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Wissenszurechnung unter EhegattenEhefrau fälscht Unterschrift des Ehemanns beim Darlehensvertrag

Abo-Inhalt01.01.2024677 Min. LesedauerVon RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

| Der BGH hat darüber entschieden, ob eine Bank nach § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB den Ehemann aus Bereicherungsrecht in Anspruch nehmen kann, wenn eine Ehefrau bei einem Darlehensvertrag die Unterschrift ihres Mannes gefälscht hat. |

Sachverhalt

Die klagende Bank B verlangt von dem Beklagten M, einen auf sein Konto überwiesenen Geldbetrag zurückzuzahlen. Der M und seine damalige Ehefrau F führten bei der Bank P ein gemeinsames Konto. Darauf überwies die B einen Betrag. Aus ihrer Sicht zahlte sie eine Darlehensvaluta aus einem zwischen ihr und dem M geschlossenen Darlehensvertrag. Tatsächlich war der M nicht an dem vermeintlichen Vertragsschluss beteiligt, vielmehr handelte die F unter seinem Namen. Die Kreditvertragsunterlagen wurden dem M im Wege des Postident-Videoverfahrens übersandt. Daraufhin erhielt die B die Antragsunterlagen nebst Kopien von Lohnabrechnungen, des Personalausweises des M, der Bankkarte und von Kontoauszügen. Bei dem Video-Identverfahren trat der Stiefvater der F auf und legte den Personalausweis des M vor. F fälschte die Unterschrift des Kreditnehmers auf dem Kreditvertrag. Nachdem die B später den vermeintlichen Darlehensvertrag wegen Zahlungsrückstands gekündigt hatte, erfolgten Teilzahlungen. Mit ihrer Klage begehrt die B, den M zu verurteilen, den Restbetrag nebst Zinsen zu zahlen. Das AG hat der Klage stattgegeben. Gegen die erfolgreiche Berufung des M hat die B ebenfalls erfolgreich Revision eingelegt (BGH 26.9.23, XI ZR 98/22, Abruf-Nr. 237869).

Entscheidungsgründe

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Überweisung der „Darlehensvaluta“ um eine sonstige unbestellte Leistung i. S. v. § 241a Abs. 1 BGB handelt oder ob die Erfüllung eines Scheinvertrags – wie hier – nicht unter § 241a Abs. 1 BGB fällt. Denn selbst wenn § 241a Abs. 1 BGB eingreifen würde, wären gesetzliche Ansprüche der B nach § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. In einem solchen Fall soll es nach dem Willen des Gesetzgebers bei den allgemeinen Regeln verbleiben, weil diese zu einer angemessenen Rückabwicklung führen (BT-Drucksache 14/2658, 46).

Wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers käme eine einschränkende unionsrechtskonforme Auslegung von § 241 Abs. 2 Fall 2 BGB nicht in Betracht, selbst wenn die Vorschrift gegen Unionsrecht verstieße.

Dem M ist entsprechend § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis der F davon zuzurechnen, dass die B irrig angenommen hat, mit dem M einen Darlehensvertrag geschlossen zu haben. Die Rechtsprechung hat § 166 Abs. 1 BGB folgenden allgemeinen Rechtsgedanken entnommen: Unabhängig von einem Vertretungsverhältnis muss sich derjenige, der einen anderen damit betraut, dass dieser bestimmte Angelegenheiten in eigener Verantwortung erledigt, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen (BGH 25.3.82, VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293, 296; 23.1.14, III ZR 436/12, WM 14, 900 Rn. 11, 16 f.).

Bis zur Trennung hat sich allein die F um die finanziellen Angelegenheiten der Familie gekümmert und insbesondere darum, das gemeinsame Konto zu verwalten. Sie hatte deshalb bei Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter. Der M ließ sich insoweit bewusst von der F in ähnlicher Weise repräsentieren wie durch einen rechtsgeschäftlichen Stellvertreter. Allein weil der M sich um das Konto nicht kümmerte, konnte die F bei der B den Irrtum hervorrufen, mit dem M einen Darlehensvertrag geschlossen zu haben, und die B ohne dessen Wissen dazu veranlassen, die vermeintliche Darlehensvaluta auf das gemeinsame Konto zu überweisen.

Diese Interessenlage entspricht daher so sehr der Interessenlage eines rechtsgeschäftlichen Vertretungsverhältnisses, dass es sachgerecht ist, das Wissen, das die F erworben hat, als sie den ihr übertragenen Wirkungskreis ausübte, in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB dem M zuzurechnen (BGH 25.3.82, VII ZR 60/81, a. a. O.). Unerheblich ist, ob die F mit der Aufnahme des Darlehens unter seinem Namen ihre Befugnisse im Innenverhältnis vorsätzlich überschritten hat. Das schließt eine Wissenszurechnung im Verhältnis zum M nicht aus, weil die Darlehensaufnahme unter dem Namen des M noch in innerem Zusammenhang mit dem ihr überlassenen Wirkungskreis stand.

