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NachtragsmanagementZusätzliches Honorar bei Koordinations- und Integrationsleistungen (Teil 2 – DIN 276)

Abo-Inhalt01.08.20236329 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. M.-Eng. Architektin Andrea Stahl, von der AK Hessen ö.b.u.v. Sachverständige für Honorare für Leistungen der Architekten, Darmstadt

| Welche Koordinations- und Integrationsleistungen schulden Objektplanende im vertraglich vereinbarten Honorar? Und an welchen Stellen können Sie zusätzliches Honorar beanspruchen? In Teil 1 dieser Reihe haben wir Sie bereits über die Eingrenzung der vertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit der verschiedenen Kostengruppen der HOAI informiert. Teil 2 fokussiert nun auf die Kostengruppenzuordnung in der DIN 276. Denn auch diese hat Einfluss darauf, ob Koordinations- und Integrationsleistungen zu leisten sind oder nicht. |

Die Kostengruppenzuordnung in der DIN 276

Gerade bei sehr kostenintensiven Einbauten können Auftraggebende durch die Herausnahme z. B. von Großgeräten der Medizintechnik, Großrechenanlagen oder Produktionsanlagen aus dem Vertragsgegenstand erhebliche Honorarminderungen erzielen. Im Zuge des Wettbewerbs können Sie sich u. U. dagegen nicht wehren. Umso wichtiger ist dann eine genaue Abgrenzung Ihrer Leistungspflichten sowie ein vorausschauendes Nachtragsmanagement.

Anrechenbare Kosten – Zusammenhang zwischen HOAI und DIN 276

Falls im Vertrag keine Regelung getroffen ist, liegt es im Interesse der Auftraggebenden, kostenintensive Einbauten und Großgeräte der Kostengruppe 600 zuzuordnen, da hier die Anrechenbarkeit der Kosten gemäß § 33 Abs. 3 HOAI entfällt, sofern Planung, Beschaffung und Überwachung durch die Auftraggebenden bzw. ein Fachplanungsbüro erfolgen soll. Doch nicht immer ist die Zuordnung in die Kostengruppe 600 zutreffend.

Detaillierte Kenntnisse über die verschiedenen Kostengruppen der DIN 276 können Ihnen deshalb helfen, Ihren Auftraggebenden Ihre Leistungspflichten (und Leistungsgrenzen) zu erläutern und ggf. zusätzliche Honoraransprüche geltend zu machen. Hierfür ist es zunächst wichtig zu wissen, dass die Zuordnung zu den Kostengruppen der DIN 276 nicht nur davon abhängt, ob es sich z. B. um ein Möbel oder ein Gerät handelt, sondern eben auch davon, ob für diese Dinge im Planungsprozess planerische Maßnahmen zu erbringen sind. Ein Blick in die DIN 276 macht diesen Zusammenhang deutlich.

Abgrenzungskriterien der Kostenober- und Kostenuntergruppen

Eine Abgrenzung der baukonstruktiven Einbauten der Kostengruppe 380 und der nutzungsspezifischen und verfahrenstechnischen Anlagen der KG 470 gegenüber den Ausstattungen und Kunstwerken (KG 600) erfolgt anhand der Frage, ob durch ihre Beschaffenheit und die Art ihres Einbaus technische und planerische Maßnahmen erforderlich werden oder ob das Gerät beweglich ist oder ohne besondere Maßnahmen befestigt werden kann.

Während für die Kostengruppen 380 und 470 eine feste Verbindung mit dem Bauwerk Voraussetzung ist, handelt es sich in der KG 600 um „bewegliche oder ohne besondere Maßnahmen zu befestigende Sachen“. In den Kostengruppenbeschreibungen wird diesbezüglich auch begrifflich differenziert: Der KG 380 werden „Einbauten“ zugeordnet, der KG 470 „Anlagen“ und der KG 600 „Geräte“. Nach der Begriffsdefinition des Dudens ist ein Gerät im Übrigen ein „(beweglicher) Gegenstand“.

Betrachtet man nun jedoch die untergeordneten Kostengruppen 473 und 620 bzw. 381 und 610, dann stellt man fest, dass es zu begrifflichen Überschneidungen kommt. So sind sowohl in der KG 473 als auch in der KG 610 medizinische Geräte aufgelistet. Und sowohl unter der KG 381 als auch unter der KG 610 werden Sitz- und Liegemöbel, Schränke, Regale und Tische aufgeführt. Und genau diese Begriffsüberschneidungen führen oft zu Problemen.

