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GruppenunfallversicherungenWas gilt für Beiträge und Leistungen?
Unfallversicherungen sind heutzutage Bestandteil vieler Arbeitsverhältnisse. Je nach Ausgestaltung gelten unterschiedliche Regeln für die Besteuerung der Beiträge und Leistungen. Zusätzliche Brisanz gewinnt das Thema dadurch, dass einige Finanzgerichte von der Verwaltungsauffassung abweichen wollen. Wir verschaffen Ihnen einen Überblick, was derzeit in Punkto Lohnsteuer und Sozialversicherung gilt.
Das Spektrum der Unfallversicherungen
- Gesetzliche Unfallversicherung: Die Beiträge des Arbeitgebers zur gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) sind für den Arbeitnehmer steuerfrei (§ 3 Nr. 62 EStG). Bei den Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung handelt es sich sowohl beim Arbeitnehmer als auch bei seinen Hinterbliebenen um steuerfreie Einkünfte (§ 3 Nr. 1 Buchstabe a EStG).
- Reiseunfallversicherung: Beiträge des Arbeitgebers zu einer Reiseunfallversicherung des Arbeitnehmers sind steuerfreie Reisenebenkosten, wenn ausschließlich das Unfallrisiko bei einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte abgedeckt ist (Dienstreise, Fahrtätigkeit und Einsatzwechseltätigkeit).
Beachten Sie: Die aus der Reiseunfallversicherung an den Arbeitgeber geleisteten und von ihm an den Arbeitnehmer weitergeleiteten Zahlungen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn. Ausnahme: Sie wurden als Ersatz für steuerfreie Entschädigungen gezahlt (zum Beispiel als Ersatz für Schmerzensgeld).
- Gesamtunfallversicherung: Zahlt der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer Beiträge zu einer Gesamtunfallversicherung, die auch private Unfallrisiken abdeckt, können steuerpflichtige Zukunftssicherungsleistungen vorliegen. Einzelheiten dazu auf den folgenden Seiten.
- Gruppenunfallversicherungen: Neben Einzelunfallversicherungen kann der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer auch einen Rahmenvertrag abschließen und alle oder einen Teil seiner Arbeitnehmer gegen Unfälle absichern (so genannte Gruppenunfallversicherung). Bei einer Gruppenunfallversicherung, können steuerpflichtige Beiträge pauschal lohnversteuert werden. Dazu später mehr.
Beachten Sie: Ein gemeinsamer Unfallversicherungsvertrag liegt bereits vor, wenn in einem Rahmenvertrag die versicherten Personen und die versicherten Wagnisse bezeichnet werden und die Einzelheiten in Zusatzvereinbarungen geregelt sind. Ein Rahmenvertrag, der nur den Beitragseinzug und die Beitragsabrechnung regelt, ist aber kein Gruppenunfallversicherungsvertrag (R 129b Sätze 3 und 4 LStR).
Arbeitgeberbeiträge zu Gesamtunfallversicherungen
Entscheidend für die steuerliche Behandlung der Beiträge ist, wer Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme hat, das heißt, wem im Versicherungsfall die Leistung zusteht. Je nach Versicherungsvertrag kann die Zahlung an den Arbeitgeber oder an den Arbeitnehmer erfolgen.
- Kein Arbeitslohn: Stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Arbeitgeber zu, sind die Beiträge des Arbeitgebers kein Arbeitslohn (BFH, Urteile vom 16.4.1999, Az: VI R 60/96, Abruf-Nr. 9966799667 und Az: VI R 66/97, Abruf-Nr. 9966499664).
- Arbeitslohn: Kann der Arbeitnehmer den Versicherungsanspruch unmittelbar gegenüber der Versicherung geltend machen (die Versicherungssumme wird an ihn ausgezahlt), handelt es sich bei den Beiträgen des Arbeitgebers um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Einzelunfallversicherung oder eine Gruppenunfallversicherung handelt. Die Beiträge sind Zukunftssicherungsleistungen und damit steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Aufteilung der Beiträge bei steuerpflichtigen Gesamtunfallversicherungen
Handelt es sich um steuerpflichtige Beiträge zu einer Gesamtunfallversicherung müssen die Beiträge wie folgt aufgeteilt werden (BMF, Schreiben vom 17.7.2000, Az: IV C 5 - S 2332 - 67/00; Abruf-Nr. 000808000808):
- Für die Aufteilung, welcher Anteil auf das berufliche Unfallrisiko entfällt, sind zunächst die Angaben der Versicherungsgesellschaft maßgebend. Fehlen diese, kann der Anteil mit 50 Prozent geschätzt werden.
