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NachfolgeplanungDie Auslandsimmobilie in der Erbschaft- und Schenkungsteuer – Teil 1
| Auslandsimmobilien werden aus verschiedenen Gründen gehalten und sind immer wieder Gegenstand von Überlegungen zur Nachfolgeplanung. Häufig handelt es sich um Feriendomizile der Steuerpflichtigen. Vielfach sind es allerdings auch Anlageobjekte, die entweder gekauft oder selbst unentgeltlich erworben wurden. Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung werden nachfolgend die wichtigsten Praxisprobleme aufgezeigt, die bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behandlung solcher Auslandsimmobilien regelmäßig für Diskussionsstoff sorgen. Wichtig bleibt, immer auch die steuerlichen Auswirkungen im jeweiligen Belegenheitsstaat sorgfältig zu prüfen. |
1. Steuerbefreiung bei Vermietungsimmobilien
Gehört zum übertragenen Vermögen eine Auslandsimmobilie, kommt es neben der Ermittlung der Steuerwerte auf mögliche Steuerbefreiungen an. Bebaute Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet sind und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder dem begünstigten Vermögen eines L + F-Betriebs i. S. d. § 13a, b ErbStG gehören, sind nur mit 90 % ihres Wertes anzusetzen.
1.1 Immobilien in Drittstaaten
Mit der Entscheidung vom 12.10.23 in der Rechtssache C-670/21 (IStR 24, 29) hatte der EuGH entschieden, dass die bisher gesetzlich vorgesehene Beschränkung des Wertabschlages auf inländische sowie in der EU oder im EWR belegene Immobilien einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt (Art. 63 bis 65 AEUV). Der EuGH stufte die bisherige Regelung in § 13d ErbStG damit als EU-rechtswidrig ein.
Mit dem JStG 2024 wurde § 13d Abs. 3 ErbStG entsprechend angepasst. Mit dieser Änderung wurde die Beschränkung des Wertabschlags auf Immobilien in Deutschland, der EU oder dem EWR aufgehoben. Für die Übertragung von Immobilien in Drittstaaten kann die Befreiung nach dem geänderten Gesetzeswortlaut allerdings nur in Anspruch genommen werden, wenn der Informationsaustausch entsprechend dem „OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch“ gewahrt ist. Die entsprechende Liste ist im BStBl I abgedruckt und wird laufend aktualisiert. Zwar hatte der EuGH den Vorbehalt des Informationsaustausches in seiner Entscheidung vom 12.10.23 nicht aufgeführt. Er erscheint aber gerechtfertigt, um das Einholen solcher Auskünfte abzusichern. Die Neuregelung des § 13d Abs. 3 ErbStG ist somit als europarechtskonform anzusehen.
1.2 Befreiung nach § 13d ErbStG auch für Ferienwohnungen im Ausland?
Zusätzlich zur Thematik der Einbeziehung von Drittstaatenimmobilien in die Begünstigung tritt noch das generelle Problem des Umgangs mit Ferienwohnungen vor dem Hintergrund der 10 %-Steuerbefreiung des § 13d ErbStG auf.
Beispiel |
A ist Eigentümer einer Wohnung in Österreich. A vermietet diese Wohnung wochenweise auf AirBnB für Urlaubszwecke. Wird für die Schenkung dieser Wohnung aus deutscher Sicht der Abschlag nach § 13d ErbStG gewährt? |
Zunächst sind entgeltlich überlassene Ferienwohnungen ebenfalls bebaute Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden. Der allgemein gehaltene Wortlaut der Norm erfasst daher auch Wohnungen, die zur kurzfristigen Vermietung an häufig wechselnde Nutzer vorgesehen sind.
