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VertragsrechtGeneralplanerverträge: Honorardumpingbestrebungen erkennen und erfolgreich abwehren
| Mit der Unverbindlichkeit der ehemaligen Preisrechtsregelungen der HOAI gehen auch unterschiedliche Tricks einher, das Honorar merklich nach unten zu drücken. Besonders oft kommt das aktuell bei Generalplanerverträgen vor. PBP schildert aktuelle Vorgehensweisen öffentlicher wie privater Auftraggeber und bietet Lösungsansätze für Generalplaner. |
Der Fall: Anrechenbare Kosten werden stark reduziert
Im Kern geht es darum, dass die Auftraggeber durchsetzen wollen, dass die anrechenbaren Kosten der Kostengruppe 400 der Technischen Ausrüstung nur in einem Leistungsbild als anrechenbare Kosten enthalten sind. Beim Leistungsbild Gebäude sollen sie daher nicht noch einmal anrechenbar sein.
Fall aus der Praxis |
... sollen nur einem Leistungsbild als anrechenbar gewährt werden Ein Generalplaner nimmt an einem Vergabeverfahren teil. Er stellt fest, dass im Vertragsentwurf für den Generalplanervertrag (Leistungsbilder: Gebäude, Technische Ausrüstung [TA], Freianlagen und Verkehrsanlagen) bei den anrechenbaren Kosten für das Leistungsbild Gebäude (sinngemäß nachgestellt) folgendes vorgegeben ist: „Innerhalb des Generalplanervertrags sind die Kosten der Kostengruppe 400 bereits bei der Fachplanung der Technischen Ausrüstung als anrechenbare Kosten enthalten. Beim Leistungsbild Gebäude sind sie daher nicht noch einmal anrechenbar. Damit werden für das Leistungsbild Gebäude nur die Kosten der Kostengruppe 300 als anrechenbare Kosten vereinbart. |
So begründen Auftraggeber die Honorarminderung
Begründet wird dieser (unsachgemäße) Rechentrick, der eine erhebliche Honorarreduzierung mit geschätzt mindestens 25 Prozent unterhalb des Basishonorarsatzes bedeuten kann, sogar mit dem Verordnungstext der HOAI; und zwar wie folgt:
„Begründung“ im Wortlaut |
Auftraggeber monieren „Doppelanrechnung“ der Kostengruppe 400 „Die Regelung gem. §33 (2) HOAI gilt nur für den Fall, wenn der Planer die Techn. Anlagen nicht fachtechnisch plant und überwacht, also bei isolierter Beauftragung der Objektplanung Gebäude. Plant er sie aber fachlich innerhalb des Generalplanervertrags (im Leistungsbild Techn. Ausrüstung), sind die Kosten der Kostengruppe 400 ja bereits im Rahmen des Generalplanervertrags (bei der TA) anrechenbar. Wenn sie dann noch im Leistungsbild Gebäude anrechenbar wären, dann würde beim Generalplanervertrag eine Doppelanrechnung der Kostengruppe 400 erfolgen, was zu vermeiden sei.“ |
Außerdem wird gelegentlich folgender „Umkehrschluss“ bemüht, der aber von vornherein weder sinnvoll noch vertretbar ist:
Falsche Interpretation der HOAI-Regelung |
Auftraggeber legen die HOAI ... „Die Regelung gilt nur für die Fälle, in denen der Gebäudeplaner die TA weder fachlich plant noch überwacht. Wenn er sie also fachlich plant und überwacht (Generalplanervertrag), dann gilt die Regelung ja dem Wortlaut nach nicht.“ |
Warum die Begründung unsachgemäß ist
Diese Begründung ist so abwegig, dass PBP vorsorglich den betreffenden Wortlaut aus der HOAI widergibt.
§33 Abs. 2 HOAI 2021 im Wortlaut |
... vollkommen falsch aus Für Grundleistungen bei Gebäuden und Innenräumen sind auch die Kosten für Technische Anlagen, die der Auftragnehmer nicht fachlich plant oder deren Ausführung er nicht fachlich überwacht,
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Aus dem Wortlaut der HOAI ersehen Sie, dass die „Begründung“ dem Regelungssinn der HOAI eindeutig widerspricht. In der HOAI ist eine solche Herausnahme der 400er Kosten im Leistungsbild Gebäude nicht geregelt; auch nicht bei Generalplanerverträgen. Denn über Generalplanerverträge steht in der HOAI kein Wort. Wenn das so wäre, würde jeder Generalplaner, der die TA von Subplanern erbringen lässt (was der häufigste Fall ist), erheblich benachteiligt. In der Praxis würde es dann keine Generalplanerverträge geben.