DIN 276 (Fassung 2018)

KG 380

Baukonstruktive Einbauten

KG 470

Nutzungsspezifische und

verfahrenstechnische Anlagen

KG 600

Ausstattung und Kunstwerke

„Mit dem Bauwerk fest verbundene Einbauten, jedoch ohne die nutzungsspezifischen Anlagen (KG 470).

Für die Abgrenzung gegenüber der KG 600 ist maßgebend, dass die Einbauten durch ihre Beschaffenheit und die Art ihres Einbaus technische und planerische Maßnahmen erforderlich machen (z. B. Anfertigen von Ausführungszeichnungen, statischen und anderen Berechnungen, Anschließen von Installationen).“

„Mit dem Bauwerk fest verbundene Anlagen, die der besonderen Zweckbestimmung dienen, jedoch ohne die Baukonstruktiven Einbauten (KG 380).

Für die Abgrenzung gegenüber der KG 600 ist maßgebend, dass die nutzungsspezifischen Anlagen durch ihre Beschaffenheit und die Art ihres Einbaus technische und planerische Maßnahmen erforderlich machen (z. B. Anfertigen von Ausführungszeichnungen, Berechnungen, Anschließen von anderen technischen Anlagen).“

„Bewegliche oder ohne besondere Maßnahmen zu befestigende Sachen, die zur Ingebrauchnahme, zur allgemeinen Benutzung oder zur künstlerischen Gestaltung des Bauwerks sowie der Außenanlagen und Freiflächen dienen (siehe Anmerkungen zu den KG 380 und 470)“

KG 381

Allgemeine Einbauten

KG 473

Medienversorgungsanlagen, Medi-

zin- und labortechnische Anlagen

KG 610

Allgemeine Ausstattung

Einbauten (insbesondere in Hoch-

bauten), die einer allgemeinen Zweckbestimmung dienen (z.B. Ein- baumöbel wie Sitz- und Liegemöbel, Gestühl, Podien, Tische, Theken, Schränke, Garderoben, Regale, Einbauküchen)“

„Medienversorgungsanlagen, Medizin- und Labortechnische Anlagen … Diagnosegeräte, Behandlungsgeräte, OP-Einrichtungen, und Hilfseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen; …“

„Möbel und Geräte (z. B. Sitz- und Liegemöbel, Schränke, Regale, Tische); …“

KG 620

Besondere Ausstattung

Ausstattungsgegenstände, die der besonderen Zweckbestimmung eines Objekts dienen (z. B. wissenschaftliche, medizinische, technische Geräte)“

Die sehr hohen Kosten für z. B. Computer- und Magnetresonanztomographen machen für Auftraggebende eine Einordnung in die Kostengruppe 600 auf den ersten Blick sehr attraktiv. Über § 33 Abs. 3 HOAI scheidet nämlich eine Berücksichtigung in den anrechenbaren Kosten aus, soweit weder vom Objekt- noch von einem gesondert beauftragten Fachplanungsbüro Planungs-, Beschaffungs- und Überwachungsleistungen erbracht werden. Und gerade bei medizinischen Großgeräten kann es dadurch im Projektverlauf zu Diskussionen über die Zuordnung kommen. Schon die Bezeichnung „Gerät“ kann hier unter Umständen irreführend sein.

Wichtig | Machen Sie hier nicht nur sich, sondern auch Ihren Auftraggebenden klar, dass Sie für einen solchen Fall (Einordnung in die KG 600) keine Koordinations- und Integrationsleistungen schulden.

Ein Vergleich mit üblicherweise für die Kostengruppe 400 anfallende – und nach HOAI standardmäßig über § 33 Abs. 2 vergütete – Koordinations- und Integrationsleistungen verdeutlicht den möglicherweise erforderlichen Koordinations- und Integrationsaufwand und damit die Zugehörigkeit zur Kostengruppe 470. Das kann Ihnen helfen, einen zusätzlichen Honoraranspruch geltend zu machen.

