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Öffentliche AufträgeVgV-Vergabe von TA-Leistungen in der HOAI 2021: Wege zu fairen Honoraren und Leistungen

Abo-Inhalt31.08.20228268 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Axel C. Sperling und Dipl.-Ing. Dipl. Wirtsch.-Ing. Martin Vielhauer, Honorarsachverständiger Technische Ausrüstung

| Die Vergabe von Fachplanungsleistungen der Technischen Ausrüstung durch die öffentliche Hand ist schwieriger geworden. Die Freiheiten der neuen HOAI lassen viele Unsicherheiten bei den Parteien entstehen. PBP antwortet mit einer Artikelserie auf die Möglichkeiten und Problemstellungen in diesem Themenbereich. In Teil 1 der Reihe schaffen wir einen Überblick über alte und neue Möglichkeiten des Vergaberechts und wie beide Seiten damit umgehen können. |

Im Preiswettbewerb wird das Honorar höher gewichtet

Seit der Entscheidung des EuGH (C-377/17, Abruf-Nr. 209725) vom 04.07.2019 dürfen Architekten und Ingenieure ihre Honorare unterhalb der HOAI-Mindestsätze anbieten. Das hat weitreichende Konsequenzen für die öffentlichen Auftraggeber. Zuvor war es gang und gäbe, das Planerhonorar in einem Vergabeverfahren mit einer Gewichtung von zehn bis 15 Prozent zu bewerten. Begründet wurde dies damit, dass Honorarunterschiede ohnehin nur bei der Bepreisung der Besonderen Leistungen zu erwarten seien.

Jetzt ist aber ein offener Preiswettbewerb möglich. Damit sind die öffentlichen Auftraggeber aus haushalts- und vergaberechtlichen Gründen gezwungen, das Honorar entsprechend höher zu gewichten. Nur so werden ausreichende Anreize für einen Preiswettbewerb gesetzt. Rechtlicher Ausgangspunkt ist § 58 Abs. 2 S. 1 VgV: „Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses.“

Der öffentliche Auftraggeber hat also Preis und Leistung in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Grundsätzlich bedeutet dies eine Preisgewichtung von mindestens 40 bis 50 Prozent.

So reagiert der Markt auf neue Angebotsmöglichkeiten

Als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH waren in allen Architekten- und Ingenieurkammern die Mahnungen an die Mitglieder zu hören, innerhalb des eigenen Berufsstands nur ja nicht einen Preiskampf zu beginnen. Aller Treueschwüre zum Trotz ist das aber passiert. Zahlreiche Planer bieten teilweise drastisch unterhalb der ehemaligen Mindestsätze an. Honorarnachlässe von bis zu 50 Prozent unter Mindestsatz sind keine Seltenheit.

Honorarangebote schaffen Auftraggebern neue Probleme

Damit entstehen für die öffentlichen Auftraggeber aber neue Probleme. Ein Planer, der sich mit einem „Kampfpreis“ auf Kosten der Qualität seiner Leistung einen öffentlichen Auftrag sichert, lässt keine qualitätvolle Ausführung erwarten. Die Leistungsbilder in den Planerverträgen basieren jedoch meist noch immer auf den reinen Grundleistungstabellen der Anlage 15.1 HOAI. Hinzugefügt werden bestenfalls ein paar standardisierte Textblöcke zu Besonderen Leistungen.

Auftraggeber legen zu wenig Wert auf sorgfältige Leistungsbeschriebe

Damit wird vom Auftraggeber die Planungsaufgabe meist schon nicht richtig bzw. nur unvollständig erfasst. Dies gilt vor allem für die Technische Ausrüstung mit ihrer Vielzahl von Anlagengruppen und Besonderheiten. Die Folge ist, dass sich alle anbietenden Planungsbüros unterschiedliche Vorstellungen vom Planungsaufwand machen. Der Auftraggeber enthält Angebote, die im Grunde nicht vergleichbar sind. Transparente Aufwandsdarlegung und ein wirklicher Leistungsvergleich der Planungsleistung wird damit von vornherein verhindert.

