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FirmenwagenBFH zum Anscheinsbeweis: Versteuerung des Privatanteils auch für einen Pick-up
| Für einen Pick-up im Betriebsvermögen ist ein Privatanteil nach der 1 %-Regelung zu versteuern, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird. Das gilt laut BFH selbst dann, wenn sich im Privatvermögen ein oder sogar mehrere Kleinwagen befinden, die auch vom Ehegatten und den Kindern genutzt werden können, denn ein Pick-up und ein Kleinwagen seien in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar. Ein Pick-up sei auch durchaus für Privatfahrten geeignet (BFH 16.1.25, III R 34/22, Abruf-Nr. 247291). |
Zum Hintergrund
Für einen Firmenwagen, der sich im Betriebsvermögen befindet, ist die 1 %-Regelung zur Versteuerung der – tatsächlichen oder angeblichen – Privatnutzung anzuwenden, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird. Es gilt der Beweis des ersten Anscheins, der fast immer für eine Privatnutzung eines Fahrzeugs spricht. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt (BFH 13.12.11, VIII B 82/11).
Selbst wenn sich ein weiteres Kfz im Privatvermögen befindet, verzichtet der Fiskus nur selten auf die Versteuerung des Privatanteils. Nach gegenwärtiger Rechtsprechung kommt jedoch eine Erschütterung des Anscheinsbeweises durchaus in Betracht, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht. Voraussetzung ist jedoch, dass dieses Privatfahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist.
So hatte das FG Niedersachsen seinerzeit entschieden, dass eine Privatnutzung für einen VW Touareg auch dann anzunehmen ist, wenn sich im Privatvermögen ein Opel Corsa befindet. Denn die Fahrzeuge seien in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar. Wenn sich im Privatvermögen hingegen ein Volvo XC 90 befindet, könne der Anscheinsbeweis der Privatnutzung des VW Touareg erschüttert werden. Allerdings sei weitere Voraussetzung, dass der Volvo dem Betriebsinhaber jederzeit und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Werde der Volvo hingegen auch vom Ehepartner genutzt, so sei diese Voraussetzung nicht erfüllt (20.3.19, 9 K 125/18).
In der Praxis zweifeln die Finanzämter die Vergleichbarkeit der Fahrzeuge aber oftmals an. Oder sie wenden ein, dass das Fahrzeug im Privatvermögen auch durch den Ehegatten oder die volljährigen Kinder genutzt werden konnte. Und dann soll wiederum doch nur ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch den Anscheinsbeweis der Privatnutzung entkräften können. Dazu später mehr.
Sachverhalt
Zum Haushalt der Eheleute gehörten zwei volljährige Kinder. Im Privatvermögen hielten sie insgesamt drei Kleinwagen, die in erster Linie von den Kindern genutzt wurden. Der Ehemann unterhielt einen Gartenbaubetrieb.
Im Betriebsvermögen hielt der Ehemann einen BMW X3 und einen Ford Ranger, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Für den BMW versteuerte er die Privatnutzung nach der 1 %-Regelung, während er für den Ford Ranger keinen Privatnutzungsanteil ansetzte. Das FA wandte demgegenüber auch für den Ford Ranger die 1 %-Regelung an, da die privaten Fahrzeuge (Kleinwagen) in Status und Gebrauchswert nicht mit diesem Pkw vergleichbar seien und nicht allen Familienmitgliedern jederzeit ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden habe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte zwar Erfolg, doch der BFH hat der Revision des FA stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Begründung: Kfz, die ihrer Art nach typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet sind und die für Privatfahrten zur Verfügung stehen, werden regelmäßig auch privat genutzt. Der Anscheinsbeweis kann (nur) per Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Dabei obliegt es demjenigen, der sich auf einen Ausnahmefall beruft, Umstände darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, die den Beweis des ersten Anscheins einer Privatnutzung des betrieblichen Kfz entkräften oder erschüttern. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, mit dem betrieblichen Kfz sei niemand privat gefahren, genügt nicht, um den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Gelingt es dem Steuerpflichtigen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, muss das FA eine private Nutzung des betrieblich genutzten Kfz nachweisen. Kann es das nicht, ist die 1 %-Regelung nicht anwendbar. Gelingt es dem Steuerpflichtigen nicht, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, ist die 1 %-Regelung anzuwenden.
