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MandatstaktikVA trotz kurzer Ehezeit?

Abo-Inhalt01.03.2022468 Min. LesedauerVon VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

| Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein VA nur auf Antrag statt, § 3 Abs. 3 VersAusglG. Die Anwälte müssen in diesem Fall prüfen, ob es im Interesse des vertretenen Ehegatten ist, den Antrag zu stellen. |

Beispiel

Im Scheidungsverfahren zwischen M und F ergibt sich eine Ehezeit i. S. v. § 3 Abs. 1 VersAusglG von 36 Monaten. M hat in der Ehezeit eine Anwartschaft auf Beamtenversorgung erworben. Er war bei Ehezeitende Bundesbeamter der Besoldungsgruppe B 4 mit einem Gehalt von (brutto) 9.271,77 EUR und wird bis zur Altersgrenze eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von (zumindest) 40 Jahren erreichen. F war in der Ehezeit nicht erwerbstätig und hat keine Versorgungsanwartschaften erworben. Fraglich ist, ob F die Durchführung des VA nach § 3 Abs. 3 VersAusglG beantragen soll.

Der Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG will gut überlegt sein:

  • Einerseits ist zu bedenken, dass das Scheidungsverfahren beschleunigt werden kann, wenn der VA nicht im Scheidungsverbund durchgeführt werden muss.
  • Andererseits muss berücksichtigt werden, dass ohne Antrag jedem Ehegatten der Anspruch auf Beteiligung an den vom anderen Ehegatten in der Ehe erworbenen Anrechten verloren geht, allerdings jeder Ehegatte auch keine eigenen Anrechte an den anderen Ehegatten abgeben muss.

Welcher Ehegatte – und ggf. in welchem Maß – im Saldo durch den VA begünstigt würde, lässt sich ohne die Auskünfte der Versorgungsträger häufig kaum abschätzen. Es kann aber auch nicht dazu geraten werden, i. d. R. den Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG zu stellen, um so die Versorgungsanrechte klären zu lassen. Denn wenn sich dann herausstellt, dass der andere Ehegatte in der Ehezeit wesentlich geringere Anrechte erworben hat, wirkt sich der Antrag letztlich zum Nachteil des Antragstellers aus. Das Gericht muss den VA aufgrund des Verfahrensantrags auch durchführen, wenn der Antragsteller höhere Anrechte ausgleichen muss. Zwar kann dieser seinen Antrag zurücknehmen, womit die Voraussetzung entfiele, den VA durchzuführen. Es besteht aber das Risiko, dass der andere Ehegatte seinerseits den Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG stellt, um sich die für ihn nach dem Einholen der Auskünfte ersichtlich gewordenen Vorteile des VA zu sichern.

Grundsätzlich kann zwar davon ausgegangen werden, dass bei einer Ehezeit von nicht mehr als drei Jahren keine wesentliche Differenz zwischen den beiderseits erworbenen Versorgungsanrechten besteht. Dies gilt vor allem, wenn beide Eheleute in der Ehezeit erwerbstätig waren und vergleichbar hohe Einkünfte erzielt haben. Dann „schadet“ allerdings ein Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG i. d. R. auch nicht, weil geringfügige Anrechte aufgrund der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG vom VA ausgenommen werden können.

Gelegentlich hat der eine Ehegatte aber in der Ehezeit überhaupt keine oder erkennbar wesentlich geringere Versorgungsanrechte erworben als der andere. In diesem Fall muss sein Anwalt den Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG empfehlen. In der gesetzlichen Rentenversicherung können z. B. Personen, deren Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, innerhalb von drei Jahren sechs Entgeltpunkte erwerben, die im Jahr 2022 in der allgemeinen Rentenversicherung (West) einem Kapitalwert von rund 43.414 EUR entsprechen. Es liegt auf der Hand, dass der hälftige Ausgleichswert eines solchen Anrechts von mehr als 21.700 EIR nicht als geringfügig angesehen werden kann. In anderen Versorgungssystemen können innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Jahren sogar noch wesentlich höhere Anrechte erworben werden. In solchen Fällen sollte der ausgleichsberechtigte Ehegatte einen Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG stellen, um nicht möglicherweise erhebliche Ausgleichswerte zu verlieren.

Lösung

Da die Ehezeit nicht länger als 36 Monate gedauert hat, kann F einen VA nur mit Antragstellung nach § 3 Abs. 3 VersAusglG erreichen. M hat in der Ehezeit folgende – überschlägig berechnete – monatliche Versorgungsanwartschaft erworben: 9.271,77 EUR (ruhegehaltfähige Dienstbezüge) × 71,75 % (Ruhegehaltssatz) = 6.652,50 EUR (Ruhegehalt) × 3 (Jahre ruhegehaltfähige Dienstzeit in der Ehezeit) ÷ 40 (Jahre gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit) = 498,94 EUR. Der Ausgleichswert des Anrechts beträgt monatlich rund 250 EUR.

F hat in der Ehezeit keine Anrechte erworben, die im Fall des VA zu kürzen wären. Sie sollte daher unbedingt den Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG stellen, um sich den recht erheblichen Ausgleichswert des von M erworbenen Anrechts zu sichern.

Merke | Der Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG ist nicht fristgebunden. Zwar bestimmt § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG, dass Folgesachen bis spätestens zwei Wochen vor der (letzten) mündlichen Verhandlung in den Scheidungsverbund eingeführt werden müssen. Der VA steht jedoch auch in Fällen kurzer Ehezeit von Anfang an im Verbund, da sich die Dauer der Ehezeit erst mit der Zustellung des Scheidungsantrags konkretisiert. Der Verbund bleibt auch bis zur Endentscheidung bestehen. Denn wenn kein Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG gestellt worden ist, muss das Gericht die Entscheidung treffen, dass ein VA nicht stattfindet, § 224 Abs. 3 FamFG. Daher kann der Antrag auf Durchführung des VA in erster Instanz zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Das Gericht kann den VA allerdings in diesem Fall gem. § 140 Abs. 2 Nr. 4 oder 5 FamFG aus dem Verbund abtrennen. Der Antrag kann auch noch im Beschwerdeverfahren gestellt werden. Die Beschwerde kann sogar (ausschließlich) darauf gestützt werden, dass nun ein Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG gestellt wird (OLG Brandenburg FamRZ 13, 317).

AUSGABE: FK 4/2022, S. 71 · ID: 47697268

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