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WohnungseigentumOnline-Teilnahme an Versammlung ohne Beschluss und schriftliche Vollmacht ist nicht per se rechtswidrig
Abruf-Nr. 240296
| Die Video-Teilnahme an einer Versammlung ohne Gestattungsbeschluss ist kein Anfechtungsgrund. Die fehlende Vollmachtsvorlage bei anderweitiger Information ist unschädlich (LG München I 9.8.23, 1 S 16489/22, Abruf-Nr. 240296). |
In der Eigentümerversammlung waren einige Eigentümer und der Verwalter persönlich anwesend, ein weiterer Eigentümer war – so der Verwalter „inoffiziell“ – per „Video“ zugeschaltet. Die Gemeinschaft hatte einen Beschluss nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG gefasst, mit dem die Online-Teilnahme an der Versammlung gestattet wurde. In der Versammlung hörte und sprach der Online-Teilnehmer trotz schlechter Übertragungsqualität mit, nahm aber nicht an der Abstimmung teil, weil er dem Verwalter sein Stimmrecht – mündlich – übertragen hatte. Ein Beschluss wurde angefochten, u. a. wegen der Online-Teilnahme. Vor dem AG hatte die Klage Erfolg. Das LG sah es anders.
Die Stimmabgabe durch den Verwalter für den online teilnehmenden Eigentümer sei wirksam gewesen. Die fehlende Vorlage der Vollmacht im Original sei unschädlich. Zwar bedürfe es nach § 25 Abs. 3 WEG der Textform. Zwischen dem Vorhandensein einer Vollmacht und der Vorlage derselben sei jedoch zu unterscheiden. So könne ein Bevollmächtigter, der seine Vollmachtsurkunde nicht vorlege, nach § 174 BGB mit der Folge zurückgewiesen werden, dass – trotz Vorhandensein der Vollmacht – er von dieser keinen Gebrauch machen könne. Es könne dahinstehen, ob nur der Verwalter ein solches Zurückweisungsrecht habe oder jeder Miteigentümer. Denn nach § 174 S. 2 BGB (analog) bestehe kein Zurückweisungsrecht, wenn der Bevollmächtigende die übrigen Eigentümer über die Vollmachtserteilung anderweitig informiert habe. Dass die Miteigentümerin dem Kläger gegenüber über Videotelefonat die Vollmacht – über ihr Handy, wenn auch für den Kläger nicht sichtbar – bekundet habe, trage er selber vor. Eine Unwirksamkeit des mit Vollmacht ausgeübten Stimmrechts nach § 174 BGB komme daher nicht in Betracht.
Auch die Video-Teilnahme begründe keinen formellen Beschlussmangel. Der Umstand, dass die Eigentümerversammlung von ihrer Beschlusskompetenz nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG keinen Gebrauch gemacht habe, sei unerheblich. Auch sei nicht gegen das Teilnahmerecht verstoßen worden. Die Meinungskundgabe sei Ausfluss des Teilnahmerechts und nicht per se Ausdruck einer Rechtswidrigkeit. Damit die Ausübung des Rederechts einen formellen Mangel begründe, bedürfe es daher eines Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift. Weder bestehe eine Pflicht des Verwalters, ein über ein Telefon ausgeübtes Rederecht eines Eigentümers zu unterbinden, noch ohne Weiteres eine Pflicht, ein solches – vorbehaltlich einer Beschlussfassung der Eigentümerversammlung – zuzulassen.
Beachten Sie | Die Entscheidung mag überraschen, weil das Gesetz eine Online-Teilnahme von Eigentümern vorsieht, wenn zuvor ein Gestattungsbeschluss gefasst wurde. Das Gericht hat aber zu Recht berücksichtigt, dass der fehlende Beschluss keine Auswirkung auf das Ergebnis hatte.
AUSGABE: MK 4/2024, S. 67 · ID: 49960236