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HOAIMusterfall zur § 11 HOAI-Abrechnung: So nutzen Sie die „Krüger/Ziser-Bewertungsmethode“

Abo-Inhalt28.02.20247 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Jobst, Architekt, Honorarsachverständiger für Leistungen der Architekten und Innenarchitekten, Alteglofsheim

| Nicht selten kommt es bei einem Auftrag über mehrere Objekte zum Streit über die Honorierung, die sich in der unterschiedlichen Auffassung zur Anwendung des § 11 HOAI begründet. In einer mehrteiligen Reihe versucht PBP deshalb, Licht ins Dunkel zu bringen. In Teil 3 stellt PBP Ihnen die Bewertungsmethode der Honorarsachverständigen Krüger und Ziser vor. Sie dient dazu, Objekte sachgerecht zuordnen zu können, um daraus zu ermitteln, welche Minderungsvorschrift des § 11 HOAI beim konkreten Projekt Anwendung findet. |

Die Grundsätze der Honorarminderung des § 11 HOAI

Wir erinnern uns: Sind mehrere Objekte zu planen, hängt das Honorar vom Grad ihrer Gleichartigkeit ab. § 11 unterscheidet mehrere Fälle.

  • Die Honorarberechnung nach § 11 Abs. 1 erfolgt bei vollkommen unterschiedlichen Objekten.
  • Die Honorarberechnung nach Abs. 2 erfolgt bei vergleichbaren Objekten mit weitgehend gleichartigen Planungsbedingungen, die derselben Honorarzone zuzuordnen sind und im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang als Teil einer Gesamtmaßnahme geplant und errichtet werden sollen.
  • Die Honorarabrechnung nach Abs. 3 erfolgt bei im Wesentlichen gleichen Objekten, Typenplanungen oder Serienbauten.

Während bei Objekten, die sich der Fallgruppe des Abs. 1 zuordnen lassen, alle Objekte getrennt abgerechnet werden und somit das höchste Planungshonorar anfällt, erfolgt bei einer Zuordnung der Objekte zu den Abs. 2 und 3 eine Honorarminderung. Hintergrund der Honorarminderung ist, dass Sie als Planer aufgrund der Vergleichbarkeit von Objekten einen nur geringeren Planungsaufwand haben. Die Honorarminderung ist umso höher, je geringer der Planungsaufwand ist. Und somit ergibt sich für Objekte, die sich dem Abs. 3 zuordnen lassen, der höchste Abschlag.

Das leistet die Krüger/Ziser-Bewertungsmethode

Die Schwierigkeit bei der Anwendung der drei Absätze des § 11 besteht darin, dass die HOAI eine Vielzahl von auslegungsbedürftigen Begriffen verwendet. Um eine transparente Bewertungssystematik zu erlangen, haben die beiden Sachverständigenkollegen Krüger/Ziser im BauR 2019 eine hilfreiche Methode entwickelt (vgl. Krüger/Ziser, BauR 2019, Heft 1, Seiten 15 bis 23). In dieser sind Kriterien herausgearbeitet, die geeignet sind, zu überprüfen, welche Vorschrift bei der Beauftragung mehrerer Objekte gemäß § 11 anzuwenden ist, also Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3.

Dieses Vorgehen hat gegenüber anderen Methoden, die sich der Problematik hauptsächlich mittels schriftlicher Erläuterungen und Begründungen zu nähern versuchen, den Vorteil, dass die Bewertung sachlich nachvollziehbar ist.

Bewertungsmatrix: Punktesystem sorgt für Transparenz

Die Krüger/Ziser-Methode umfasst insgesamt 26 Kriterien (Haupt- bzw. Unterkriterien), die jeweils mit null bis fünf Punkten bewertet werden und somit den Grad der Übereinstimmung verschiedener Objekte abbilden. Die Kriterien leiten sich von den in der HOAI aufgelisteten Grundleistungen der Lph 2 ab (vgl. HOAI 2021, Anlage 10.1 Leistungsbild Gebäude und Innenräume).