- Vom beruflichen Risiko kann der Arbeitgeber 40 Prozent (= 20 Prozent vom Gesamtbetrag) als Reisenebenkosten steuerfrei belassen. Die restlichen 60 Prozent (= 30 Prozent vom Gesamtbetrag) sind als Werbungskostenersatz steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Beispiel
Ein Arbeitgeber zahlt für die Gesamtunfallversicherung seiner Arbeitnehmer anteilig je Arbeitnehmer 60 Euro. Abgedeckt sind - ohne Aufteilung seitens der Versicherung - neben beruflichen auch private Unfallrisiken. Die Arbeitnehmer können ihre Ansprüche direkt gegenüber der Versicherung geltend machen.Lösung: Jeweils 30 Euro (= 50 Prozent) entfallen auf das private und berufliche Risiko. Vom beruflichen Risiko können 12 Euro (= 40 Prozent von 30 Euro) als Reisenebenkosten steuerfrei belassen werden. Die restlichen 48 Euro sind steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Unser Tipp: Prämienvorteile eines Gruppenvertrags gegenüber einer Einzelversicherung sind für den Arbeitnehmer kein geldwerter Vorteil und damit kein Arbeitslohn.
Lohnsteuerpauschalierung bei Gruppenunfallversicherungen
Die steuerpflichtigen Versicherungsbeiträge müssen grundsätzlich individuell lohnversteuert werden. Unter folgenden Voraussetzungen kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit 20 Prozent pauschalieren (§ 40b Abs. 3 EStG).
- Es handelt sich um eine Gruppenunfallversicherung. Das heißt: In einem (Gruppen)-Vertrag müssen mehrere Arbeitnehmer versichert sein. Einzelverträge sind steuerlich nicht begünstigt.
- Der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende steuerpflichtige Nettobeitrag (das heißt ohne Versicherungssteuer) darf höchstens 62 Euro im Jahr betragen.
Die Versicherung kann für jeden Arbeitnehmer den einzelnen individuellen Versicherungsbeitrag ausweisen. Auch dann handelt es sich weiter um einen begünstigten Gruppenunfallversicherungsvertrag. Jedoch muss der Arbeitgeber bei der Prüfung der Höchstgrenze von 62 Euro die Einzelwerte zugrunde legen. Nur wenn der gesamte Versicherungsbeitrag in einer Summe ausgewiesen ist, kann ein Durchschnittswert ermittelt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 LStDV).
Ist die Lohnsteuerpauschalierung nicht möglich, muss der auf den Arbeitnehmer entfallende Beitrag (inklusive Versicherungsteuer) individuell lohnversteuert werden (§ 40b Abs. 3 EStG; R 129b Satz 1 LStR). Eine Pauschalierung mit einem besonders ermittelten Pauschsteuersatz (Ausgabe 3/2007, Seite 42) ist nicht möglich (§ 40b Abs. 4 Satz 2 EStG).
Unser Tipp: Individuell lohnversteuerte Beiträge kann der Arbeitnehmer als Werbungskosten abziehen, soweit sie das berufliche Risiko abdecken. Den privaten Anteil kann er bei den Sonderausgaben berücksichtigen.
Sozialversicherung
Die steuerpflichtigen Beiträge bleiben sozialversicherungsfrei, wenn sie pauschal lohnversteuert werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SvEV). Das gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber die Beiträge zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbringt.
Ermittlung der pauschalen Lohnsteuer
Pauschal lohnversteuert werden die tatsächlich gezahlten Bruttobeiträge (also inklusive Versicherungsteuer). Gewährt die Versicherung aufgrund der Anzahl der versicherten Arbeitnehmer günstige Konditionen, hat dies keinen Einfluss auf den zu versteuernden Betrag.
Beispiel
In einem Gruppenunfallversicherungsvertrag sind 25 Arbeitnehmer versichert. Ohne Aufteilung seitens der Versicherung ist das private, das berufliche und das Dienstreiserisiko abgesichert. Der Arbeitgeber zahlt jährlich 2.306,25 Euro (alternativ 2.305,50 Euro).
Prüfung der 62-Euro-Grenze
1. Alternative2. AlternativeAuf jeden Arbeitnehmer entfallen92,25 Euro92,22 Euro./. 20 % steuerfreier Anteil für Dienstreisen 18,45 Euro18,44 Euro= Bruttoversicherungsbeitrag73,80 Euro73,78 Euro./. Versicherungssteuer 19/11911,78 Euro11,78 EuroNettoversicherungsbeitrag62,02 Euro62,00 Euro
Im ersten Fall ist keine Lohnsteuerpauschalierung möglich. Je Arbeitnehmer müssen 73,80 Euro individuell versteuert werden. Zusätzlich entstehen Sozialversicherungsbeiträge. Im zweiten Fall können die Beiträge pauschal versteuert werden. Je Arbeitnehmer fallen folgende Beträge an:
Lohnsteuerpauschalierung
Lohnsteuer 20,0 % von73,78 Euro=14,77 EuroSolidaritätszuschlag5,5 %von14,77 Euro=0,81 EuroKirchensteuer *7,0 %von14,77 Euro=1,04 EuroSumme16,62 Euro* Der Kirchensteuersatz ist abhängig vom jeweiligen Bundesland
Freigrenze für Sachbezüge anwendbar?
