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Öffentliche Aufträge Verhandlung im VgV-Verfahren: Mündliche Präsentation ist detailliert zu dokumentieren
| Bei der Vergabe von Planungsleistungen muss der öffentliche Auftraggeber nicht nur das geplante Objekt an sich, sondern auch die geplante Ausführung durch das Planungsbüro bewerten. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Vergabevermerks besonders hoch, wenn die qualitative Bewertung im Wesentlichen auf einer mündlichen Vorstellung im Verhandlungsverfahren beruht. Weil ein Auftraggeber diese Vorgaben nicht korrekt umgesetzt hatte, hat die VK Bund dem Nachprüfungsantrag des knapp unterlegenen Büros stattgegeben und das Verfahren zurückversetzt. |
Nachprüfungsinstanz muss Wertung prüfen können
Ein hinreichendes Maß an Detaillierung ist für die VK insbesondere auch deshalb geboten, um den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung der Wertungsentscheidung zu ermöglichen. Der Auftraggeber hatte Bewerbern die Zuschlagskriterien (Qualität 75 Prozent, Honorar 25 Prozent) einschl. der Unterkriterien und deren maximaler Bepunktung sowie Stichworte zu den erwarteten Inhalten der Präsentation über einen Link zu den Vergabeunterlagen mitgeteilt. Allen Bewerbern war damit vor der Präsentation bekannt,
- auf welche Gesichtspunkte es dem Auftraggeber besonders ankam und
- welches Punktespektrum für die Bewertung der einzelnen Kriterien und Unterkriterien vorgesehen war.
Zwar hatte der Auftraggeber Notenstufen mit einer Beschreibung der Zielerreichung nicht definiert. Dies musste er für die VK aber auch nicht, denn ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht zwingend gehalten, eine Bewertungsmethode vorab bekannt zu geben. Der öffentliche Auftraggeber muss in der Lage sein, die Bewertungsmethode, die er zur Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, an die Umstände des Einzelfalls anzupassen.
Die Anforderungen an die Dokumentation
Letztlich muss die Wertung so transparent sein, dass die Nachprüfungsinstanzen die Wertung überprüfen können. Und das war sie nicht. Für die VK war es an mehreren Stellen nicht nachvollziehbar, welche Gründe für eine Abwertung der Präsentation des klagenden Planungsbüros maßgeblich waren; warum es also nicht die maximale Punktzahl erhalten hatte (VK Bund, Beschluss vom 13.04.2022, Az. VK 1-31/22, Abruf-Nr. 230345)
Qualitätskriterium 1: Projektteam
Insbesondere seien im Qualitätskriterium 1 (Projektteam) an mehreren Stellen bei Punktabwertungen Formulierungen verwendet worden, die das Vorliegen der Anforderungen entweder kumulativ oder alternativ („und/oder“) beschreiben. Es war insoweit unklar, inwieweit der Auslober daraus eine positive oder negative Bewertung abgeleitet hatte. Die leicht variierenden Formulierungen waren auch im Quervergleich mit der Bewertung des erstplatzierten Bieters nicht restlos und schlüssig aufklärbar.
Qualitätskriterium 2: Projektanalyse
Dort fand sich in den handschriftlichen Notizen zwar ein verbales „Abarbeiten“ der vorgesehenen Stichpunkte der Wertungsmatrix. Allerdings seien die Bewertungen allgemein gehalten und hätten sich auf Zielerreichungsgrade („sehr gut und umfassend“, „gut und nachvollziehbar“) bezogen. Da jedoch im Vorfeld keine Zielerreichungsgrade definiert waren, konnte die VK aus den Formulierungen in den handschriftlichen Notizen selbst keine Erkenntnisse ableiten, welche Erwägungen für die jeweilige Punktvergabe maßgeblich waren. Es erschloss sich nicht, warum und in welchem Maß einzelne Punkte von der maximalen Punktzahl abgezogen wurden (in Ziffer 2.1 erreicht sie 25 von 30 Punkten, in Ziffer 2.2: 25 von 40 Punkten).
Schulnotenvergabe und Umrechnung in Punkte war inkonsistent
Die VK monierte auch, dass der Auslober im Kriterium 5 (Gesamtbild der Präsentation) laut handschriftlicher Notiz Schulnoten vergeben und diese anschließend umgerechnet hatte, um sie in das Wertungsschema von 100 Punkten einzupassen. Diese Umrechnung war nach Auffassung der VK nicht korrekt erfolgt. Der Auftraggeber hatte keinen Umrechnungsmodus vorgegeben und stattdessen eine passende Endpunktzahl im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums ermittelt. Die „freihändige“ Ermittlung einer abweichenden Punktzahl im Anschluss an eine bereits festgelegte Schulnote stelle allerdings eine intransparente Veränderung der Wertungsergebnisse dar.
Die Umrechnung der Note 2+ in 75 Punkte und der 3- in 50 Punkte war unter Zugrundelegung des üblichen Schulnotenmodells (Notenstufe 1+ bis 6, mithin 16 Punktstufen von 0 bis 15 Punkte) nicht korrekt. Eine korrigierte Umrechnung hätte zu einer Aufwertung des Angebots des zweitplatzierten Büros um 0,5 gewichtete Punkte (von 80 Punkten) und zu einer Abwertung des Erstplatzierten um 0,33 gewichtete Punkte (von 46,67 Punkten) geführt.
Fragen und Antworten in der Verhandlung waren nicht dokumentiert
Nicht dokumentiert waren zudem Fragen des Auftraggebers und die Antworten des Bieters im 20-minütigen Bietergespräch. Dokumentiert war jeweils nur der Ablauf der Gespräche mit einer kurzen Beschreibung der Inhalte. So konnte die Nachprüfungsinstanz nicht überprüfen, ob
- in den Gesprächen wertungsrelevante Fragen gestellt wurden und
- ob Antworten der Bieter ggf. Eingang in die Wertung der Unterkriterien gefunden hatten, also z. B. Defizite in der Präsentation im Bietergespräch ausgeglichen werden konnten.
Die fehlende Dokumentation verursachte insoweit ein weiteres Transparenzdefizit. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, ob sich auch dies nachteilig auf die Rechtsposition des klagenden Büros ausgewirkt hatte.
- Beitrag „Auskömmliches Angebot: Das muss der Auftraggeber prüfen“, PBP 11/2021, Seite 2 → Abruf-Nr. 47723387
- Beitrag „VgV: So präsentieren Sie bei „Projektleiter“ und „Darstellung von möglichen Lösungsansätzen“, PBP 3/2022, Seite 18 → Abruf-Nr. 47744618
- Wie ist es um Ihre VgV-Präsentationen bestellt? Stellen Sie sich dem Experten-Check im nächsten VgV-Training vom 08. bis 09.11.2022 → www.vgv-training.de
AUSGABE: PBP 9/2022, S. 18 · ID: 48488482