Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe 08.05.2025 abgeschlossen.
Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juli 2025 abgeschlossen.
WettbewerbsverbotNachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern richtig vereinbaren
| Scheidet ein Arbeitnehmer aus, geht dem Unternehmen dadurch immer auch ein Stück Know-how und Erfahrung verloren. Das lässt sich nicht vermeiden. Wechselt der Arbeitnehmer zum Wettbewerber, geht mit dem Know-how-Verlust im eigenen Unternehmen allerdings ein entsprechender Know-how-Zufluss beim Konkurrenten einher. Dies wird bisweilen durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu unterbinden versucht. LGP zeigt, worauf es dabei ankommt. |
Grundlegendes zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote betreffen die Zeit nach dem Vertrag; sie bedürfen der ausdrücklichen und schriftlichen Vereinbarung. Dadurch unterscheiden sie sich vom sog. vertraglichen Wettbewerbsverbot, das entgegen der etwas verwirrenden Bezeichnung gerade keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf, sondern ohne Weiteres gilt und sich aus der wechselseitigen Rücksichtnahmepflicht der Arbeitsvertragsparteien ableiten lässt: Während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitnehmer jedenfalls im Regelfall auch ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht dazu befugt, parallel für einen Wettbewerber tätig zu werden.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen aber nicht nur ausdrücklich vereinbart werden, sondern unterliegen auch einer Vielzahl einschränkender gesetzlicher Vorgaben, die sich aus §§ 74 ff. HGB ergeben. Diese handelsrechtlichen Vorschriften sind in Teilen nur schwierig zu verstehen, weil sie aus dem späten 19. Jahrhundert stammen und dem Wortlaut nach auf Handelsgeschäfte beschränkt sind. Die Rede ist im Gesetz vom Prinzipal und vom Handlungsgehilfen, doch wendet die ständige Rechtsprechung diese Regeln heute unstrittig auf alle Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmer an.
Wer vom Wechsel zum Wettbewerber abgehalten wird, ist in der Entfaltung seiner beruflichen Perspektiven erheblich beschränkt. Deshalb geht das deutsche Recht seit jeher davon aus, dass solche nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen nur in engen Grenzen zulässig sein können.
Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote
§ 74a HGB formuliert dahingehend, dass ein Wettbewerbsverbot „insoweit unverbindlich ist, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des [Arbeitgebers] dient“ oder „soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des [Arbeitnehmers] enthält“. In diesen knappen Sätzen verbergen sich zahlreiche Vorgaben, die für die Wirksamkeit einer Abrede über ein Wettbewerbsverbot eingehalten werden müssen.
Karenzentschädigung
Das Gesetz macht nachvertragliche Wettbewerbsverbote gegenüber Arbeitnehmern davon abhängig, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Gegenzug eine Karenzentschädigung verspricht. Konkret muss der (ausgeschiedene) Arbeitnehmer während des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (mindestens) die Hälfte seines letzten Gehalts bezahlt bekommen.
Musterformulierung / Karenzentschädigung |
Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung nach Maßgabe der §§ 74 ff. HGB in der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthöhe von 50 Prozent der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung. Die Entschädigung ist in monatlichen Beträgen jeweils am Monatsende zu zahlen. Auf die Entschädigung wird im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen angerechnet, was der Arbeitnehmer während der Dauer des Wettbewerbsverbots durch anderweitige Verwertung der Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer des Wettbewerbsverbots auf Wunsch des Arbeitgebers jederzeit Auskunft über die Höhe seines Erwerbs zu erteilen und den jeweiligen Arbeitgeber oder Dienstherrn bekannt zu geben. |
Zeitliche Komponente
Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für nicht mehr als zwei Jahre vereinbart werden kann.
Örtliche Komponente
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit nur in dem Gebiet verbieten, in dem diese Tätigkeit für ihn wirklich Konkurrenz bedeutet. Das lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern stets nur mit der konkreten Geschäftstätigkeit des Unternehmens, das das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit seinem Arbeitnehmer vereinbart.
Beispiele |
|
Inhaltliche Komponente
Auch inhaltlich muss das Wettbewerbsverbot dem Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dienen. Verboten werden kann daher nur eine Tätigkeit, die im Geschäftsbereich des bisherigen Arbeitgebers liegt. Die Praxis differenziert vereinfachend zwischen unternehmensbezogenen und tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten.