Übliche Koordinations- und Integrationsleistungen

In folgender Tabelle sind exemplarisch typische Koordinations- und Integrationsleistungen der Kostengruppe 400 in Abgrenzung zu jenen, die in Kostengruppe 600 anfallen können, für Sie zusammengestellt:

Übliche (Planungs-), Koordinations- und Integrationsleistungen in der Praxis

Geräte-

eigenschaften

KG 400

Technische Anlagen

KG 600

Ausstattung und Kunstwerke

Gewicht

Koordination Statik bezüglich Standort und Transportwege

Lastannahmen müssen in der Fachplanung Tragwerksplanung berücksichtigt werden, soweit sie über die Standard-Nutzlasten hinausgehen. Koordination und Sicherstellung, dass die Angaben in die Tragwerksplanung eingegangen sind.

Beispiel | Einzellasten von Geräten, Flächenlasten von Gründachaufbauten

Keine

Befestigung

Berücksichtigung besonderer Baukonstruktionen/Unterkonstruktionen für die Befestigung des Geräts

Beispiel | Besondere Fundamentierungen oder Berücksichtigung von Einbauteilen oder Unterkonstruktionen.

Keine,

da besonderen Unterkonstruktionen für Gerät nicht erforderlich

Abmessungen

Die Abmessungen und Geometrien der Geräte sind bei der Gebäudeplanung zu berücksichtigen, entweder mit den Raumabmessungen (Gebäudeplanung) und / oder auch bei den Fachplanungen (Koordinationsleistungen im Rahmen der Gebäudeplanung). So kann es erforderlich sein, Schächte, Leitungstrassen, Durchbrüche, Elektro-, Gas- oder Wasseranschlüsse auf den Standort des Gerätes abzustimmen.

Beispiel | Integration in den Raum, Anpassung der Raum- und Türgrößen, Planung der Transportwege bezüglich Abmessungen, Gewicht, Einbringöffnungen, Austausch während der Nutzungsdauer.

Vorhalten von Stellfläche

Emissionen

  • Schall
  • Temperaturen
  • Stralungen
  • Mechanische Schwingungen

Falls Geräte Schall, mechanische Schwingungen, besondere Temperaturen oder Strahlungen emittieren, so sind diese baukonstruktiv zu berücksichtigen

Beispiel | Bauteilaufbauten, Baukonstruktionen von Wänden, Böden, Decken.

Keine

Brandlast

Koordination Brandschutzgutachter

Keine

Funktionsabläufe, durch das Gerät bedingt

Anordnung von Fenstern, Türen, Bewegungsflächen, Flächen für zugehöriges Einrichtung bzw. Mobiliar

Stellfläche bedien- oder erreichbar im Raum anordnen

Technische Anforderungen HLS/EL

Schlitz- und Durchbruchsplanung, Koordination der Geräteanschlüsse, Trassenführungen zum Gerät

Ggf. Elektroanschluss vorhalten

Anforderungen an den Zustand der Baustelle

Koordination und Integration in den Bauablauf/Bauablaufplan

Keine, da nach Fertigstellung bzw. Übergabe

Mit dieser Aufstellung wird deutlich, welche Koordinations- und Integrationsleistungen in der Kostengruppe 400 über die HOAI mittels der beschränkten Anrechenbarkeit aus § 33 Abs. 2 honoriert werden.

So begründen Sie Ihren zusätzlichen Aufwand

Entstehen vergleichbare Leistungen für Elemente oder Planungen, die auf Wunsch der Auftraggebenden nicht der Kostengruppe 400 zugeordnet werden sollen – sondern eben in die KG 600 – und auch an anderer Stelle nicht in die anrechenbaren Kosten eingehen, kann dies ein deutlicher Hinweis für eine unzutreffende Kostengruppenzuordnung sein.

Auf jeden Fall entsteht ein zusätzlich zu honorierender Aufwand. Anhand der aufgelisteten Kriterien können Sie den zusätzlich erforderlichen Aufwand ablesbar machen und einen Vergleich zur KG 400 herstellen.

Beratungspflicht zum Leistungsbedarf in Lph 1

Da Sie im Rahmen der Grundlagenermittlung in der Lph 1 (Grundleistung 1 c) auch das Beraten zum gesamten Leistungsbedarf schulden, müssen Sie schon zu diesem (frühen) Zeitpunkt aufzeigen, dass Ihr Büro mit den entsprechenden Leistungen zusätzlich zu beauftragen ist.

