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KapitalvermögenWertlose Aktien: Vorsicht bei der Verlustverrechnung und Steuerbescheinigungen genau prüfen!

Abo-Inhalt02.06.202510 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Verluste aus wertlos gewordenen Aktien, die aus dem Depot ausgebucht worden sind, können steuerlich zwar grundsätzlich berücksichtigt werden. Allerdings hat die Verlustverrechnung eine wechselvolle Geschichte, die noch nicht auserzählt ist. Derzeit muss man nämlich die Änderungen durch das JStG 2024 im Blick haben – mit einer durchaus tückischen Übergangsregelung. Und brandaktuell ist auch schon das BMF-Schreiben vom 14.5.25 (IV C 1 – S 2252/00075/016/070) in der Welt. Betroffene Anleger – wie die leidgeprüften Varta-Aktionäre – sollten sorgfältig prüfen, wie ihre Depotbank die Verluste „handhabt“ und ggf. die Verlustverrechnung in der Steuererklärung beantragen. |

1. Zum Hintergrund

Die Finanzverwaltung wollte Verluste aus wertlosen Aktien bei der reinen Ausbuchung aus dem Depot jahrelang nicht anerkennen. Und sie hat sich auch geweigert, Verluste aus Veräußerungen anzuerkennen, wenn die Veräußerungskosten den Erlös überstiegen, wenn also letztlich – fast – wertlose Aktien verkauft wurden.

Doch der BFH war anderer Ansicht und letztlich hat der Gesetzgeber – wenn auch halbherzig – gehandelt: Verluste durch Ausbuchung oder Veräußerung wertlos gewordener Aktien (und anderer Wertpapiere) dürfen seit dem 1.1.20 mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Die Beschränkung der Verlustverrechnung auf Aktiengewinne gilt hier nicht.

ABER: Es gab eine betragsmäßige Grenze. Die Verluste konnten nämlich nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 20.000 EUR ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste waren dann auf Folgejahre vorzutragen (§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG). Die Regelung galt für Verluste, die seit dem 1.1.20 entstanden waren. Doch mit dem JStG 2024 wurde die Begrenzung auf 20.000 EUR wieder abgeschafft, und zwar für alle offenen Fälle. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG wurde gestrichen. Entsprechende Verluste sind also auch über 20.000 EUR hinaus sofort verrechenbar.

Und auch hier gibt es ein ABER: Durch die Streichung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG lebt die alte Regelung des § 20 Abs. 6 S. 4 EStG wieder auf. Verluste aus dem Verkauf von Aktien dürfen danach nicht mit allen positiven Kapitalerträgen, wie z. B. mit Zins- und Dividendeneinkünften, und schon gar nicht mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden, sondern nur mit Gewinnen aus dem Verkauf von Aktien, und zwar im selben Jahr und darüber hinaus in den folgenden Jahren. Als „Verkauf“ in diesem Sinne gilt auch die reine Depotausbuchung sowie die Veräußerung von wertlosen Aktien (BMF 14.5.25, IV C 1 – S 2252/00075/016/070, Rz. 59, 63). Das Gesagte gilt für Aktien, die seit dem 1.1.09 gekauft wurden (§ 52 Abs. 28 S. 11 EStG).

2. Verlustverrechnung prüfen

Betroffene Anleger sollten für die Jahre vor 2025 und auch für das Jahr 2025 prüfen, ob ihre jeweilige Bank bzw. das depotführende Institut die Verrechnung von Verlusten aus wertlos gewordenen Aktien eigenständig vorgenommen hat oder ob eine Verlustverrechnung – zwingend – im Rahmen der Steuererklärung beantragt werden muss. Dazu kurz der Hintergrund:

Banken nehmen eine Verrechnung von Verlusten und negativen Einnahmen mit positiven Kapitalerträgen bereits während des Jahres vor. Hierzu bilden sie für jeden Anleger einen „virtuellen Verlustverrechnungstopf“. Bis zur Höhe der Verluste wird dann von positiven Kapitalerträgen keine Abgeltungsteuer einbehalten oder früher einbehaltene Steuer wieder erstattet. Genau genommen bilden die Banken sogar zwei Verlustverrechnungstöpfe, und zwar einen allgemeinen und einen Aktien-Verlustverrechnungstopf speziell für Verluste und Gewinne aus Aktiengeschäften. Falls nun am Jahresende der Saldo in einem oder in beiden Verlustverrechnungstöpfen negativ ist, gibt es zwei Möglichkeiten (§ 43a Abs. 3 S. 4 und 5 EStG):