Wichtig | Auf welche Art und Weise die Leistung ausgeschrieben wird, ist für die Kalkulation Ihres eigenen Angebots letztlich unerheblich. Den eigenen Aufwand müssen Sie bei jedem Angebot neu ermitteln und mit den eigenen wirtschaftlichen Parametern (z. B. Gemeinkostenzuschlag) hinterlegen. Nicht der HOAI-Rechner entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg des Projekts, sondern Ihre richtige Kalkulation von Aufwand und Honorar.

Schlechtes Honorarangebot ist über Nachträge kaum noch „aufzufangen“

Eine schlechte Kalkulation über Nachträge zu „heilen“, ist fast unmöglich. Die Auftraggeber haben nämlich häufig gar nicht die Möglichkeit, Nachträge zu gewähren, selbst wenn sie es wollen. Fördermittelstellen und Rechnungshöfe überwachen die Ausgaben. Werden Nachträge ohne ausreichende Rechtsgrundlage an den Planer bezahlt, fallen diese Ausgaben häufig „aus der Förderung“. Der öffentliche Auftraggeber zahlt also doppelt drauf. Zudem schaffen es viele Planer nicht, Nachträge aufzustellen, die die Anforderung der Rechnungshöfe und Förderstellen erfüllen.

Praxistipp | Klären Sie bei Nachträgen die formalen Bedingungen mit Ihrem Auftraggeber im Vorfeld ab. Dazu gehört auch, dass gewisse Anforderungen der Organisation eingehalten werden. Das aktive Wahrnehmen des Blickwinkels des Gegenübers kann dabei den Aufwand erheblich reduzieren.

Planungs- versus Nutzungskosten: Honorar sparen ist kontraproduktiv

Der öffentliche Auftraggeber steht vor einem vermeintlich schwierigen Problem. Einerseits will er einen ruinösen Preiswettbewerb unterbinden und eine qualitativ hochwertige Leistung erhalten. Andererseits muss er das „wirtschaftlichste“ Angebot bezuschlagen.

Was er hier „einpreisen“ müsste, ist Folgendes: Die TA-Planung hat wie kaum eine andere Planungsleistung Einfluss auf die spätere Nutzbarkeit, den Nutzungskomfort, die Wirtschaftlichkeit und die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Es ist deshalb unsinnig, beim Honorar für die TA-Planer eine mittlere fünfstellige Summe einzusparen, um dann über die Lebensdauer des Gebäudes aufgrund schlechter Planung der TGA einen zweistelligen Millionenbetrag zu verschwenden. Von Nutzerbeschwerden ganz zu schweigen. Zahllose öffentliche Bauvorhaben stehen in der Kritik, weil der Nutzungskomfort schlecht ist oder sich einzelne Anlagen nicht praktikabel bedienen lassen.

Diese vergaberechtlichen Lösungsmöglichkeiten gibt es

Wer glaubt, dass dieses Dilemma unauflöslich ist, irrt. Es gibt Lösungsmöglichkeiten, die auch vergaberechtlich zulässig sind:

1. Die Festpreisvergabe

Eine kaum bekannte und entsprechend wenig genutzte Vorschrift ist § 58 Abs. 2 S. 3 VgV: „Der öffentliche Auftraggeber kann auch Festpreise oder Festkosten vorgeben, sodass das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich nach qualitativen, umweltbezogenen oder sozialen Zuschlagskriterien […] bestimmt wird.“

Die Vorschrift eröffnet dem öffentlichen Auftraggeber also die Möglichkeit, vom Gebot des „Preis-Leistungsverhältnisses“ abzuweichen. Er kann also den „Preis“ festlegen, den er bereit ist, für eine Leistung zu bezahlen. Der Wettbewerb der Bieter beschränkt sich dann ausschließlich auf die Qualität der Leistung. Diese müsste dann aber auch detailliert beschrieben werden, um Diskussionen zu vermeiden, welche Leistungen denn im Festpreis enthalten sind. Ein umfangreiches, detailliertes Leistungsbild ist unerlässlich. Gefährliche Leistungskürzungen, wie die immer noch zu findende Kürzung der Lph 1 (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12.07.2021, Az. 29 U 234/19, Abruf-Nr. 226936), würden sich sonst noch gravierender auswirken.