Merke | Sogenannte Kombinationsfahrzeuge, die wahlweise zur Güter- oder zur Personenbeförderung eingesetzt werden können, sind unabhängig von ihrer kraftfahrzeugsteuer- und straßenverkehrsrechtlichen Klassifizierung typischerweise auch zum privaten Gebrauch geeignet und werden erfahrungsgemäß auch privat genutzt. |
Der Pick-up des Klägers, ein Kfz mit fünf Sitzen, war ein solches Kombinationsfahrzeug, das zum privaten Gebrauch geeignet war. Er hatte in etwa die Größe eines Kleinbusses, wie ihn viele Familien nutzen. Eine derartige Größe ist kein Umstand, der für sich genommen den Anscheinsbeweis bzw. Erfahrungssatz widerlegt, dass das Fahrzeug auch privat genutzt wurde. Die Werbefolien des Betriebs auf der Karosserie des Pick-up scheiden als Grund für die Erschütterung des Anscheinsbeweises der Privatnutzung des Kfz aus.
Der Kläger gab an, während der Arbeits- und Betriebszeiten nicht privat mit dem Pick-up fahren und mit dem Pick-up auch nicht zwischendurch Besorgungen machen zu können. Auch dies genügt jedoch nicht, um den Erfahrungssatz einer auch privaten Nutzung in Zweifel zu ziehen.
Der Verweis auf das Vorhandensein des BMW und auf die den Kindern überlassenen Wagen ist gleichfalls nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, dass der Pick-up auch privat genutzt wurde. Denn die Fahrzeuge im Betriebs- und im Privatvermögen waren in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar. Der BMW war zwar mit dem Pick-up in Status und Gebrauchswert vergleichbar. Dieser war jedoch ein Betriebsfahrzeug, wurde entsprechend auch in erheblichem Umfang betrieblich genutzt und stand schon deshalb nicht zur uneingeschränkten Privatnutzung zur Verfügung.
Relevanz für die Praxis
Um den Anscheinsbeweis zu entkräften, hätte der Kläger ein Fahrtenbuch oder zumindest andere aussagekräftige Aufzeichnungen führen müssen. Erst kürzlich hat der BFH entschieden, dass nicht zwingend ein „ordnungsgemäßes“ Fahrtenbuch vorliegen muss, wenn sich der Gegenbeweis aus anderen bzw. weiteren Umständen ergibt (BFH 22.10.24, VIII R 12/21). Im Urteilsfall wurden zwar Fahrtenbücher geführt, doch die handschriftlich geführten Fahrtenbücher waren nicht lesbar. Und ein nachträglich erstelltes Transkript wollte das FA nicht gelten lassen. Doch dieser Sichtweise ist der BFH entgegengetreten.
Auch andere handschriftliche Aufzeichnungen über die Nutzung der Fahrzeuge können den Anscheinsbeweis für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge entkräften. FA und FG hätten deshalb dem Vortrag des Klägers, dass sich das Fahrtenbuch und das Transkript inhaltlich decken und sich aus den Eintragungen ergebe, dass es keine Privatfahrten gegeben habe, nachgehen müssen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei den Transkripten um die maschinenschriftliche Nachschrift der Fahrtenbücher handelt, die teilweise nicht lesbar seien. Aber ganz ohne Aufzeichnungen geht es auch nicht, wie das jetzige BFH-Urteil zeigt. Zumindest dann nicht, wenn die Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar sind.
Beachten Sie | Die beiden nun vorliegenden BFH-Urteile zum Thema „Privatnutzung und Entkräftung des Anscheinsbeweises“ sind auch verfahrensrechtlich von Interesse, denn der BFH hat jeweils die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen angezweifelt, obwohl dies eigentlich nicht seine Aufgabe ist. Der BFH „umschifft“ seine Bindung nach § 118 Abs. 2 FGO jeweils elegant, indem er auf Denkfehler bzw. einen Verstoß gegen Denkgesetze seitens der Vorinstanzen verweist, und zwar einmal zugunsten und einmal zuungunsten der Steuerpflichtigen.
AUSGABE: GStB 6/2025, S. 203 · ID: 50374148