Die Punktebewertung erfolgt entsprechend der Übereinstimmung
Keine Übereinstimmung
0 Punkte
Sehr geringe Übereinstimmung
1 Punkt
Geringe Übereinstimmung
2 Punkte
Erhebliche Übereinstimmung
3 Punkte
Umfangreiche Übereinstimmung
4 Punkte
Vollständige Übereinstimmung
5 Punkte

Eine Addition der Punktebewertung der 26 Kriterien ergibt eine Gesamtsumme, entsprechend der eine Zuordnung zu den o. g. Vorschriften erfolgen kann. Die maximale Gesamtpunktzahl beträgt 130 Punkte (26 Kriterien x 5 Punkte = 130 Punkte).

Der Bewertungsrahmen

  • Innerhalb einer Spanne von 118 bis 130 Punkten liegen die Voraussetzungen zur Anwendung von § 11 Abs. 3 HOAI vor.
  • Innerhalb einer Spanne von 105 bis 117 Punkten liegen die Voraussetzungen zur Anwendung von § 11 Abs. 2 HOAI vor.
  • Unterhalb von 105, also ab 104 Punkten, liegen die Voraussetzungen zur Anwendung von § 11 Abs. 1 HOAI vor.

Die Bewertung am konkreten Beispiel

Damit Sie die Bewertung besser nachvollziehen und in der Praxis anwenden können, wird das Bewertungsszenario anhand eines Musterfalls durchdekliniert.

Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um einen Gebäudekomplex, der aus einem Sockelgeschoss (SO) gebildet wird, auf den drei Wohngebäude – W1, W2 und W3 – aufgesetzt sind. Der Auftrag umfasst somit vier Objekte der Objektklasse Gebäude. Zunächst soll geprüft werden, inwiefern bei den Wohngebäuden im Vergleich zum Sockelgeschoss gleichartige Planungsbedingungen vorliegen. Hierzu werden die vorliegenden Planungsbedingungen der Wohngebäude mit denen des Sockelgeschosses verglichen.

Tabelle 1: Vergleich der gleichartigen Planungsbedingungen: SO / W1, W2, W3
Bewertungskriterien
Bewertung
Kriterien
Hauptkriterien
(Lph 2, GL 2 d)
Unterkriterien
Punkte
SO
Vergleichsmaßstab
W1, W2, W3
Übernahme aus SO
W1, W2, W3
Abweichung zu SO
1
städtebaulich
Anordnung a. d. Grundstück
5541
2
Nachbarbebau.
5541
3
gestalterisch
innen
5505
4
außen
5514
5
Geometrie
5505
6
Oberflächen
5514
7
funktional
Nutzung
5505
8
Raumprogramm
5505
9
Raumgrößen
5505
10
Verknüpfung/Erschließung
5505
11
technisch
Gründung, Baugrund
5523
12
Konstruktion
5523
13
Mat./Rohbau
5541
14
Mat./Ausbau
5514
15
wirtschaftlich
Kosten
5505
16
Vorgaben
5550
17
ökologisch
Landschaft
5550
18
Ökosysteme
5550
19
bauphysikalisch
Brandschutz
5541
20
Schall-, Wärme-, Feuchteschutz
5541
21
energiewirtschaftlich
Tech. Anlagen
5541
22
Energieeinsatz
5541
23
sozial
Sozialgefüge
5514
24
Öffentlichkeit
5514
25
öffentlich-rechtlich
Vorhandenes Baurecht
5550
26
Genehmigungsverfahren
5550
Summe
1301306268

In einem zweiten Schritt wird nun geprüft, inwiefern bezüglich der einzelnen Wohngebäude W1, W2 und W3 gleichartige Planungsbedingungen vorliegen. Hierzu werden die drei Objekte miteinander verglichen.

