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AuskunftsanspruchTrotz Adoption: Leibliche Mutter schuldet Auskunft über Erzeuger
Abruf-Nr. 227024
| Eine leibliche Mutter muss auch nach einer Adoption ihrem Kind Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters erteilen (BGH 19.1.22, XII ZB 183/21, Abruf-Nr. 227024). |
Bei der Geburt der 1984 geborenen Antragstellerin (T) war die Antragsgegnerin (M) 16 Jahre alt. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren blieb ebenso erfolglos wie ein außergerichtlicher Vaterschaftstest mit einem weiteren Mann. Die T wurde adoptiert. Später hat die T die M erfolglos aufgefordert, Namen und Anschrift des leiblichen Vaters zu benennen. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, weil der M die Auskunftserteilung unmöglich sei. Auf die Beschwerde der T hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die M antragsgemäß verpflichtet, der T alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu benennen, die der M in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt haben. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der M blieb erfolglos.
Anspruchsgrundlage für die Auskunft ist § 1618a BGB. Danach sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Eltern und Kindern können aus der Norm wechselseitig Rechtsansprüche erwachsen, auch wenn sie bei einem Verstoß keine konkreten Sanktionen vorsieht. Bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen ist der Staat aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verpflichtet, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen davor Rechnung zu tragen, dass ihm verfügbare Informationen über die eigene Abstammung vorenthalten werden. Dies ist bei der Auslegung des § 1618a BGB zu beachten, zumal der Gesetzgeber keinen Auskunftsanspruch normiert hat. Anders als beim Anspruch des sog. Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters, für den das BVerfG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gefordert hat, geht es hier nicht allein um finanzielle Interessen. Vielmehr wird mit dem Auskunftsanspruch eine Rechtsposition von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, gestärkt.
Auskunftsschuld-verhältnis ist vor der Adoption entstanden Merke | Aufgrund der Adoption ist die M nicht mehr die rechtliche Mutter der T, da das rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB erloschen ist. Das steht dem Anspruch aber nicht entgegen. Denn das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter ist vor der Adoption entstanden. Sonst würde die Adoption hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber Kindern führen, deren rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zu ihrer leiblichen Mutter fortbesteht.  | 
Die M hat sich nicht auf konkrete Belange berufen, die mit Blick auf ihr ebenfalls verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Achtung ihrer Privat- und Intimsphäre dazu führen könnten, den Auskunftsanspruch zu verneinen. Allein mit der Aussage, sie könne sich an keinen möglichen Erzeuger erinnern, hat sie den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Sie hat auch nicht dargelegt, dass sie diesen auch nach Einholen der ihr zumutbaren Erkundigungen nicht erfüllen kann. Das OLG hat mögliche Kontaktpersonen aufgelistet, an die sich die M wenden kann, um Hinweise zu potenziellen leiblichen Vätern der T zu erhalten.(GM)
AUSGABE: FK 4/2022, S. 56 · ID: 47948945