehmers durch den Besteller vorsieht, besteht seit der Einführung von § 650t BGB kein Bedarf mehr. Wird ein Architekt/Ingenieur nach Wegfall des Leistungsverweigerungsrechts in Anspruch genommen und hat der Bauunternehmer die Nacherfüllung zu Unrecht verweigert, so kann dies im Innenverhältnis dessen Haftungsquote erhöhen.
Diese Regelung unterstreicht die Bestrebungen des Gesetzgebers, die überproportionale Belastung des Bauüberwachers zu mindern, ohne jedoch die Gesamtschuldnerhaftung grundlegend zu ändern oder die Inanspruchnahme des Bauunternehmers durch eine Rangfolge klar zu regeln. Die praktische Konsequenz dieser Regelung ist, dass Architekten/Ingenieure vermehrt darauf achten müssen, dass ihre AGB einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten und keine unwirksamen Subsidiaritätsklauseln enthalten.
Um diese Subsidiaritätsklausel ging es im konkreten Fall
Beim OLG Köln ging es jetzt um eine Subsidiaritätsklausel aus der Zeit vor 2018. Im konkreten Fall hatte ein Bauherr von 2012 bis 2014 eine Kindertagesstätte errichten lassen und mit der Planung, Überwachung und Betreuung einen Architekten beauftragt. Die Subsidiaritätsklausel im Architektenvertrag sah vor, dass der Bauherr sich gemeinsam mit dem Architekten außergerichtlich um die Durchsetzung der Mängelansprüche gegen Dritte bemühen muss, bevor der Architekt selbst in Anspruch genommen werden kann.
Nach Fertigstellung und Abnahme des Bauwerks im Jahr 2014 traten im Jahr 2018 Undichtigkeiten am Dach auf, die der Bauherr gegenüber dem Architekten wegen Planungs-, Überwachungs-, und Koordinationsfehlern erfolglos rügte. Anschließend machte er gegen den Architekten klageweise Kosten der Mängelbeseitigung in Höhe von ca. 180.000 Euro als Schadenersatz im Wege des Vorschusses geltend.
In der Beweisaufnahme wurden auch zahlreiche Mängel festgestellt, die auf Planungs- und Überwachungsfehler zurückzuführen waren; darunter einen unzureichenden Abstand zwischen WDVS und Dachrandprofil sowie einen Pilzbefall der Holzverschalung.
OLG Köln: Klausel gilt bei Planungsfehlern nicht
Das OLG Köln bestätigte den Schadenersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten gemäß §§ 633, 634 Nr. 4, 280 BGB. Es stellte fest, dass der Architekt den Architektenvertrag mangelhaft erfüllt hatte, indem er Planungs- und Überwachungsfehler begangen hatte. Dem Bauherrn stehe daher ein Vorschuss für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu. Ein Leistungsverweigerungsrecht seitens des Architekten aufgrund der Subsidiaritätsklausel liege nicht vor (OLG Köln, Urteil vom 15.12.2022, Az. 7 U 3/22, Abruf-Nr. 242646). Das Urteil ist rechtskräftig. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Architekten zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 08.11.2023, Az. VII ZR 3/23).
Nach Auffassung des Senats greift die Subsidiaritätsklausel nicht bei Planungsfehlern. Die Klausel könne zwar dazu führen, dass zunächst ein Dritter in Anspruch genommen werden müsse, wenn dieser den Schaden ebenfalls zu vertreten habe. Dies gelte jedoch nicht bei Planungsfehlern, für die der Architekt primär verantwortlich ist. Der Architekt könne sich daher nicht auf die Subsidiaritätsklausel berufen, um seine Haftung für Planungsfehler zu vermeiden.
Fazit | Das Urteil des OLG Köln verdeutlicht, dass Subsidiaritätsklauseln im Architektenvertrag kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht bei Planungsfehlern begründen können. Dies ungeachtet der Frage, ob die Subsidiaritätsklause einer AGB-Kontrolle standhält. Architekten und Bauherren sollten die Formulierung von Subsidiaritätsklauseln deshalb sorgfältig prüfen und klarstellen, ob und in welchem Umfang diese auch für Planungsfehler gelten sollen. Eine Subsidiaritätsklausel kann die Haftung des Architekten nicht generell ausschließen. Insbesondere bei Planungsfehlern bleibt der Architekt primär haftbar. Auch wenn eine außergerichtliche Einigung gefordert wird, kann der Architekt bei Vorliegen eines Planungsfehlers direkt haften, ohne dass der Bauherr zunächst einen Dritten in Anspruch nehmen muss. Architekten müssen sich nämlich ihrer primären Haftung bewusst sein und können sich nicht allein auf vertragliche Klauseln zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen verlassen. |
- Wichtige Informationen zur Neuregelung der gesamtschuldnerischen Haftung ab 2018 finden Sie in der Sonderausgabe „Das Architekten- und Ingenieurrecht im BGB ab 2018“ auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 45564131Mehr zum Thema auf pbp.iww.de
- Beitrag „Gesamtschuldnerische Haftung: OLG verlängert Ausgleichszeit im Innenverhältnis auf zehn Jahre“, PBP 9/2020, Seite 18 → Abruf-Nr. 46809476
AUSGABE: PBP 8/2024, S. 17 · ID: 50097269