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Arbeitgeber trägt finanzielles RisikoBeginn der Beitragspflicht bei nachträglicher Statusfeststellung - hohe Forderungen drohen

Abo-Inhalt05.06.200920 Min. Lesedauer

Uns erreichte folgende Leseranfrage: „Bislang war es bei SV-Prüfungen üblich, dass bei einer festgestellten Versicherungspflicht die Beiträge erst mit Bekanntgabe der Entscheidung fällig wurden. In einem aktuellen Fall will der Prüfer jetzt rückwirkend Beiträge erheben, obwohl dem Arbeitgeber weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Ist das rechtens?“.

Uns erreichte folgende Leseranfrage: „Bislang war es bei SV-Prüfungen üblich, dass bei einer festgestellten Versicherungspflicht die Beiträge erst mit Bekanntgabe der Entscheidung fällig wurden. In einem aktuellen Fall will der Prüfer jetzt rückwirkend Beiträge erheben, obwohl dem Arbeitgeber weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Ist das rechtens?“.

Unsere Antwort in Kürze: Ja dieses Vorgehen ist rechtens für Prüfungen, die nach dem 31. Dezember 2007 begonnen haben bzw. beginnen. Hintergrund ist, dass § 7b und § 7c SGB IV (alte Fassung) ersatzlos gestrichen wurden. Was das im Einzelnen bedeutet, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Neuregelung zum 1. Januar 2008

Seit 1. Januar 2008 sind Beiträge seit Beschäftigungsbeginn und nicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung durch den Versicherungsträger fällig, wenn die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung die Versicherungs- und Beitragspflicht eines Mitarbeiters feststellen.

Das heißt: Der Prüfer kann für das laufende Jahr und bis zu vier Kalenderjahre zurück, Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nachfordern. Dabei spielt es auch keine Rolle mehr, ob der Mitarbeiter sich in der Vergangenheit anderweitig gegen Krankheit und wegen des Alters abgesichert hat.

Bis zum 31. Dezember 2007 wurden Beiträge für die Vergangenheit nur in Ausnahmefällen erhoben. Denn die Versicherungs- und Beitragspflicht begann nur dann mit Beschäftigungsbeginn, wenn der Arbeitgeber bei der Beurteilung des Arbeitsverhältnisses vorsätzlich oder grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen war. In einem mehrstufigen Verfahren wurde dann zunächst der Status des Mitarbeiters und anschließend die Versicherungspflicht an sich und der Beginn der Versicherungspflicht festgestellt. Im Anschluss daran wurden die Beiträge nachgefordert.

Kein mehrstufiges Verfahren mehr

Der Wegfall der § 7b und § 7c SGB IV (alte Fassung) hat weitreichende Folgen für die Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung. Ist ein Arbeitgeber bei der Feststellung einer Tätigkeit bei einem freiberuflichen Mitarbeiter irrtümlich von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen, muss jetzt nicht mehr das mehrstufige Verfahren durchlaufen werden.

Die Sozialversicherungsbeiträge können unmittelbar nach der Schlussbesprechung bzw. nach einer schriftlichen Anhörung mit einem Bescheid nachgefordert werden. Dieser Bescheid enthält sowohl die ausdrückliche Feststellung des Status als Arbeitnehmer und das Bestehen der Versicherungspflicht, als auch die sich ergebende Beitragsnachforderung.

Wichtig: Für den Arbeitgeber bedeutet das, dass selbst bei einer fehlerhaften Statusbeurteilung durch den Prüfer die Sozialversicherungsbeiträge sofort fällig sind. Denn ein Widerspruch - eingelegt beim zuständigen Rentenversicherungsträger - oder eine Klage beim zuständigen Sozialgericht haben keine aufschiebende Wirkung mehr. Die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge kann nicht mehr bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung hinausgeschoben werden.

Beispiel

Im Januar 2009 fand in in einer Möbelschreinerei eine Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung statt. Es stellte sich heraus, dass der Arbeitgeber seit 1. Januar 2000 einen selbstständigen Schreiner in seinem Betrieb arbeiten lässt. Der Betriebsprüfer stellte fest, dass der selbstständige Schreiner als abhängig Beschäftigter für den Arbeitgeber tätig ist.Der Betriebsprüfer fordert für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008 für den beschäftigten Schreiner Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nach. Gegen den Nachforderungsbescheid legt der Arbeitgeber Widerspruch ein. Der Widerspruch hat aber keine aufschiebende Wirkung.