Der B steht der geltend gemachte Bereicherungsanspruch, der nicht durch § 241a BGB ausgeschlossen ist, zu und der M kann diesem Anspruch keinen Schadenersatzanspruch wegen eines unsorgfältigen Video-Identifizierungsverfahrens entgegenhalten.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch der B aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB i. H. d. Restbetrags liegen vor. Der M ist durch die Überweisung auf das gemeinsame Konto durch Leistung der B rechtsgrundlos bereichert worden (BGH 25.3.82, VII ZR 60/81, a. a. O.), weil durch das Handeln der F unter dessen Namen zwischen den Parteien kein Darlehensvertrag zustande gekommen ist. Denn das Handeln der F unter seinem Namen ist ihm nicht zuzurechnen, weil nicht festgestellt ist und von der Revision auch nicht geltend gemacht wird, dass die F bei Abschluss des Darlehensvertrags und Unterzeichnung der Auszahlungsanweisung unter dem Namen des M in Ausübung einer Vertretungsmacht (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog) gehandelt hätte, der M den Vertragsschluss genehmigt hätte (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder die Voraussetzungen für das Eingreifen die Grundsätze über die Anscheins- oder die Duldungsvollmacht vorlägen (BGH 3.3.66, II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f., 11.5.11, VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 11 f.). Insbesondere ist nicht festgestellt und wird von der Revision auch nicht geltend gemacht, dass die nach der Kündigung durch die B erfolgten Teilzahlungen von dem M veranlasst worden wären.

Der M kann sich gem. § 819 Abs. 1 BGB nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, auch wenn die F den überwiesenen Betrag abgehoben hatte, bevor der M von dem Zahlungseingang erfuhr. Der F war bekannt, dass der überwiesene Betrag von der B als Darlehen gewährt worden war und deshalb nicht dauerhaft behalten werden durfte, sondern zurückgezahlt werden musste. Diese Kenntnis, die für § 819 Abs. 1 BGB ausreicht (BGH 25.3.82, VII ZR 60/81, a. a. O.; 12.9.06, XI ZR 296/05, ZIP 06, 2119 Rn. 16), muss sich der M – ebenso wie im Rahmen von § 241a BGB – entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, weil er der F die finanziellen Angelegenheiten der Familie und insbesondere die Verwaltung des gemeinsamen Kontos vollständig überlassen und sich nicht um die Kontobewegungen gekümmert hatte (BGH 25.3.82, a. a. O.). Außerdem muss der M auch nachdem § 279 BGB a. F. aufgehoben wurde, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen (BGH 4.2.15, VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 18; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl., § 818 Rn. 53 und Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 275 Rn. 3, § 276 Rn. 28).

Der M kann dem Bereicherungsanspruch der B keinen Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen mangelhafter Sorgfalt bei der Identifizierung des (vermeintlichen) Darlehensnehmers im Rahmen des Video-Identifizierungsverfahrens sowie des Vergleichs der Unterschriften auf dem gezeigten Personalausweis und den Vertragsunterlagen entgegenhalten. Soweit der M aufgrund der Auszahlung der Valuta auf das gemeinsame Konto einem Bereicherungsanspruch der B ausgesetzt ist, ergibt sich aus §§ 814, 815 BGB, dass einem solchen Anspruch nur eine positive Kenntnis des Bereicherungsgläubigers entgegengehalten werden kann, während fahrlässige und auch grob fahrlässige Unkenntnis unerheblich sind. Diese Wertung kann nicht durch einen Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen unsorgfältiger Prüfung der Identität des Empfängers vor der Leistungserbringung überspielt werden.

Relevanz für die Praxis

§ 241a BGB ist im Kern eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift. Ziel ist, den Verbraucher vor anstößigen und belästigenden Vertriebsformen zu schützen (Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 241a Rn. 1). Die Vorschrift dient der Umsetzung mehrerer europäischer Richtlinien. Der BGH lässt es dahinstehen, ob der nationale Gesetzgeber mit § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB zulasten des Verbrauchers hinter den Anforderungen der Richtlinien zurückgeblieben ist. Denn eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung von § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB komme nicht in Betracht, da der Gesetzgeber wiederholt deutlich gemacht habe, dass er an der Ausnahmeregelung des § 241a Abs. 2 BGB festhält.

Familienrechtlich ist die Entscheidung interessant, weil es oft die Konstellation gibt, dass sich nur ein Ehegatte um die Bankangelegenheiten kümmert. Der BGH hat ein Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragspartner und dem Ehegatten abgelehnt, wenn der andere Ehegatte dessen Unterschrift gefälscht hat. Der Ehegatte muss aber – zumindest was Bankgeschäfte betrifft – § 241a Abs. 2 BGB gegen sich gelten lassen. Folge: Die Bank kann sich auf gesetzliche Ansprüche, wie dem Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Denn insoweit muss der Ehegatte sich das Wissen des die Unterschrift fälschenden Ehegatten entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

AUSGABE: FK 1/2024, S. 5 · ID: 49756156

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