Es wäre also wenig zielführend, wenn die öffentlichen Auftraggeber auf einmal beginnen würden, Ausschreibungen rein auf Basis der Standard-Leistungsbilder zu Pauschalfestpreisen zu vergeben. Rechtlich zulässig wäre dies aber ohne weiteres.

2. Die Vorgabe von HOAI-Parametern

Sie wissen: Die HOAI ist nicht abgeschafft. Sie ist auch vom EuGH nicht für ungültig erklärt worden. Sie gilt seit dem 01.01.2021 lediglich in modifizierter Form. „Mindestsätze“ als solche gibt es nicht mehr, sie heißen nun „Basissätze“. Im Übrigen ist die Systematik der HOAI weitestgehend erhalten geblieben. Honorare können – aber müssen nicht – auf Basis der altbekannten HOAI-Parameter ermittelt werden.

Praxistipp | Aktuelle öffentliche Vergabeverfahren von Planungsleistungen – gerade im Bereich TA – zeigen: Manche Bieter begrüßen die Möglichkeit, ihr Honorar weiterhin auf Basis der HOAI-Parameter anbieten zu können. Damit ergibt sich für den öffentlichen Auftraggeber eine interessante Variante zur Festpreisvergabe: Wenn es vergaberechtlich zulässig ist, einen Pauschalfestpreis für eine Leistung vorzugeben, muss es erst recht zulässig sein, die HOAI-Parameter für eine Planungsleistung festzulegen. Das gilt ebenso für Stundensätze.

Wichtig | Das Thema der „Stundensätze“ wird in Teil 2 des Beitrags umfangreich behandelt, da hier auch neue interessante Verbindungen zum BGB entstehen.

Die Spielräume für Honorarvorgaben in Planerverträgen

Der öffentliche Auftraggeber kann ein Vergabeverfahren also unproblematisch so gestalten, dass die Bieter ausschließlich ihre Qualität unter Beweis stellen müssen. Die Honorarvorgabe könnte im Planervertrag dahingehend geregelt werden, dass der öffentliche Auftraggeber diese im Vorfeld selbst bestimmt. Die Möglichkeiten sind hier sehr weitreichend:

Naturgemäß kann der Auftraggeber Honorarzone, Honorarsatz und Nebenkostensatz aber auch Stundensätze vorgeben, wenn er dies fachlich abschätzen kann. Kann er dies nicht, muss er sich in jedem Fall im Vorfeld informieren. Gerade in der TA-Vergabe, können – und sollten – öffentliche Auftraggeber aber von weiteren Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen.

Häufig gibt es Streit bei der korrekten Ermittlung des TA-Planerhonorars. Die häufigsten Konfliktursachen sind:

  • Die objektweise Abrechnung der einzelnen Anlagengruppen
  • Sonderberechnungen für einzelne Anlagen innerhalb von Anlagengruppen
  • Objektweise Abrechnung von technischen Anlagen innerhalb verschiedener Baukörper
  • Umfang und Wert von mitzuverarbeitender Bausubstanz

Es spricht aus rechtlicher Sicht nichts dagegen, auch diese Punkte durch einseitige Vorgabe zu klären.

Auch Vorgaben zum Honorarermittlungsprocedere sind zulässig. Ein Beispiel wäre die vertragliche Vorgabe, die die objektweise Abrechnung von Planungsleistungen ausschließt und die Honorarermittlung auf Basis eines einheitlichen Werts von anrechenbaren Kosten vorsieht. Das wäre rechtlich zulässig. Der öffentliche Auftraggeber kann diese Vorgaben auch zum Teil fixieren, zum Teil aber auch für ein Angebot des Bieters offenlassen.

Auch kann der öffentliche Auftraggeber z. B. sämtliche Honorarparameter selbst vorgeben und dem Bieter nur noch die Möglichkeit eröffnen, einen Honorarsatz anzubieten.

