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Private VeräußerungsgeschäfteZwangsversteigerung als Veräußerung i. S. des § 23 EStG
| Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung veräußert, greift die Besteuerung nach § 23 EStG. Allerdings fallen unter den Begriff „Veräußerung“ nicht nur Kaufverträge, sondern auch wirtschaftlich gleichzustellende Vorgänge. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass der entgeltliche Erwerb – die Anschaffung – und die entgeltliche Übertragung des Wirtschaftsguts auf eine andere Person – die Veräußerung – wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und Ausdruck einer „wirtschaftlichen Betätigung“ sind. Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zeigt der Beitrag, wie bei einer Enteignung und einer Zwangsversteigerung abzugrenzen ist. |
1. Vorbemerkungen
Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
2. Keine Veräußerung bei Enteignung
An einem willentlichen Erwerb bzw. einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt es, wenn es zu einer Enteignung oder Umlegung kommt. Denn in diesen Fällen findet der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und ggf. auch gegen seinen Willen) statt. Ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz ist danach keine Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (BFH 23.7.19, IX R 28/18).
Beachten Sie | Im Umlegungsverfahren erfolgt keine Veräußerung im steuerlichen Sinne, vielmehr ist das neu erhaltene Grundstück Surrogat für das abgegebene Grundstück (BFH 12.4.22, VI R 22/20).
3. Zwangsversteigerung als Veräußerung
Von der Enteignung oder Umlegung sind jedoch die Fälle einer Veräußerung unter Zwang zu unterscheiden, weil es für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts nicht darauf ankommt, aus welchem Beweggrund die Veräußerung erfolgt.
So hat der BFH (14.2.23, IX R 11/21) entschieden, dass eine (willentliche) Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch dann vorliegen kann, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist von zehn Jahren überträgt.
Merke | Ob sich der Ehegatte dabei in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Motivlage kommt – abgesehen von den Fällen, in denen der Verlust des Eigentums (wegen eines Hoheitsakts) der freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen entzogen ist – regelmäßig keine Relevanz zu. |
In einer aktuellen Entscheidung des BFH (12.11.24, IX R 6/24) ging es nun um die Abgabe eines Meistgebots, das wirtschaftlich dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags über ein Grundstück entspricht. Dadurch erwirbt der Meistbietende nach §§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG den Anspruch, dass ihm das Eigentum an dem versteigerten Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Versteigerungsgerichts übertragen wird. Dabei ist der Meistbietende an sein Angebot gebunden und wird durch den nachfolgenden Zuschlag (originär) Eigentümer des Grundstücks (§ 90 Abs. 1 ZVG). Umgekehrt verliert in der Folge der Wirksamkeit des Zuschlags der Vollstreckungsschuldner das Eigentum an dem Grundstück.
Der BFH stellte heraus, dass die Übertragung eines Grundstücks wegen einer Zwangsversteigerung eine willentliche wirtschaftliche Betätigung des Steuerpflichtigen nicht entfallen lässt und nicht mit dem Eigentumsverlust infolge einer Enteignung vergleichbar ist. Dafür spricht, dass der Grundstückseigentümer und Vollstreckungsschuldner – anders als im Fall der Enteignung – den Eigentumsverlust durch Befriedigung des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers abwenden kann. Ob er dazu wirtschaftlich in der Lage ist, spielt keine Rolle.
Merke | Außerdem steht dem Eigentümer nach § 30a ZVG das Recht zu, eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu beantragen, um dadurch eine Fortführung der Zwangsversteigerung zu verhindern. Dies, so der BFH, stellt eine hinreichende Grundlage dafür dar, eine Grundstücksübertragung infolge eines Zwangsversteigerungsverfahrens durch Meistgebot und Zuschlagsbeschluss als Veräußerungsvorgang i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu werten. |
Beachten Sie | An die Stelle des Veräußerungspreises tritt dann der Versteigerungserlös in Gestalt des Meistgebots.
AUSGABE: MBP 7/2025, S. 113 · ID: 50390940