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AuftragsbeschaffungVerwalter muss Bauarbeiten wie Bauherr überwachen: BGH-Urteil kann Tür in WEG öffnen

Abo-Inhalt11.03.20244 Min. Lesedauer

| Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) leiden unter einem hohen Sanierungsstau (der früher oder später behoben werden muss). Sie sind also für Planer am Bau eigentlich eine interessante, bisher aber unterm Radar laufende Zielgruppe. Eine BGH-Entscheidung könnte das ändern: Hat eine WEG mit einem Unternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, muss der Verwalter Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr überwachen. Und dabei ist er – wie das Urteil lehrt – in der Regel überfordert. |

Um diesen Fall ging es beim BGH

Im konkreten Fall beschloss eine WEG, das Dach zu erneuern und beauftragte das ein Dachdeckerunternehmen. Der Auftrag hatte ein Volumen von 116.000 Euro. Für noch zu beschaffendes Material stellte der Dachdecker Abschlagsrechnungen über 61.000 Euro, auf die der Verwalter insgesamt 70.000 Euro zahlte. Nach Beginn der Arbeiten zahlte der Verwalter ohne Vorlage von Rechnungen gestückelt weitere 34.500 Euro. Bei einem Baufortschritt von ca. 85 Prozent stellt der Dachdecker die Arbeiten ein. Die WEG verklagte den Verwalter auf Schadenersatz in Höhe der geleisteten Zahlung. Es ging bis zum BGH.

So entschied der BGH

Während das LG Dortmund in der Vorinstanz eine Pflichtverletzung des Verwalters noch verneint hatte, entschied der BGH anders: Bei der Bewirkung von Zahlungen ist ein Verwalter verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind (BGH, Urteil vom 26.01.2024, Az. V ZR 162/22, Abruf-Nr. 240041).

BGH legt § 27 Wohnungseigentumgesetz aus

Das BGH hat sich vor allem mit § 27 Wohnungseigentumgesetz (WEG) befasst. Er legt diesen Paragrafen „Aufgaben und Befugnisse des Verwalters“ wie folgt aus:

Hat die WEG mit einem Unternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es nach Maßgabe von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG zu den Pflichten des Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen ist der Verwalter verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind; für ihn erkennbare Mängel muss er berücksichtigen.

Verwalter muss BGB und VOB/B kennen und beachten

Daraus folgt, dass ein Verwalter im Regelfall (auch) die Voraussetzungen des § 632a BGB, der weitgehend § 16 Abs. 1 VOB/B entspricht, beachten muss. Hierzu gehört u. a. das in § 632a Abs. 1 S. 5 BGB geregelte Erfordernis einer Aufstellung, die eine rasche und sichere Beurteilung der Arbeiten ermöglicht. Ohne sie ist ein Anspruch auf Abschlagszahlung nicht gegeben.

Ein Verwalter muss Abschlagsrechnungen außerdem daraufhin durchsehen, ob sie zum Auftrag und dem Leistungsstand passen. Eine Abschlagszahlung für Stoffe oder Bauteile, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, erfordert – abgesehen davon, dass die Stoffe oder Bauteile den vertraglichen Vorgaben entsprechen müssen - gemäß § 632a Abs. 1 S. 6 BGB, dass der WEG nach ihrer Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird.

Muss Verwalter Eigentümer auf fehlende Fachkompetenz hinweisen?

Wichtig sind die BGH-Aussagen in Rz. 18 des Urteils: Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Verwalter seinen Pflichten genügt hat, wäre relevant, ob sich ein Verwalter, der nicht selbst über die erforderlichen Kenntnisse für die Prüfung der Werkleistungen verfügt, überhaupt auf eine allein auf mangelnder Fachkunde beruhende fehlende Erkennbarkeit von Mängeln der Werkleistung berufen kann.

„Das kann dann zu verneinen sein, wenn es ein Verwalter bei einer mit erheblichem Kostenrisiko verbundenen umfangreichen baulichen Maßnahme unterlassen hat, die Wohnungseigentümer auf seine fehlende Fachkompetenz hinzuweisen und eine Beschlussfassung über eine überwachende Tätigkeit durch Sonderfachleute vorzubereiten.“ Es wird nämlich im Wege des Anscheinsbeweises vermutet, dass die WEG einen solchen Beschluss gefasst hätte.

Die Konsequenz für die Praxis

Die energetische Sanierung von Gebäuden, die sich in der Hand von WEG befinden, stellt alle Beteiligten aufgrund der Eigentumsverhältnisse und der vielfältigen – oft widerstreitenden – Interessen vor komplexe Herausforderungen. Das ist bisher ein Grund, warum viele Planer diese Ziel- und potenzielle Bauherren-Gruppe kaum aktiv angehen. Denn dafür braucht es neben der reinen Fachexpertise auch Kenntnisse

  • zum WEG-Recht (Eigentumsfragen, Entscheidungsprozesse),
  • über Finanzierungsfragen,
  • zu WEG-relevanten Fördermitteln und
  • zu Konflikt- bzw. Kommunikationsstrategien.

Nichtsdestotrotz ist PBP der Ansicht, dass sich bei WEG interessante Auftragschancen auftun. Die BGH-Entscheidung könnte ein Türöffner sein. Als Architekt oder Ingenieur sind Sie fachlich in der Lage, selbst professionelle Verwalter bei den in Rede stehenden Aufgaben zu unterstützen. Das Rechtsdienstleistungsgesetzt steht dem dann nicht im Weg, wenn Sie sich auf die fachlich-technische Beratung (auch in VOB-und BGB-Dingen) beschränken.

AUSGABE: PBP 5/2024, S. 27 · ID: 49955985

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