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Übertragung der EntscheidungsbefugnisBeim Impfstreit – STIKO-Empfehlung ist das Zünglein an der Waage

Abo-Inhalt01.03.20222918 Min. Lesedauer

| Können sich Eltern nicht darüber einigen, ob ihre Kinder mit einem mRNA-Impfstoff gegen Corona geimpft werden sollen, ist die Entscheidung auf denjenigen zu übertragen, der die Impfung befürwortet, wenn es eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt (AG Bad Iburg 14.1.22, 5 F 458/21 EASO, Abruf-Nr. 227400). |

Die geschiedenen Eltern M und V stritten darüber, ob ihre 14 und 12 Jahre alten Kinder gegen Corona geimpft werden sollten. Die M lehnte es generell ab, die Kinder impfen zu lassen.

Das AG hat die Entscheidung über die Zustimmung zur Schutzimpfung gegen das Coronavirus gem. § 1628 S. 1 BGB auf den V übertragen mit der Maßgabe, dass die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty (BioNTech/Pfizer) erfolgen muss. Nach der BGH-Rechtsprechung kann demjenigen die Entscheidungsbefugnis über die Schutzimpfung übertragen werden, der diese gem. den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) befürwortet, soweit es beim Kind keine besonderen Impfungsrisiken gibt. Diese Empfehlung liegt für die beiden Kinder vor. Die STIKO empfiehlt eine Coronaimpfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 – 17 Jahren unabhängig davon, ob sie aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung haben.

Merke | Nach § 1697a BGB ist auch der Kindeswille zu beachten. Dies gilt aber nur, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechts bilden kann. Ist es aufgrund des massiven, auf Angst und Einschüchterung abzielenden Verhaltens eines Elternteils dazu nicht imstande, steht dessen Wille einer Entscheidung, die Befugnis für die Entscheidung über die Impfung auf den die Impfung befürwortenden Elternteil zu übertragen, nicht entgegen.

Nach Ansicht des OLG Dresden gilt daher: Einem Elternteil, der eine Covid-19-Schutzimpfung befürwortet, kann die Alleinentscheidungsbefugnis diesbezüglich nicht im Wege eines Eilverfahrens übertragen werden, wenn die erforderliche und von diesem gewollte Aufklärung des über 14 Jahre alten Kindes weder stattgefunden hat noch betrieben wird und das Kind (auch) deswegen die Impfung ablehnt (OLG Dresden 28.1.22, 20 UF 875/21). Die 14-jährige Tochter T lebte bei der Mutter M, die deren Impfung ablehnte. Der Vater V beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das AG gab ihm Recht. Die T legte erfolgreich Beschwerde ein: Sie wolle sich zunächst von der Kinderärztin beraten lassen. Das OLG ließ zwar durchblicken, eher dem V die Entscheidungsbefugnis übertragen zu wollen. Bei einem 14-jährigen Mädchen müsse aber entweder ihre Einwilligung in die Behandlung vorliegen oder festgestellt werden, dass die Einsichtsfähigkeit fehle. Beides sei hier nicht gegeben, da die legitimen Informationsinteressen der Jugendlichen bislang nicht berücksichtigt worden seien. Im Rahmen des Kindeswohls müsse auch das Persönlichkeitsrecht der T geschützt werden. (GM)

Weiterführender Hinweis
  • FK 21, 183 dazu, dass ein OLG dem impfwilligen Elternteil Vorfahrt gibt

AUSGABE: FK 4/2022, S. 55 · ID: 47984128

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