Nach dem Zweck des § 13d ErbStG als Mittel zur Förderung der Wohnraumschaffung und Wohnraumüberlassung kann der Einbeziehung von Ferienwohnungen in die Begünstigung nach § 13d ErbStG mit Zweifeln begegnet werden (ablehnend z. B. Jochum in: Wilms/Jochum, ErbStG, § 13d ErbStG, Rn. 24). Jülicher (in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13d Rn. 12) zeigt sich problembewusst, ohne sich festzulegen, stellt aber klar, dass die Vermietung von Ferienwohnungen keine Wohnungsvermietung i. S. d. Zivilrechts sei.
Die überwiegende Literatur hingegen verweist auf den weiten Gesetzeswortlaut und sieht keine weiteren Einschränkungen im Falle von vermieteten Ferienwohnungen vor (Stalleiken in: von Oertzen/Loose/Stalleiken, ErbStG, § 13d, Rn. 14; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13d, Rn. 60). Anzuführen ist, dass Ferienwohnungen teilweise über mehrere Monate hinweg vermietet werden, etwa als Arbeiterunterkünfte in der Nebensaison. Eine „klassische“ Ferienwohnungsvermietung bestehe daher häufig nicht. Es müsste sich dann auch die weitere Abgrenzungsfrage stellen, wann Ferienwohnungen vom Begünstigungsbereich des § 13d ErbStG ausgenommen sein sollten. Auf diese Abgrenzungsfrage wird es aber nicht ankommen. Vor dem Hintergrund des weiten Wortlauts wird – ungeachtet der gewichtigen Argumente der Gegenansicht – von einer Einbeziehung der Ferienwohnungen in die Begünstigung nach § 13d ErbStG auszugehen sein.
1.3 Gemischte Nutzung von Ferienwohnungen im Ausland
Die Nutzung der Ferienwohnungen im Ausland ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass teilweise eine Fremdvermietung an Feriengäste erfolgt, daneben aber auch eine Selbstnutzung des Eigentümers. Diese Mischnutzung mag steuerrechtlich vor dem Hintergrund kritisch werden, dass eine reine Selbstnutzung einer Immobilie keine Begünstigung nach § 13d ErbStG ermöglicht (R E 13d Abs. 6 S. 2 ErbStR), die Vermietung hingegen schon.
Weder die Erbschaftsteuerrichtlinien noch die Rechtsprechung befassen sich bislang mit dieser Abgrenzungsfrage ausdrücklich. Ein Lösungsansatz könnte wie folgt aussehen:
- War die Immobilie am Stichtag tatsächlich vermietet, ist von einer Anwendung des § 13d ErbStG auszugehen. Eine Einschränkung könnte lediglich für Missbrauchsfälle über § 42 AO in Betracht kommen, etwa wenn eine stets privat genutzte Wohnung einmalig für eine Woche vermietet wird und in dieser Vermietungswoche die Zuwendung der Immobilie erfolgt.
- War die Immobilie am steuerlichen Stichtag hingegen nicht vermietet, kommt es m. E. darauf an, ob die Nutzung primär auf die Vermietung ausgerichtet ist oder auf die Selbstnutzung. Dabei dürfte bei bestehenden Vermietungen regelmäßig von einer Ausrichtung auf die Vermietung auszugehen sein. Argumentativ lässt sich diese Sichtweise am Gesetzeswortlaut festmachen („vermietet wird“), der keine aktuelle Vermietung verlangt, sondern nur diese Ausrichtung auf die Vermietung (vgl. R E 13d Abs. 6 S. 4 ErbStR). Des Weiteren lässt sich diese Position darauf stützen, dass auch im Übrigen die qualitative Nutzungsausrichtung entscheidend ist; dies gilt etwa bei Gebäuden, die teilweise gewerblich, teilweise zu Wohnzwecken verwendet werden (R E 13d Abs. 7 S 2 ErbStR).Primäre Nutzungsabsicht am steuerlichen Stichtag maßgebend
1.4 Überlegungen zur Übertragung von Ferienwohnungen im Ausland
Beispiel |
A ist Eigentümer einer Wohnung in Österreich. A nutzt die Wohnung bislang für eigene Urlaubszwecke. Aufgrund seines Alters und der in den letzten Jahren vorrangigen Selbstnutzung durch sein Kind überlegt A, die Wohnung seinem Kind zuzuwenden. Wird für die Schenkung aus deutscher Sicht der Abschlag nach § 13d ErbStG gewährt? |
Die steuerliche Beratung zur Nachfolge in Ferienimmobilien im Ausland knüpft häufig an eine bestehende reine Selbstnutzung an. Wie dargestellt, kann in dieser Situation kein Wertabschlag nach § 13d ErbStG beansprucht werden.