Sollte das von Seiten der Bauherrschaft nicht gewollt sein, obliegt es ihr, Ihnen detaillierte Vorgaben zu machen. Fehlt der Bauherrschaft das nötige Wissen, so hat sie ein geeignetes Fachplanungsbüro zu beauftragen.

Erforderliche Vorgaben der Auftraggebenden

Bei einem medizinischen Großgerät (z. B. Computer-Tomograph) müssten Ihre Auftraggebenden die baulichen Anforderungen definieren, die für den Einbau des Geräts oder einer Geräteart erforderlich sind, und Ihnen sämtliche baulichen Angaben (vorab) übergeben. Dazu zählen die Mindest-Raumabmessung sowie alle technikbestimmenden Parameter.

Die entsprechenden Vorgaben müssten so klar, umfangreich und flexibel definiert sein, dass Sie keine Abstimmung mit einem Gerätehersteller oder einem Fachplanungsbüro durchführen müssten.

Übernehmen Ihre Auftraggebenden selbst Fachplanungsleistungen für die Geräte oder übertragen diese an Dritte, so dürfen diese keinerlei Koordinations- oder Integrationsleistungen bei Ihnen verursachen. Sie hätten somit mit dem Gerät selbst nichts zu tun, müssten aber dennoch

  • die konstruktiven und funktionellen Vorgaben umsetzen (dies sind z. B. Bauteilaufbauten und Lage und Größe des Raumes), und
  • die groben Anforderungen an die Fachplanenden übergeben (z. B. Lage und Umfang der erforderlichen Medienzuführungen, Anforderungen an die Raumtemperatur/–lüftung, Festlegung der Übergabestellen).

Eine Koordination von Schlitzen und Durchbrüchen oder Trassenführungen nach der Übergabestelle dürfte nicht erforderlich werden. Sämtliche Gerätekomponenten würden ohne Berührung zu den Leistungen der Gebäudeplanung geplant und eingebracht werden können. Falls Trennwände, Zwischendecken oder ähnliche Bauteile die Gerätekomponenten voneinander trennen sollten, müssten diese ebenfalls von Dritten geplant und ausgeführt werden. Das Gebäude würde ohne das Gerät und evtl. hierfür erforderlicher Bauteile fertiggestellt und übergeben werden, sodass auch die Koordinations- und Integrationstätigkeiten im Bauablauf entfallen würden.

Direktvergabe an Objektplanung ist für Auftraggebende i. d. R. vorteilhaft

Anhand dieser Leistungsabgrenzung können Sie den zusätzlich erforderlichen Aufwand deutlich machen. Da weniger Schnittstellen auch geringere Reibungsverluste verursachen, haben Ihre Auftraggebenden übrigens einen deutlichen Vorteil, diese (Besonderen) Leistungen direkt an Sie zu übertragen. Sollte das nicht gewünscht sein, müssten Dritte beauftragt werden.

Fazit | Für die Abgrenzung des vertraglichen Leistungsumfangs zu einem zusätzlich entstehenden Koordinations- und Integrationsaufwand sollten Sie zunächst prüfen, ob

  • die zu koordinierenden und integrierenden Elemente laut Vertrag in die anrechenbaren Kosten eingehen und
  • die Zuordnung der Kostengruppe nach DIN 276 zutreffend ist, je nachdem ob technische und planerische Maßnahmen erforderlich sind und welche Intensität von Koordination und Integration erforderlich wird.

Gehen einzelne Kostengruppen und Planungen nicht voll oder beschränkt in die anrechenbaren Kosten ein und geht deren Koordination und Integration bei Ihnen über das übliche Maß hinaus, sollten Sie

  • Ihren Auftraggebenden Ihre Leistungsgrenzen aufzeigen,
  • im Rahmen der Grundlagenermittlung Ihren Beratungspflichten zum gesamten Leistungsumfang nachkommen und
  • ggf. ein zusätzliches Honorar beanspruchen. Je nach entstehendem Aufwand kann dies mittels stundenweiser Vergütung, Pauschale oder über eine Anlehnung an § 33 Abs. 2 HOAI angemessen sein.

AUSGABE: PBP 8/2023, S. 3 · ID: 49530522

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