400er Kosten sind beim Leistungsbild Gebäude immer anrechenbar
Zutreffend ist folgendes: Die Regelung in § 33 Abs. 2 HOAI betrifft nach dem Wortlaut des Verordnungstextes nur das Leistungsbild Gebäude und regelt auch nur die diesbzüglichen anrechenbaren Kosten unter Einschluss der Kostengruppe 400 mit der sog. 25-Prozent-Regelung. Diese Regelung ist also unberührt von der Frage, ob das Honorar für die Gebäudeplanung isoliert oder im Rahmen eines Generalplanervertrags vereinbart wird.
Mit keinem Wort wird der Abzug der Kostengruppe 400 geregelt. Die Generalplanung ist nämlich auch als Addition mehrerer Leistungsbilder zu verstehen. Darüber hinaus stehen die Honorarregelungen für TA und Gebäude völlig unabhängig voneinander. Sie sind auch nicht durch etwaige vertraglich / organisatorische Fragen (z. B. Generalplaner) miteinander verknüpft.
Auch die Rechtsprechung duldet diese Rechentricks nicht
Die herrschende Rechtsprechung hat sich (offenbar wenig beachtet) ebenfalls bereits vor Jahren dazu eindeutig geäußert. Der Tenor: Soweit der Architekt sowohl mit der Gebäudeplanung nach HOAI als auch mit der Planung der Technischen Ausrüstung nach HOAI beauftragt ist, ist er berechtigt, die Kosten der Kostengruppe 400 bei den anrechenbaren Kosten beider Leistungsbilder zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.11.2000, Az. 4 U 90/00, Abruf-Nr. 010417). Eine weitere Entscheidung mit gleichem Tenor hat das OLG Celle getroffen (OLG Celle, Urteil vom 08.10.2014, Az. 14 U 10/14, Abruf-Nr. 144676). Diesem Urteil lag die HOAI 2009 zugrunde.
Beide Urteile basieren zwar auf älteren HOAI–Fassungen. Vergleicht man die konkreten Texte, dürfte aber kein Zweifel bestehen, dass sie auch für die Fassung der HOAI 2013 und 2021 maßgeblich sind. Der Verordnungstext hat sich sinngemäß nicht verändert.
Praxistipp | Damit hat sich die Rechtsprechung ohne wenn und aber festgelegt. Alles andere wäre auch honorartechnischer Unsinn und würde dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. Es würde darüber hinaus dazu führen, dass kein Objektplaner mehr als Generalplaner auftreten könnte. Denn die Honorarverluste sind schlicht zu groß. |
Völlig unberührt davon stehen die Fragen der Zusatzaufwendungen eines Generalplaners, der deutlich mehr in seiner Zuständigkeit hat als nur die Addition von Leistungsbildern. Hier wären das komplette Haftungsrisiko, das Ausfallrisiko für Subplaner, Versicherungsprämien etc. zu nennen.
Die Konsequenzen für aktuelle Vertragsanbahnungen
Seit 2021 stellen die Regelungen der HOAI nur Orientierungswerte dar. Finden Sie eine solche Regelung in Ihrem Generalplanervertrag vor, müssen Sie aufpassen. Sie können nicht davon ausgehen, dass Sie das Honorar im Nachhinein an den Mindestsatz anpassen können. Das wird eine sehr schwierige Rechtsfrage, die nur einzelfallbezogen klärbar wäre. PBP rät deshalb dringend, solche unsachgemäßen Regelungen von vorneherein gar nicht zu akzeptieren. D. h. konkret:
- Private Auftraggeber: Nehmen Sie das als Tagesordnungspunkt in die Vertragsverhandlung auf. Schildern Sie dem Auftraggeber die Rechtslage. Machen Sie ihm klar, dass diese Art der Honorarermittlung für Sie im Leistungsbild Gebäude eine Unterschreitung des (ohnehin zu niedrigen) Basishonorarsatzes von mindestens 25 Prozent bedeuten würde. In der heutigen Situation ist das absolut inakzeptabel.... und sowohl bei privaten als auch ...
- Öffentliche Auftraggeber (VgV-Verfahren): Bitten Sie im Vergabemanagementsystem (für alle einsehbar) den Auftraggeber zu erklären, wie er – die für Sie nicht nachvollziehbare Regelung zu den anrechenbaren Kosten im Leistungsbild Gebäude – herleitet. Professionelle Auslober werden sich die Sache meist überlegen und diesen „Fehler“ im Vertragsentwurf im Rahmen des VGV-Verfahrens eliminieren.... öffentlichen Auftraggebern Gegenmaßnahmen ergreifen
AUSGABE: PBP 9/2022, S. 4 · ID: 48534505