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HonorarrechtHonorar auf Mindestsatz anheben: So ermitteln Sie den Mindestsatz im konkreten Fall

Abo-Inhalt24.02.20223185 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Moritz Lennich, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Franz+Partner Rechtsanwälte, Köln

| Nachdem der EuGH entschieden hat, dass die deutschen Gerichte die Mindestsätze der HOAI 2013 – trotz deren Europarechtswidrigkeit – weiter anwenden dürfen, werden sich viele Leser fragen, ob sie die Entscheidung für sich nutzen sollen. Das setzt aber voraus, dass sie wissen, dass sie sich durch das Geltendmachen der Mindestsätze im konkreten Fall tatsächlich besser stellen. PBP unterstützt Sie bei der Entscheidungsfindung, indem anhand eines konkreten Beispiels erläutert wird, wie die Mindestsätze ermittelt werden und was dabei zu beachten ist. |

Der Musterfall

Der Mindestsatzberechnungsfall stellt sich wie folgt dar:

Beispiel

Der Architekt wird mit der Objektplanung (Lph 1 bis 8) für den Neubau eines Gemeindezentrums beauftragt. Die anrechenbaren Kosten beziffern sich gemäß Kostenberechnung auf brutto 900.000 Euro (= netto 756.302,52 Euro). Anwendung findet die HOAI 2013. Mit seinem Auftraggeber hat sich der Architekt mündlich auf ein Pauschalhonorar in Höhe von brutto 100.000 Euro verständigt.

Lösung: Nach § 6 Abs. 1 HOAI richtet sich das Honorar für Grundleistungen

  • 1. für die Leistungsbilder der Objektplanung und Fachplanung nach den anrechenbaren Kosten des Objekts auf der Grundlage der Kostenberechnung oder, sofern keine Kostenberechnung vorliegt, auf Basis der Kostenschätzung,
  • 2. nach dem Leistungsbild,
  • 3. nach der Honorarzone und
  • 4. nach der zugehörigen Honorartafel.

Liegt das Pauschalhonorar unter dem Mindestsatz?

Ob der Mindestsatz höher liegt als das Pauschalhonorar, wird emittelt, indem die o. g. vier Parameter „aggregiert“ werden

1. Anrechenbare Kosten

Im Beispiel geht es um die Objektplanung Gebäude und Innenräume (§§ 33 ff. HOAI 2013). Hier werden die anrechenbaren Kosten nach § 2 Abs. 11 HOAI 2013 im Regelfall nach der Kostenberechnung auf Basis der Entwurfsplanung ermittelt. Dies bestimmt sich nach § 4 HOAI 2013.

Wichtig | Entscheidend ist der Nettobetrag (§ 4 Abs. 1 S. 4 HOAI 2013). Im Beispiel betragen die anrechenbaren Kosten netto 756.302,52 Euro.

2. Welches Leistungsbild?

Das maßgebliche Leistungsbild richtet sich nach dem betreffenden Objekt; hier das der Objektplanung für Gebäude und Innenräume.

3. Ermittlung der richtigen Honorarzone

Mit der Einteilung in Honorarzonen drückt die HOAI aus, wie anspruchsvoll ein Bauvorhaben ist (§ 5 HOAI 2013). Um ein Objekt in eine Honorarzone einordnen zu können, hilft zunächst ein Abgleich mit den Regelbeispielen der Objektlisten (Anlage 10 zur HOAI 2013, § 35 Abs. 7 HOAI 2013). Die Objektlisten bewerten den typischen Schwierigkeitsgrad für eine Vielzahl von Bauvorhaben. Die Objektliste für Gebäude findet sich in Anlage 10 Nr. 10.1. Für Bürger-, Gemeindezentren, Kultur-/Sakralbauten und Kirchen gilt Honorarzone IV.

Wichtig | Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Objektlisten nur Regelfälle darstellen, Abweichungen sind möglich. Ist die Objektliste – anders als in unserem Beispiel – nicht eindeutig, wird das Objekt also zwei oder sogar drei Honorarzonen zugeordnet, so erfolgt bei Gebäuden die Einordnung gemäß dem System der Absätze 2, 4 und 6 des § 35 HOAI 2013. Es sind dann Punkte zu vergeben, deren Gesamtsumme die Einordnung in die entsprechende Honorarzone ermöglicht. Im Streitfall wäre die Einstufung sachverständig nachzuprüfen.

