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UmsatzsteuerDifferenzbesteuerung: Neues zu Vertrauensschutz, Feststellungslast, Bagatellgrenze & Co.

Abo-Inhalt02.07.20255 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Matthias Ulbrich, Visselhövede

| In vielen Steuerkanzleien ist die Differenzbesteuerung an der Tagesordnung. Denn Second-Hand-Läden, Online-Shops (z. B. für Kleidung) und vor allem Gebrauchtwagenhändler nehmen die Sonderregelung zur abweichenden Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer in Anspruch. Der BFH hat kürzlich zwei für die Praxis bedeutende Entscheidungen getroffen, die nachstehend vorgestellt werden. Zudem wurde das Gesetz bzw. eine Bagatellgrenze geändert. |

1. Differenzbesteuerung im Überblick

Für Lieferungen (i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) von beweglichen körperlichen Gegenständen darf der Umsatz nach dem Betrag bemessen werden, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt (§ 25a Abs. 1 und Abs. 3 UStG).

Voraussetzung ist nach § 25a Abs. 1 UStG, dass die Gegenstände, die keine Edelsteine oder Edelmetalle sind, an einen Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt. Ferner ist es erforderlich, dass für die Lieferung des Gegenstands an den Wiederverkäufer Umsatzsteuer nicht geschuldet oder die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde. Das heißt: Der Händler muss den (weiter-)verkauften Gegenstand insbesondere von einer Privatperson, einem Kleinunternehmer oder von einem Unternehmer aus dessen Privatvermögen erworben haben (siehe hierzu im Einzelnen: A 25a.1 Abs. 5 S. 2 UStAE).

2. Feststellungslast und Vertrauensschutz

Fraglich ist, wer die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung trägt. Über folgenden Fall musste nun der BFH (11.12.24, XI R 15/21) entscheiden:

2.1 Sachverhalt

Das FA stellte bei einer Außenprüfung fest, dass der Steuerpflichtige unter Verwendung üblicher Musterkaufverträge, die typischerweise bei privaten Kfz-Verkäufen genutzt werden, Kfz von angeblichen Privatverkäufern erworben hatte. Dabei war der jeweilige Verkäufer aber nicht mit dem letzten eingetragenen Halter des Kfz identisch.

Beachten Sie | Bei anderen Kfz waren Fahrgestellnummern angegeben, die vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht ermittelt werden konnten, sodass auch keine Ermittlungen zu den letzten Haltern und Verkäufern möglich waren.

2.2 Entscheidung

Aus der Verwendung von „Privatverträgen“ kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit gefolgert werden, dass die Verkäufer tatsächlich Privatpersonen waren, insbesondere weil der jeweilige Verkäufer nicht mit dem letzten Halter des Kfz identisch war. Das gilt auch für die Fälle, in denen der Händler unzutreffende bzw. unvollständige Fahrgestellnummern aufgezeichnet hat. Daher bestand die durchaus naheliegende Möglichkeit, dass ein vorheriger Zwischenverkauf des Kfz von einer Privatperson an einen Händler stattgefunden hatte.

Der Händler hat nicht ohne Weiteres auf die Behauptung der jeweiligen Verkäufer vertrauen können, dass diese als Privatverkäufer handeln. Ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer hätte sich zumindest die Verkaufsvollmacht vorlegen lassen müssen. Wird sie nicht vorgelegt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Verkäufer um einen „verkappten“ Händler handelt, der seine Händlereigenschaft zum Zwecke einer Steuerhinterziehung verschleiert.

Praxistipp | Da der Händler die Feststellungslast und somit das Risiko trägt, dass der Verkauf in vollem Umfang (anstatt nur mit der Marge) der Umsatzsteuer unterliegt, ist dringend anzuraten, Beweisvorsorge zu treffen. Er sollte sich von dem Verkäufer bestätigen lassen, dass dieser eine Privatperson ist bzw. – falls der Verkäufer ein Unternehmer ist –, dass er den Gegenstand aus seinem Privatvermögen veräußert.
Weicht der Verkäufer von dem letzten Halter ab, muss der Käufer davon ausgehen, dass der Verkäufer den Gegenstand mit der Absicht erworben hat, ihn wieder zu verkaufen und somit als Unternehmer tätig wird. In diesen Fällen sollte daher unbedingt eine Verkaufsvollmacht eingefordert und mit zu den Aufzeichnungen genommen werden.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (18.5.17, C-624/15) kann dem Steuerpflichtigen Vertrauensschutz gewährt werden, wenn er in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.