  • Die Bank kann den nicht ausgeglichenen Verlust auf das nächste Jahr übertragen, um künftig fällige Zins- oder Dividendengutschriften oder Veräußerungsgewinne ohne Steuerabzug auszahlen zu können (sogenannter Verlustübertrag).
  • Stattdessen können betroffene Steuerpflichtige auch beantragen, dass die Bank ihnen eine Bescheinigung über den verbleibenden Verlust ausstellt. Dann wird der Verlustverrechnungstopf auf null gestellt. Mit dieser Verlustbescheinigung können Anleger den Verlustbetrag dann in der Steuererklärung geltend machen und gegebenenfalls mit positiven Kapitalerträgen anderer Bankinstitute verrechnen lassen. Die Verlustbescheinigung muss jeweils bis zum 15.12. des laufenden Jahres bei der Bank beantragt werden. Die darin bescheinigten noch nicht ausgeglichenen Verluste werden in die „Anlage KAP“ übernommen, und zwar getrennt nach Verlusten aus Aktiengeschäften und Verlusten aus anderen Anlagen. Hier sind auch die bescheinigten Gewinne anzugeben. Die sonstigen Verluste können mit allen Arten von Kapitalerträgen, Verluste aus Aktienverkäufen hingegen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden.

Beachten Sie | Bei wertlos gewordenen Aktien haben die Banken aber – bislang – keine Verlustverrechnung vorgenommen. Zumindest galt dies für Verluste von über 20.000 EUR. Sie haben die Verluste also nicht in den Verlusttopf eingestellt. Das galt bzw. gilt selbst dann, wenn Anleger nur über ein einziges Depot verfügen, über das sie alle Aktientransaktionen abwickeln. Sie mussten bzw. müssen entsprechende Verluste aus wertlos gewordenen Aktien also zwingend in die Steuererklärung übernehmen!

Das BMF verfügt dazu: „Verluste, auf die die Verlustverrechnungsbeschränkungen des § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG Anwendung finden, dürfen nicht in den Verlusttopf für sonstige Verluste oder den besonderen Verlusttopf für Aktienverluste eingestellt werden. Der Verlustausgleich findet ausschließlich im Rahmen der Veranlagung statt.“ (BMF 19.5.22, BStBl I 22, 742 Rz. 229a).

Gilt die oben genannte Rz. 229a des erwähnten BMF-Schreibens auch heute noch? Immerhin ist die gesetzliche Grundlage entfallen. Die Antwort lautet „Jein“. Für den Kapitalertragsteuerabzug ist nämlich zugelassen, dass eine IT-technische Umsetzung auf Ebene der Kreditinstitute erst ab dem 1.1.26 erfolgt (§ 52 Abs. 1 EStG, Art. 5 Nr. 4 i. V. m. Art. 56 Abs. 10 JStG 2024 vom 2.12.24, BGBl 2024 I Nr. 387).

Das bedeutet, dass einige Banken die – interne – Verlustverrechnung ihrerseits vornehmen, andere hingegen nicht. Mit Schreiben vom 14.5.25 (IV C 1 – S 2252/00075/016/070, Rz. 325) hat das BMF im Übrigen ausdrücklich zugelassen, dass Banken die Rz. 229a bis Ende 2025 weiter anwenden dürfen. Daher bleibt betroffenen Anlegern nichts anderes übrig, als die (Steuer-)Bescheinigungen genau zu prüfen und/oder bei ihrer Bank nachzufragen, wie die Handhabung bezüglich wertlos gewordener Aktien ist. Falls die „interne“ Verlustverrechnung nicht erfolgt, muss diese – wie bisher – im Rahmen der Steuererklärung beantragt werden.