Tabelle 2: Vergleich der gleichartigen Planungsbedingungen: W1 / W2 / W3
Bewertungskriterien
Bewertung
Kriterien
Hauptkriterien
(Lph 2, GL 2 d)
Unterkriterien
Punkte
W1
Vergleichs-maßstab
W2
W3
Übern.
aus W1
Abw.
zu W1
Übern.
aus W1/2
Abw.
zu W1/2
1
städtebaulich
Anordnung a. d. Grundstück
55
4
1
4
1
2
Nachbarbebau.
55
4
1
4
1
3
gestalterisch
innen
55
4
1
4
1
4
außen
55
3
2
3
2
5
Geometrie
55
3
2
3
2
6
Oberflächen
55
4
1
4
1
7
funktional
Nutzung
55
5
0
5
0
8
Raumprogramm
55
3
2
3
2
9
Raumgrößen
55
3
2
3
2
10
Verknüpfung/Erschließung
55
4
1
4
1
11
technisch
Gründung, Baugrund
55
5
0
5
0
12
Konstruktion
55
5
0
5
0
13
Mat./Rohbau
55
5
0
5
0
14
Mat./Ausbau
55
5
0
5
0
15
wirtschaftlich
Kosten
550
5
0
5
16
Vorgaben
55
5
0
5
0
17
ökologisch
Landschaft
55
5
0
5
0
18
Ökosysteme
55
5
0
5
0
19
bauphysikalisch
Brandschutz
55
5
0
5
0
20
Schall-, Wärme-, Feuchteschutz
55
5
0
5
0
21
energiewirtschaftlich
Tech. Anlagen
55
5
0
5
0
22
Energieeinsatz
55
5
0
5
0
23
sozial
Sozialgefüge
55
5
0
5
0
24
Öffentlichkeit
55
5
0
5
0
25
öffentlich-rechtlich
Vorhandenes Baurecht
55
5
0
5
0
26
Genehmigungsverfahren
55
5
0
5
0
Summe
1301301121811218

Die Auswertung

Aus diesen beiden Bewertungstabellen lassen sich folgende Feststellungen ableiten:

  • Die Bewertung mithilfe der Tabelle 1 ergibt eine Punktezahl von 62. Dieser Wert liegt deutlich unterhalb des Grenzwerts von 105 Punkten. Es liegen somit für das Gebäude SO (= Sockelgeschoss) die Voraussetzungen zur Anwendung von § 11 Abs. 1 HOAI vor. Das Honorar ist deshalb nach den objektspezifischen anrechenbaren Kosten dieses Objekts zu berechnen. Es erfolgt keine Honorarminderung.
  • Die Bewertung mithilfe der Tabelle 2 ergibt eine Punktezahl von 112. Dieser Wert liegt innerhalb der Spanne von 105 bis 117 Punkten. Es liegen somit für die Wohngebäude W1, W2 und W3 die Voraussetzungen zur Anwendung von § 11 Abs. 2 HOAI vor. Das Honorar ist somit nach der Summe der objektspezifischen anrechenbaren Kosten (W1 + W2 + W3) zu berechnen. Aufgrund der Degression der Honorartafeln ergibt sich eine Honorarminderung.

Honorarminderung bei wesentlich gleichen Objekten

Hätte die Bewertung mithilfe der Tabelle 2 hingegen eine Punktzahl von über 117 Punkte ergeben, so würde es sich bei den Wohngebäuden W1, W2 und W3 um wesentlich gleiche Objekte handeln und das Honorar wäre gemäß den Vorgaben des § 11 Abs. 3 wie folgt zu mindern:

  • Für die erste bis vierte Wiederholung erfolgt eine Minderung der Prozentsätze um 50 Prozent (Faktor 0,5),
  • für die fünfte bis siebte Wiederholung erfolgt eine Minderung der Prozentsätze um 60 Prozent (Faktor 0,4) und
  • ab der achten Wiederholung erfolgt eine Minderung der Prozentsätze um 90 Prozent (Faktor 0,1).

Wichtig | Eine Honorarminderung erfolgt im Übrigen nur für die Grundleistungen der Lph 1 bis 6.

Rangfolge der Honorarminderung ist nicht geregelt

Im Zusammenhang mit der Honorarberechnung nach § 11 Abs. 3 HOAI 2021 werden zwar in der HOAI die maßgeblichen Prozentsätze der zu verwendenden Minderungen benannt. Dort ist aber nicht geregelt, welches Objekt als sog. Basisobjekt (= erstes Objekt ohne Minderung) zu verwenden ist.