3. Differenzbesteuerung bei anteiligem Recht zum Vorsteuerabzug am Liefergegenstand

Am gleichen Tag musste der BFH (11.12.24, XI R 9/23) auch über diesen Fall entscheiden:

3.1 Sachverhalt

Die Steuerpflichtige kaufte antike Kommoden aus Privatbesitz an, restaurierte diese und baute sie durch Aufsatz eines neuen – mit Recht auf Vorsteuerabzug erworbenen – Waschbeckens und ggf. weiterem Zubehör zu neuwertigen Waschtischen um. Über ihre Leistungen stellte sie jeweils zwei Rechnungen aus: Eine über die restaurierte Kommode (unter Anwendung der Differenzbesteuerung) und eine über den Auf- bzw. Umbau des Waschtisches (unter Anwendung der Regelbesteuerung).

3.2 Entscheidung

Handelt es sich bei der Lieferung der aufgearbeiteten Kommoden nebst Keramikaufsatz und Zubehör um einen einheitlichen Umsatz, scheidet die Anwendung der Differenzbesteuerung nach der Rechtsprechung des EuGH (19.7.12, C-160/11) aus, wenn für den Gegenstand der Lieferung (wie im Streitfall) ein anteiliges Recht zum Vorsteuerabzug besteht.

Der BFH hat die Sache aber an die Vorinstanz (FG Schleswig-Holstein) zurückverwiesen. Denn der BFH konnte auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob das FG zu Recht von der Lieferung eines einzigen, vor der Lieferung an die Kunden bereits bearbeiteten Gegenstands ausgegangen ist oder ob die Steuerpflichtige zunächst mehrere Gegenstände geliefert und anschließend eine sonstige Leistung erbracht hat.

Auch haben weder das FA noch das FG Schleswig-Holstein tatsächlich festgestellt, welchen konkreten Inhalt die vertraglichen Vereinbarungen der Steuerpflichtigen mit ihren Kunden hatten, obwohl sich der Inhalt der Leistung nach dem oder den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen bestimmt.

Merke | Die von der Steuerpflichtigen vorgenommene getrennte Rechnungsstellung ist für die Beurteilung „einheitlicher Umsatz versus getrennte Leistungen“ nicht entscheidend bzw. es kommt darauf nicht an.

4. Anhebung der Bagatellgrenze

Grundsätzlich ist die Differenz aus Einkaufs- und Verkaufspreis für jeden einzelnen Umsatz zu ermitteln. Nach § 25a Abs. 4 UStG existiert aber eine Vereinfachung: Danach kann ein Wiederverkäufer die Bemessungsgrundlage nach der Gesamtdifferenz aus allen innerhalb eines Besteuerungszeitraums getätigten Einkäufen und Verkäufen bilden, sofern der Einkaufspreis einen bestimmten Betrag nicht übersteigt.

Beachten Sie | Der für die Inanspruchnahme der Vereinfachung festgelegte Einkaufspreis betrug seit dem 1.1.02 unverändert 500 EUR und wurde durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BGBl I 24, 323) mit Wirkung ab dem 1.1.25 auf 750 EUR angehoben.

Die Gesamtdifferenz kann nur einheitlich für die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums ausgeführten Umsätze ermittelt werden, die sich auf Gegenstände mit Einkaufspreisen bis zu 750 EUR beziehen. Es ist nicht zulässig, die Gesamtdifferenz innerhalb dieser Preisgruppe auf bestimmte Arten von Gegenständen zu beschränken. Für Gegenstände, deren Einkaufspreis 750 EUR übersteigt, ist daneben die Ermittlung nach der Einzeldifferenz vorzunehmen (vgl. A 25a.1 Abs. 13 S. 1 ff. UStAE).

Merke | Der Wiederverkäufer kann nur zu Beginn eines Kalenderjahrs von der Ermittlung nach der Einzeldifferenz zur Ermittlung nach der Gesamtdifferenz und umgekehrt wechseln (A 25a.1 Abs. 14 UStAE).

AUSGABE: MBP 7/2025, S. 115 · ID: 50414306

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