Praxistipps | In den Jahren bis einschließlich 2025 sollten Anleger insbesondere darauf achten, ob in der Steuerbescheinigung ihrer Bank (ggf. im nachrichtlichen Teil) Hinweise enthalten sind wie „Höhe des Verlustes i. S. d. § 20 Abs. 6 S. 5 EStG (Verluste aus Termingeschäften)“ und/oder „Höhe des Verlustes i. S. d. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG (Verluste aus wertlosen Kapitalanlagen)“ und/oder „Gewinn aus … vor Verrechnung …“ und/oder „Nicht ausgeglichene Verluste …“. Wenn dies der Fall ist und keine interne Verlustverrechnung der Bank erfolgt ist, müssen die entsprechenden Verluste in die Steuererklärung übernommen werden. Mandanten sollten lieber einmal zu viel als zu wenig bei der Bank nachfragen, wie diese die Verluste behandelt hat!
Möglicherweise sind aus den Vorjahren – aufgrund der bisherigen beschränkten Verlustverrechnung – Verlustvorträge vorhanden. Dann sollte weiterhin eine Verlustverrechnung im Rahmen der Steuererklärung geltend gemacht werden. Zumindest sollte mit der Bank gesprochen werden, wie sie die Verlustvorträge handhabt.

3. Was gilt beim Verkauf von Aktien?

Werden Aktien mit Verlust veräußert, bleibt es – zumindest vorerst – dabei, dass ein gesonderter Verlustverrechnungskreis gebildet wird:

Praxistipp | Das BMF hat verfügt, dass Steuerbescheide, in denen der Verlustausgleich bei Aktienveräußerungen streitig ist, in dem betreffenden Punkt vorläufig ergehen. Kapitalanleger müssen also keinen Einspruch gegen die entsprechenden Steuerbescheide einlegen (BMF 31.1.22, BStBl I 22, 131). Doch Vorsicht: Bevor Steuerbescheide wegen der Verlustverrechnung bei Aktien überhaupt vorläufig ergehen können, müssen Anleger zu den Aktienverlusten eine Verlustbescheinigung ihrer Bank haben. Diese können Ihre Mandanten aber – wie erwähnt – nur jeweils bis zum 15.12. für das laufende Jahr beantragen (§ 43a Abs. 3 S. 4 und 5 EStG).
Die nicht ausgeglichenen Verluste aus der Veräußerung von Aktien müssen Anleger anschließend in der Anlage KAP zur Steuererklärung eintragen. Beantragt werden sollte zudem eine „Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge“ und gegebenenfalls die „Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge“. Anleger sollten anschließend in ihrem Steuerbescheid prüfen, ob dieser tatsächlich vorläufig ergangen ist – wegen der „Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 S. 4 EStG (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG a. F.)“.
  • Verluste aus dem Verkauf von Aktien dürfen nicht mit allen positiven Kapitalerträgen, z. B. mit Zins- und Dividendeneinkünften, und schon gar nicht mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden, sondern nur mit Gewinnen aus dem Verkauf von Aktien, und zwar im selben Jahr und darüber hinaus in den folgenden Jahren (§ 20 Abs. 6 S. 4 EStG). Dies gilt für Aktien, die seit dem 1.1.09 gekauft wurden (§ 52 Abs. 28 S. 11 EStG).
  • Zwar hat der BFH Zweifel bekommen, ob es verfassungsgemäß ist, dass Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Zur Klärung hat der BFH die Frage daher dem BVerfG vorgelegt (BFH 17.11.20, VIII R 11/18; BVerfG 2 BvL 3/21). Doch bis zu einer Entscheidung in Karlsruhe können noch einige Jahre vergehen.

4. Mit welchen Erträgen können Verluste aus der Depotausbuchung überhaupt verrechnet werden?

Wie oben erwähnt, konnte ein Verlust aus der Ausbuchung wertloser Aktien zwar nur beschränkt bis 20.000 EUR, dafür aber auch mit anderen Kapitalerträgen – und nicht nur mit Aktiengewinnen – verrechnet werden. Nun ist die betragsmäßige Beschränkung auf 20.000 EUR entfallen, doch dafür lebt die Vorschrift wieder auf, dass entsprechende Verluste nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden können.