4. Honorartafel/Honorarsatz

Für jede Planungsaufgabe findet sich in der HOAI eine Tabelle (Honorartafel), aus der anhand der anrechenbaren Kosten das Honorar für die vollständige Leistung (also die Lph 1 bis 9) je nach Honorarzone abgelesen werden kann. Für Gebäude und Innenräume findet sich die Honorartafel in § 35 Abs. 1 HOAI 2013. Angegeben sind je zwei Werte, nämlich Mindest- und Höchstsatz:

Anrechenbare

Kosten in Euro

Honorarzone IV

hohe Anforderungen

750.000

von 112.156 bis 126.301 Euro

1.000.000

von 144.268 bis 162.464 Euro

Die Honorartafel gibt (wie im Auszug dargestellt) für die dort angegeben Höhen der anrechenbaren Kosten den Mindestsatz und den Höchstsatz, jeweils netto, für sämtliche Honorarzonen an.

Bei anrechenbaren Kosten von 750.000 Euro beträgt der Mindestsatz für alle Lph in der Honorarzone IV netto 112.156 Euro. In unserem Ausgangsfall beziffern sich die anrechenbaren Kosten auf netto 756.302,52 Euro, sodass wir uns in einer sog. Zwischenstufe befinden. Die Mindest- und Höchstsätze für Zwischenstufen der in den Honorartafeln angegebenen anrechenbaren Kosten sind gemäß § 13 HOAI 2013 durch lineare Interpolation und gemäß der nachfolgenden Formel zu ermitteln:

Honorar-Interpolation

Nächstniedriger Tabellenwert der anrechenbaren Kosten

750.000,00 (a)

Mindestsatz der Honorarzone

112.156,00 (b)

Nächsthöchster Tabellenwert der anrechenbaren Kosten

1.000,000,00 (x)

Mindestsatz der Honorarzone

144.268,00 (y)

b + ((konkret anrechenbare Kosten – a) x (y – b))

(x – a)

= 112.156,00 + ((756.302,52 – 750.000,00) * (144.268,00 – 112.156,00))

(1.000.000,00 – 750.000,00)

= 112.156,00 + (6.302,52 * 32.112,00)

(250.000,00)

= 112.156,00 + 809,55 = 112.965,55

Ergebnis: Für die Erbringung der Lph 1 bis 9 bei anrechenbaren Kosten von netto 756.302,53 Euro und der Honorarzone IV beträgt der Mindestsatz also netto 112.965,55 Euro. Hinzu kommt wegen § 16 HOAI 2013 die Umsatzsteuer von derzeit 19 Prozent, sodass sich ein Bruttobetrag in Höhe von 134.429,00 Euro errechnet.

Da der Architekt im Beispielfall aber nur mit den Lph 1 bis 8 beauftragt wurde, reduziert sich der Honoraranspruch gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 9 HOAI 2013 um zwei Prozent, da die Erbringung der Grundleistungen der Lph 9 mit zwei Prozent bewertet wird. Es errechnet sich ein Betrag in Höhe von 131.740,42 Euro (134.429,00 x 0,98).

Praxistipp | Im Beispiel beträgt der Mindestsatz mithin brutto 131.740,42 Euro. Er liegt deutlich über der Pauschalvereinbarung. Der Architekt kann im Wege der Aufstockung die Differenz zwischen der Pauschale und dem Mindestsatz geltend machen, hier also ein zusätzliches Honorar von brutto 31.740,42 Euro.

Weitere Details zur Mindestsatzberechnung

Bei der Berechnung des Mindestsatzes ist kein Umbauzuschlag anzusetzen. Gleiches gilt für die Nebenkosten, es gibt keine „Mindestpauschale“. Es muss gemäß § 14 Abs. 3 HOAI 2013 nach Einzelnachweis abgerechnet werden. Werden dem Planer nicht alle Grundleistungen einer Lph übertragen, darf er für die übertragenen Grundleistungen nur ein Honorar berechnen, das dem Anteil der übertragenen Grundleistungen an der gesamten Lph entspricht. Die HOAI 2013 lässt aber offen, welchen Wert die einzelnen Grundleistungen besitzen. Anhaltspunkte zur Bewertung finden Sie in „Einzelbewertungstabellen“, wie z. B. den „Siemon-Tabellen“.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Paukenschlag vom EuGH zur HOAI 2013: EU-Recht steht Aufstockungsklagen nicht entgegen“, PBP 2/2022, Seite 10 → Abruf-Nr. 47954856
  • Beitrag „Die richtige Honorarzone: Empfehlungen für die Leistungsbilder TGA und Tragwerksplanung“, PBP 3/2020, Seite 4 → Abruf-Nr. 46310966
  • Download-Dokument „Die neuen Siemon-Einzelbewertungstabellen (Stand 12/2018)“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 45617168

AUSGABE: PBP 3/2022, S. 6 · ID: 48012282

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