Unterschied zum Anfrageverfahren bei der Clearingstelle

Anders verhält es sich, wenn außerhalb einer Betriebsprüfung in einem sogenannten „Anfrageverfahren“ (§ 7a SGB IV) bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin der Status eines Mitarbeiters geklärt wird. Hier werden nach der Statusfeststellung die Beiträge erst fällig, wenn die Entscheidung unanfechtbar geworden ist. Werden also Beiträge im Rahmen des „Anfrageverfahrens“ nachgefordert, haben ein Widerspruch oder eine Klage aufschiebende Wirkung.

Beispiel

Ein selbstständiger Automechaniker hat am 1. Februar 2009 eine Tätigkeit in einer Autowerkstatt aufgenommen. Er arbeitet nur wenige Stunden und ist nur für besondere Fälle zuständig. Der Arbeitgeber lässt durch die Clearingstelle den Status prüfen, weil er sich nicht sicher ist, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.Mit Bescheid vom 15. März 2009 teilt die Clearingstelle mit, dass der Automechaniker als abhängig Beschäftigter tätig ist. Mit dieser Entscheidung ist der Arbeitgeber nicht einverstanden und legt am 28. März 2009 Widerspruch ein. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung muss der Arbeitgeber erst zahlen, wenn der Nachforderungsbescheid der Clearingstelle unanfechtbar also rechtskräftig ist.

Alternative

Der Arbeitgeber geht von einer selbstständigen Mitarbeit des Automechanikers aus. Er leitet deshalb kein Anfrageverfahren in die Wege und führt für den Mitarbeiter auch keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Später greift die Betriebsprüfung den Fall auf. Der Prüfer geht von einer nichtselbstständigen Tätigkeit aus und erlässt einen Nachforderungsbescheid. Die nachgeforderten Beiträge sind sofort fällig. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber Widerspruch einlegt, später vor dem Sozialgericht klagt und gewinnt. Die Beiträge muss er trotzdem erst einmal zahlen.

Aussetzung der Vollziehung beantragen

Gegen die sofortige Fälligkeit der Beiträge kann sich der Arbeitgeber nur mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wehren. Der Antrag muss aber sehr gut begründet sein (zum Beispiel eine belegbare Existenzgefährdung des Unternehmens). Ansonsten gibt ihm die Deutsche Rentenversicherung in der Regel nicht statt.

Hat der Antrag auf Aussetzung Erfolg, muss der Arbeitgeber die Beiträge so lange nicht bezahlen, bis der Nachforderungsbescheid rechtskräftig ist. Gewinnt die Deutsche Rentenversicherung den Rechtstreit aber am Ende, muss der Arbeitgeber zusätzlich Zinsen (4 Prozent p.a.) entrichten.

Statusfeststellungsverfahren bei unklaren Fällen einleiten

Nicht abgeführte Beiträge können Arbeitgeber nur für die letzten drei Lohnzahlungen vom Arbeitnehmer einbehalten (§ 28g Satz 3 SGB IV). Um sich vor hohen finanziellen Belastungen zu schützen, sollten sie deshalb bei unklaren Fällen innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit des Mitarbeiters das „Antragsverfahren“ einleiten und eine Statusfeststellung beantragen. Nur so sind sie auf der sicheren Seite. Die Adresse der Clearingstelle lautet: Deutsche Rentenversicherung Bund, Clearingstelle, 10704 Berlin.

Wichtig: Ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle kann nur durchgeführt werden, wenn eine Einzugsstelle (gesetzliche Krankenkasse) oder die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung den Sachverhalt noch nicht beurteilt hat.

Betriebsprüfer an Statusfeststellung gebunden

Die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung sind bei späteren Kontrollen an diese Entscheidung gebunden. Dies gilt auch, wenn die Clearingstelle einen falschen Bescheid erlassen hat.

Unser Tipp: Eine verbindliche Statusentscheidung ist auch im Hinblick auf Leistungsansprüche aus der Arbeitslosenversicherung wichtig. Ohne verbindliche Statusentscheidung kann die Agentur für Arbeit - trotz der Beitragszahlung durch den Arbeitgeber und Arbeitnehmer - aufgrund eines eigenen Prüfrechts im Leistungsfall die Zahlungen verweigern. Liegt eine verbindliche Statusentscheidung vor, muss sie zahlen.

AUSGABE: LGP 6/2009, S. 102 · ID: 127626

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