Praxistipp | Für den Verlustvortrag hat das BMF aber folgende Vereinfachungsregelung erlassen: Sind Verluste aus dem wertlosen Verfall von Aktien noch als Verluste nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG a. F. erfasst worden, sind diese aus Vereinfachungsgründen in den Verlusttopf für sonstige Verluste nach § 20 Abs. 6 S. 1 bis 3 EStG zu übernehmen. Dies gilt für den Kapitalertragsteuerabzug und für im Rahmen der Veranlagung festgestellte Verluste. Letztlich können „Altverluste“ also auch mit Gewinnen aus anderen Anlagen und nicht nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden (siehe BMF 14.5.25, IV C 1 – S 2252/00075/016/070, Rz. 118).

5. Was gilt beim Verkauf von wertlosen Aktien?

Der Verkauf von wertlosen Aktien wurde bisher wie die Depotausbuchung behandelt. Das heißt, ein Verlust konnte zwar mit anderen Kapitalerträgen (nicht nur mit Aktiengewinnen) verrechnet werden, aber nur beschränkt bis 20.000 EUR. Nun ist die betragsmäßige Beschränkung auf 20.000 EUR entfallen, doch dafür lebt auch die Vorschrift wieder auf, dass entsprechende Verluste nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden können (BMF 15.4.02, IV C 1 – S 2252/00075/016/070, Rz. 59).

Wann spricht man von wertlosen Aktien? Hier kann wohl auf die Formulierung des BMF-Schreibens vom 3.6.21 (BStBl I 21, 723) zurückgegriffen werden: „Von einer Veräußerung eines wertlosen Wirtschaftsgutes ist regelmäßig auszugehen, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Wird die Höhe der in Rechnung gestellten Transaktionskosten nach Vereinbarung mit dem depotführenden Institut dergestalt begrenzt, dass sich die Transaktionskosten aus dem Veräußerungserlös unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrages errechnen, ist gleichfalls regelmäßig von der Veräußerung eines wertlosen Wirtschaftsgutes auszugehen.“

Beachten Sie | In der Praxis betrifft das aktuell beispielsweise diejenigen, die ihre Varta-Aktien kurz vor der Depotausbuchung noch verkauft haben.

6. Besser mit dem Finanzamt als mit der Bank streiten

Einige Anleger verwenden viel Zeit und mitunter auch viel Geld für einen Rechtsstreit mit der depotführenden Bank, weil sie davon ausgehen oder ausgegangen sind, dass das Institut einen Fehler bei der Verlustverrechnung oder beim Kapitalertragsteuerabzug begangen hat. Zuweilen ist das auch durchaus richtig (siehe z. B. OLG Hamm 23.10.18, 34 U 10/18). Doch in aller Regel ist diese Mühe vergebens. Üblicherweise ist es sinnvoller, sich mit dem Finanzamt als mit der Bank zu streiten.

Beachten Sie | Die Banken sind nach § 44 Abs. 1 S. 3 EStG verpflichtet, die Auffassung der Finanzverwaltung beim Kapitalertragsteuerabzug und der Bildung von „Verlusttöpfen“ anzuwenden – und zwar auf Gedeih und Verderb. Sie dürfen von den Anweisungen des BMF nicht abweichen – selbst wenn diese noch so absurd und vom BFH mehrfach bemängelt worden sind.

Praxistipp | Auch wenn es in diesem Beitrag vornehmlich um Aktienverluste geht, tatsächlich galten bestimmte Einschränkungen auch bei Verlusten aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen und Glattstellungsgeschäften. Entsprechende Verluste konnten nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Einkünften aus Stillhalterprämien ausgeglichen werden, soweit die Verluste nach dem 31.12.20 entstanden sind. Die Verlustverrechnung war beschränkt auf 20.000 EUR. Auch diese Beschränkung ist nun mit dem Jahressteuergesetz 2024 entfallen. Die obigen Ausführungen zur Prüfung der Verlustbescheinigungen der Banken und zur „Übernahme“ von Verlusten in die Steuererklärung gelten daher sinngemäß.

AUSGABE: GStB 6/2025, S. 224 · ID: 50420257

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