Beispiele |
Beispiel für ein tätigkeitsbezogenes Verbot |
Musterformulierung / Wettbewerbsverbot – Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand |
|
- Unternehmensbezogen ist das Wettbewerbsverbot, wenn es die Tätigkeit branchenbezogen oder bei bestimmten Konkurrenzunternehmen untersagt.
- Tätigkeitsbezogen ist das Wettbewerbsverbot, wenn es bestimmte Arten von Tätigkeiten untersagt.
Fehlerhaft vereinbartes Verbot und Unverbindlichkeit
Verstößt die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gegen die aufgezeigten Anforderungen, muss der Arbeitgeber mit folgenden Konsequenzen rechnen:
Wettbewerbsverbot enthält keine Karenzentschädigung
Die Rechtsfolge eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne vereinbarte Karenzentschädigung ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots, sondern dessen Unverbindlichkeit. Das bringt den Arbeitnehmer in eine komfortable Position:
- Der Arbeitnehmer kann nämlich selbst entscheiden, ob er sich entweder an das Wettbewerbsverbot hält und im Gegenzug die (zwar vertraglich nicht versprochene, aber gesetzlich zwingende) Karenzentschädigung verlangt
- oder ob er zum Wettbewerber wechselt, im Gegenzug aber dann selbstverständlich keine Karenzentschädigung bezieht.
Denn der Arbeitnehmer ist an das Wettbewerbsverbot in einem solchen Fall nicht gebunden (insoweit „unverbindlich“), kann sich aber freiwillig dafür entscheiden, sich an das unverbindlich vereinbarte Verbot zu halten, dann aber eben auch die Karenzentschädigung einzufordern.
Zu weites Wettbewerbsverbot
Vergleichbares gilt, wenn der Arbeitgeber zwar die Karenzentschädigung in den Vertrag aufgenommen hat, im Hinblick auf die sonstigen Grenzen des Wettbewerbsverbots aber zu weit gegangen ist, also ein nach Inhalt, Zeit und/oder Ort nicht mehr angemessenes Verbot vereinbart hat. Obwohl der Gesetzeswortlaut etwas anders nahelegt, wird ein derart überschießendes Verbot nicht etwa auf den noch zulässigen Inhalt zurechtgestutzt (sog. geltungserhaltende Reduktion). Es wird vielmehr von der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte für insgesamt unverbindlich erklärt – auch hier mit der Folge, dass sich der ausgeschiedene Arbeitnehmer entscheiden kann, ob er sich an die Vereinbarung hält und die Karenzentschädigung bezieht, oder ob er zum Wettbewerber wechselt.
Ohne Risiko ist das allerdings auch für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht, sofern nicht das Wettbewerbsverbot ganz offensichtlich zu weit geht (etwa wenn der örtliche Versicherungsvertreter seinen Arbeitnehmer mit einem weltweiten Wettbewerbsverbot belegt). Wagt der Arbeitnehmer nämlich den Wechsel zum Wettbewerber, erhält er nicht nur keine Karenzentschädigung (mit der er dann ohnehin nicht rechnet), sondern kann von seinem vormaligen Arbeitgeber auch auf Unterlassung der Wettbewerbstätigkeit verklagt werden, und zwar auch im einstweiligen Rechtsschutz, also im Schnellverfahren. Hat eine solche Verfügung Erfolg, muss der vormalige Arbeitnehmer seine neue Tätigkeit beim Konkurrenten unverzüglich und für die Dauer des restlichen Wettbewerbsverbots einstellen. Allerdings muss der vormalige Arbeitgeber für diesen Zeitraum dann auch Karenzentschädigung entrichten.
Wettbewerbsverbot in Kombination mit Vertragsstrafe
Viele Arbeitgeber kombinieren das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zudem mit einer Vertragsstrafenregelung. Sie zielt darauf ab, die Einhaltung des Verbots zu gewährleisten, und wird fällig, wenn das Wettbewerbsverbot verletzt wird. Auch solche Vertragsstrafen unterliegen jedoch erheblichen Beschränkungen; z. B. dürfen sie in der Regel ein Monatsgehalt nicht übersteigen.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist fehleranfällig und komplex. Zahlreiche Einzelheiten und Stolpersteine sind aus Platzgründen hier nicht einmal erwähnt, und vergleichbare Vereinbarungen mit Geschäftsführern oder Mitgliedern eines Vorstands oder mit selbstständigen Handels- oder Versicherungsvertretern folgen teils anderen Regeln.
Praxistipps |
|
AUSGABE: LGP 7/2025, S. 157 · ID: 50399530