Wichtig | Die Möglichkeiten im Vergaberecht sind vielfältig. Jedoch sind vor dem Hintergrund der Auslastung der TA-Büros und des Fachkräftemangels immer zu entscheiden, welche Möglichkeiten vom Markt noch angenommen werden. Für die TA-Büros wird es in Zukunft entscheidend sein, nicht nur den Aufwand solide zu kalkulieren, sondern auch zu ermitteln, welches Risiko das Honorarmodell über die Projektlaufzeit für das Büro birgt. Dazu gehören auch Faktoren wie steigende anrechenbare Kosten und die vertraglichen Bedingungen bei Änderungen.

Wann empfiehlt sich was bei der TA-Ausschreibung?

Bei Projekten, die kein spezialisiertes Knowhow oder kein großes Planungsteam erfordern, sollten öffentliche Auftraggeber den Büros weiterhin die Möglichkeit geben, sich durch ein preislich günstiges Angebot vom Wettbewerb abzuheben. Insbesondere Neugründungen und Büros, die noch auf qualifizierte Referenzen angewiesen sind, haben sonst nur wenig Chancen auf öffentliche Aufträge. Hier kann der öffentliche Auftraggeber auch echte Einsparungen erzielen, ohne den Projekterfolg zu gefährden. Jedoch sollten auch diese Anbieter ihre Kostenansätze immer erklären können. Auch kleinen Büros ist eine Gemeinkostenkalkulation dringend zu empfehlen.

Bei sehr knapp kalkuliertem Honorar ist auch die finanzielle Überlebensfähigkeit des Büros über die Projektlaufzeit zu betrachten. In Zeiten von Personalknappheit ist zudem das Risiko von einem Leistungseinbruch durch Verlust von Mitarbeitern bei kleinen Büros höher als je zuvor. Dem Auftraggeber muss immer klar sein: Der Aufwand bei einem Ausfall des Planungsbüros (Wiederholung VgV-Verfahren, Interimsmaßnahmen, Bauverzug etc.) während des Projekts liegt immer deutlich über den Einsparungsmöglichkeiten beim Planerhonorar. Dieses Risiko muss der Auftraggeber in seine Überlegungen bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens einstellen.

Projekte, die technisch hoch anspruchsvoll sind und bei denen die Funktionalität des Gebäudes eine große Rolle spielt, müssen differenziert betrachtet werden. Bei Klinikbauten, Laborgebäuden, Flughäfen etc. mit hohem technischen Aufwand bei der Gebäudeerrichtung spielen die Funktionalität, die Nutzbarkeit, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eine viel größere Rolle. Hier sollte der öffentliche Auftraggeber Risikobewusstsein entwickeln. Ein Bieter, der sich den Auftrag für ein solches Projekt durch einen „Kampfpreis“ sichert, birgt für den Projekterfolg ein großes Risiko.

Hier gilt: Wer bei einem anspruchsvollen Projekt beim Planer spart, spart am falschen Ende! In diesen Fällen muss der öffentliche Auftraggeber – schon zum Schutz seines Projekts – darüber nachdenken, einen ruinösen Preiswettbewerb der Bieter durch Vorgaben von Honoraren bzw. Honorarparametern, vor allem aber klaren Leistungsbildern zu verhindern.

Fazit | Wie immer im Vergaberecht gilt: „Die eine“ Musterausschreibung gibt es nicht. Der öffentliche Auftraggeber muss das Projekt betrachten und seine Chancen und Risiken im Vorfeld der Ausschreibung bewerten. Die Vorgabe von Honoraren bzw. Honorarparametern, aber auch Stundensätzen ist bei solchen Ausschreibungen eine Überlegung wert, bei denen die Qualitätsansprüche des Auftraggebers die (vermeintlichen) Einsparpotenziale überwiegen. Als TA-Fachplaner müssen Sie sich detailliert mit den Honorarparametern auseinandersetzen, die im Projekt vorgegeben sind. Sie müssen Ihren Aufwand unternehmerisch und realistisch kalkulieren und die Risiken abwägen bzw. einpreisen.

Weiterführender Hinweis
  • Im Folgebeitrag lesen Sie, wie Sie beim Thema „Stundensatzvorgaben in öffentlichen Ausschreibungen“ richtig agieren.

AUSGABE: PBP 9/2022, S. 10 · ID: 48539249

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