Gewährt der Arbeitgeber als Versicherer seinen Arbeitnehmern Versicherungsschutz, handelt es sich um eine Sachleistung und die Freigrenze für Sachbezüge ist anwendbar. Das gilt aber nicht, wenn der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer den Arbeitnehmern Versicherungsschutz verschafft. In diesen Fällen geht die Finanzverwaltung von einer Barleistung aus, was die Anwendung der 44-Euro-Freigrenze ausschließt (R 31 Abs. 3 Satz 2 LStR; BFH, Urteil vom 26.11.2002, Az: VI R 68/01; Abruf-Nr. 030890030890).
Steuerliche Behandlung der Versicherungsleistungen
Für die steuerliche Behandlung der Versicherungsleistungen gilt folgender Grundsatz: Waren die Beiträge steuerpflichtiger Arbeitslohn, sind die späteren Leistungen kein Arbeitslohn, weil sie auf eigenen Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruhen. Im Gegenzug gilt: Waren die Beiträge kein steuerpflichtiger Arbeitslohn, sind die Leistungen grundsätzlich Arbeitslohn.
Grundsatz: Steuerpflichtige Beiträge = steuerfreie Leistungen
Leistungen (Einmalzahlungen oder Tagegelder) aus einer Unfallversicherung, die der Arbeitnehmer direkt gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen kann, sind grundsätzlich steuerfrei, weil die Beiträge steuerpflichtig waren (individuell oder pauschal versteuert). Sie sind aber ausnahmsweise Arbeitslohn, wenn
- es sich um eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG) handelt.
- der Unfall im beruflichen Bereich eingetreten ist und die Beiträge ganz oder teilweise als Werbungskosten abzugsfähig waren bzw. als steuerfreie Reisenebenkostenvergütung nicht steuerpflichtig waren.
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall verpflichtet Lohnsteuer einzubehalten, wenn er von dieser Zahlung weiß oder erkennen konnte, dass Gelder gezahlt werden (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG). In der Regel wird die Versicherung den Arbeitgeber über die Zahlung informieren. Erfolgt kein Lohnsteuerabzug muss der Arbeitgeber dies dem Betriebsstätten-Finanzamt anzeigen (§ 38 Abs. 4 Satz 2 EStG).
Grundsatz: Steuerfreie Beiträge = steuerpflichtige Leistungen
Waren die Beiträge nicht steuerpflichtig und zahlt der Arbeitgeber die Versicherungsleistungen wegen eines privaten oder beruflichen Unfalls an den Arbeitnehmer aus, handelt es sich nach Ansicht der Finanzverwaltung um steuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn (BMF, Schreiben vom 17.7.2000, Az: IV C 5 - S 2332 - 67/00; Abruf-Nr. 000808000808).
Mit einer Ausnahme: Bei einem beruflich veranlassten Unfall liegt kein Arbeitslohn vor, soweit der Arbeitgeber
- gesetzlich zur Schadenersatzleistung verpflichtet ist oder
- einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten erfüllt (BFH, Urteil vom 20.9.1996, Az: VI R 57/95; Abruf-Nr. 9705997059).
Im Gegensatz zur Finanzverwaltung haben jetzt einige FG außerdem entschieden, dass Invaliditätsentschädigungen kein steuerpflichtiger Arbeitslohn sind. Sie seien unabhängig davon, ob sich der Unfall im privaten oder beruflichen Bereich ereignet habe, als Schadenersatz für einen erlittenen Gesundheitschaden steuerfrei. Das gelte gleichermaßen für eine Todesfallleistung bei einem Unfall mit Todesfolge. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der Verfahren, die derzeit zu dieser Frage beim BFH anhängig sind:
Anhängige Verfahren
FinanzgerichtAbruf-Nr.Revision beim BFHFG Rheinland PfalzUrteil vom 28.9.2006; Az: 1 K 1854/05071094071094Az: VI R 66/06FG SachsenUrteil vom 1.2.2006; Az: 2 K 1955/04071095071095Az: VI R 19/06FG MünchenUrteil vom 25.8.2005; Az: 2 K 2081/05071096071096Az: VI R 24/06FG HessenUrteil vom 21.9.2004; Az: 10 K 3682/03 051817Az: VI R 20/05
Unser Tipp: Arbeitgeber sollten vorerst weiterhin nach der Verwaltungsauffassung verfahren. Sie sollten ihre Arbeitnehmer aber auf die anhängigen Verfahren hinweisen, damit diese ihre Bescheide offenhalten können.
Rentenzahlungen
Rentenzahlungen (Zeit- oder Leibrenten) aus einer Unfallversicherung gehören - unabhängig von der steuerlichen Behandlung der Beiträge - zu den sonstigen Einkünften des Arbeitnehmers (§ 22 Nr. 1 EStG).
AUSGABE: LGP 4/2007, S. 62 · ID: 87915