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Gesetzliche Regelung versus vertragliche VereinbarungDer Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG im Verhältnis zur vereinbarten Abfindung

Abo-Inhalt01.04.20078 Min. Lesedauer von Rainer Hoffmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, St. Ingbert

Das Verhältnis des Abfindungsanspruchs nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu einer - wie auch immer - vereinbarten Abfindung beleuchtet das LAG Baden-Württemberg. Quintessenz: Eine vertraglich vereinbarte Abfindung schließt § 1a KSchG aus.

Die gesetzliche Regelung in § 1a KSchG

Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt und teilt er dem Arbeitnehmer dabei mit, dass er bei Verstreichen lassen der Klagefrist eine Abfindung nach § 1a KSchG beanspruchen kann, hat der Arbeitnehmer die Wahl: Er kann innerhalb von drei Wochen gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen oder eine Abfindung in Höhe von 0,5 eines Brutto-Monatsverdiensts für jedes Jahr der Beschäftigung verlangen. Dabei müssen Arbeitgeber auf Folgendes achten:

  • Er muss die Kündigung ausdrücklich als betriebsbedingt bezeichnen. Eine nähere Begründung ist nicht erforderlich.
  • Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld- und Sachbezügen zusteht. Hierzu gehören alle Bezüge mit Entgeltcharakter. Zahlungen mit Aufwandscharakter wie Spesen, Schmutzzulagen oder Ähnliches zählen nicht zum Verdienst.

Ob der Arbeitgeber ein solches Angebot unterbreitet, bleibt ihm überlassen. Er kann wie früher vor, bei oder nach Ausspruch der Kündigung auch eine geringere oder höhere Abfindung anbieten. Und er kann selbstverständlich auch weiterhin Abfindungen bei personen- oder verhaltensbedingten und/oder außergerichtlichen Kündigungen anbieten. Es handelt sich dann allerdings nicht um ein Angebot nach § 1a KSchG.

Die Entscheidung des LAG

Im Fall vor dem LAG Baden Württemberg vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat im Zuge der Verlagerung der Produktionsstätten einen Sozialplan.

Änderungskündigung mit Abfindungsangebot bei Ausscheiden

Gegenüber allen Mitarbeitern sprach er Änderungskündigungen aus, verbunden mit dem Angebot, in die neue Betriebsstätte zu gleichen Arbeitsbedingungen zu wechseln. Für diejenigen, die nicht wechseln und statt dessen aus dem Unternehmen ausscheiden wollten, war im Sozialplan eine Abfindung vorgesehen.

Dazu teilte der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben mit: „Die Abfindung des einzelnen Mitarbeiters errechnet sich nach seiner persönlichen Punktzahl multipliziert mit dem Wert eines Punktes. Der Wert eines Punktes beträgt 51,02 €. Ihre persönliche Punktzahl wurde entsprechend den Bestimmungen im Sozialplan mit 257 Punkten ermittelt“.

Klage auf höhere Abfindung

Der Arbeitnehmer legte keine Kündigungsschutzklage ein, der Arbeitgeber rechnete den Abfindungsbetrag wie angeboten ab. Die Klage des Arbeitnehmers auf eine höhere Abfindung unter Berechnung seiner 22-jährigen Betriebszugehörigkeit mit 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wies das LAG ab (Urteil vom 26.6.2006, Az: 4 Sa 24/06; Abruf-Nr. 070602070602).

Begründung: Biete der Arbeitgeber die Zahlung einer - höheren oder niedrigeren - Abfindung auf vertraglicher Grundlage an, komme ein Anspruch nach § 1a KSchG nicht in Frage. Da sich das Angebot des Arbeitgebers ausdrücklich auf die Regelungen im Sozialplan bezogen habe, sei für den Arbeitnehmer erkennbar gewesen, dass der Arbeitgeber bewusst ein von der gesetzlichen Regelung des § 1a KSchG abweichendes vertragliches Angebot unterbreitet habe.

Tipps für die Praxis

Ist der Arbeitnehmer mit der angebotenen Abfindung nicht einverstanden, muss er binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Im Kündigungsschutzprozess klagt er dann auf Weiterbeschäftigung zu den alten Konditionen. Die Tatsache, dass dies bei einer Produktionsverlagerung mit Standortwechsel problematisch ist, erhöht seine Chance auf einen Abfindungsvergleich mit seinem Arbeitgeber.

Dieser könnte so aussehen: Er scheidet mit einer höheren Abfindung als im Sozialplan vorgesehen aus dem Unternehmen aus. Als Richtschnur für die Abfindungshöhe könnte dabei die Regelung in § 1a KSchG dienen.

Beachten Sie: Der Arbeitnehmer trägt allerdings das Risiko, dass das Gericht die Kündigung billigt. Dann geht er ganz leer aus.

Der „Königsweg“ für den Arbeitgeber: Er vereinbart bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags mit seinem Arbeitnehmer eine Abfindung für den Fall der Trennung. Erhebt der Arbeitnehmer trotzdem Kündigungsschutzklage, stehen seine Chancen schlecht, in einem Vergleich mehr als das ursprünglich Vereinbarte herauszuholen.

Fazit: § 1a KSchG ist eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess. Außerdem riskiert der Arbeitnehmer keine Sperre nach § 144 SGB III. Sie kommt allerdings nicht zum Zug, wenn der Arbeitgeber eine andere Regelung mit dem Arbeitnehmer vereinbart oder ihm ein von § 1a KSchG abweichendes vertragliches Angebot macht.

AUSGABE: LGP 4/2007, S. 71 · ID: 87919

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