Das sagt die Kommentarliteratur

Im Kommentar von Fuchs/Berger/Seifert (§ 11, Rdnr. 91) steht dazu Folgendes: „Durch die Vorschrift nicht bestimmt ist die Frage, welche Planung bei einem mehrfachen Wiederholungsfall als Grundplanung und welche weitere Planung als welche Wiederholung anzusehen ist. Im Hinblick auf die Degression der Honorartafel ist diese Frage aber von Bedeutung. Denn insbesondere dann, wenn beispielsweise bei Reihenhäusern im Wesentlichen gleichartige Gebäude vorliegen, muss davon ausgegangen werden, dass trotz Vorliegen dieses Tatbestands regelmäßig unterschiedliche anrechenbare Kosten zu erwarten sind. Zunächst könnte eine chronologische Betrachtung als maßgeblich erachtet werden. In aller Regel kann durch den Auftraggeber aber nicht bestimmt werden, welche Planung bei einem einheitlichen Auftrag als zeitlich erster Entwurf des Auftragnehmers anzusehen ist. Auch für den Fall, dass mehrere Objekte nicht unmittelbar parallel geplant werden, kann diese Frage von außen nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Denn auch dann, wenn eine Planung nach einer anderen Planung fertiggestellt wird, kann erstere bereits früher begonnen worden sein. Insofern muss es in aller Regel dem Planer vorbehalten sein, vorzutragen, welche Planung als Grundplanung und welche weitere Planung als die wievielte Wiederholung einzuordnen ist. Die Planung mit den höchsten anrechenbaren Kosten wird dann im Allgemeinen die Grundplanung darstellen. Alle weiteren Planungen, mit geringeren anrechenbaren Kosten, werden dagegen als Wiederholungsplanung anzusehen sein.“

So gehen Sie bei der Honorarminderung nach § 11 Abs. 3 richtig vor

Bei den Abrechnungseinheiten, bei denen die Minderungsvorschriften des § 11 Abs. 3 HOAI zu beachten sind, wird empfohlen, entsprechend dieser Kommentierung vorzugehen, nämlich entsprechend der Höhe der anrechenbaren Kosten. Das Objekt mit den höchsten anrechenbaren Kosten ist das erste Objekt, bei dem keine Minderung erfolgt (= Grundplanung/GP). Die Reihung der Wiederholungsplanungen ergibt sich aus den objektspezifischen Höhen der anrechenbaren Kosten. Entsprechend der Höhe wird gemindert.

Beispiel der Honorarminderung nach § 11 Abs. 3

Abschließend ein Beispiel zur Verdeutlichung dieses Vorgehens. Es handelt es sich um raumbildende Ausbauten in den Klassenzimmern eines Schulbaus. Die Objekte sind der Objektklasse Innenräume zugeordnet. Für den Innenarchitekten ergibt sich durch das gewählte Vorgehen das höchstmögliche Honorar.

Beispiel: Rangfolge der Honorarminderung

Bauabschnitt 1 Abrechnungseinheiten gemäß Tab. 12.2.1
Anrechenbare Kosten
(Euro netto)
Rangfolge
Ungemindertes Honorar***
(Euro netto)
Faktor ****
Gemindertes Honorar*****
(Euro netto)
12.2.1-1, Raum-Nr. 1.21
61.827,45Grundplanung1.995,621,001.995,62
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.07
31.342,767. WH**1.044,630,40417,85
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.10
31.410,105. WH**1.046,850,40418,74
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.11
31.406,186. WH**1.046,700,40418,68
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.12
31.416,984. WH**1.047,800,50523,54
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.21
38.905,462. WH**1.293,270,50646,64
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.22
45.880,811. WH**1.521,350,50760,68
12.2.1-1, Raum-Nr. 2.23
37.860,573. WH**1.259,140,50629,57
Summe Tab. 12.2.1
11.779,77
*GP = Grundplanung, **WH = Wiederholungsplanung, ***** Gemindertes Honorar = Ungemindertes Honorar*** x Faktor****
Weiterführende Hinweise
  • Der letzte Teil 4 der Reihe beschäftigt sich in der April-Ausgabe mit § 11 Abs. 4 HOAI.
  • Die Teile 1 und 2 rund um § 11 HOAI sind in der Januar- bzw. Februar-Ausgabe erschienen. Sie finden die Beiträge unter den Abruf-Nrn. 49776741 und 49864090.

AUSGABE: PBP 3/2024, S. 4 · ID: 49901717

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