Modifikation des Beispiels |
A schließt mit seinem Kind K, dem später Beschenkten, mit einem Vorlauf von einem Jahr vor der Schenkung einen langfristigen Mietvertrag über diese Immobilie. |
Ziel dieser Überlegung ist es, mit dem Abschluss des Mietvertrags schon im Vorhinein die Voraussetzungen für eine zu Wohnzwecken vermietete Wohnung herzustellen, um sodann die Begünstigung nach § 13d ErbStG für die Übertragung der Wohnung in Anspruch nehmen zu können.
Nach den Grundsätzen der Steuerbefreiung des § 13d ErbStG ist jede Vermietung ausreichend, um den Anwendungsbereich von § 13d ErbStG zu eröffnen. Dies erfasst somit auch eine Vermietung an Angehörige, sogar in Unterhaltssituationen (Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13d, Rn. 12).
Überdies kennt § 13d ErbStG keine Behaltensfrist. Es besteht auch keine Verpflichtung zur Weitervermietung nach der Schenkung (R E 13d Abs. 2 S. 2 ErbStR; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13d, Rn. 14). Mietverhältnisse, die durch Konfusion erlöschen, sind ebenfalls geeignet, um die Begünstigungen nach § 13d ErbStG zu eröffnen (FG Hamburg 15.10.24, 3 K 159/22, ZEV 25, 268, 271).
Vermietung an Ehegatten des eigenen Kindes zur Absicherung erwägen |
Besondere Voraussetzungen an den zu vereinbarenden Mietzins bestehen nicht. Auch „Freundschaftsmieten“ können die Begünstigung des § 13d ErbStG eröffnen (R E 13d Abs. 6 S. 2 ErbStR; Kien-Hümbert in: Moench/Weinmann, ErbStG, § 13d Rn. 4). Kritisch dürfte es nur bei einer krassen Unterschreitung des üblichen Mietpreises werden (Loose in: Stenger/Loose, ErbStG, § 13d Rn. 17: „Vermietung für 1 EUR“).
Auf jeden Fall muss die Vermietung tatsächlich durchgeführt werden. Bei Scheingeschäften und tatsächlicher Nichtvermietung kann die Beanspruchung des Freibetrags steuerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Halaczinsky, ErbStB 15, 365).
Praxistipp | Sofern Berater zu entsprechenden Vermietungsgestaltungen raten, sollten die Konsequenzen am Lageort geprüft werden. Dies gilt für erbschaft- und schenkungsteuerliche Konsequenzen genauso wie für ertragsteuerliche Auswirkungen. Gerade in Feriengebieten sollte überdies geprüft werden, ob die angedachte Vermietungsform in Anbetracht der jeweiligen Wohnung und deren Lage überhaupt zulässig ist. |
2. Ausländische Immobilien im Betriebsvermögen
Auch Auslandsimmobilien, die sich im Betriebsvermögen befinden bzw. von Kapitalgesellschaften gehalten werden, können erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt übertragen werden. Entsprechendes gilt für Immobilien im Vermögen einer Mitunternehmerschaft. Solche Gestaltungen führen allerdings nicht flächendeckend zu Entlastungen, wie dies bei zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen nach § 13d ErbStG der Fall ist. Nur wenn die Voraussetzungen der jeweiligen Begünstigung im Einzelfall vorliegen, können solche Erwerbe aus deutscher Sicht vollständig steuerfrei sein.
Nicht selten werden ausländische (Ferien-)Immobilien über Kapitalgesellschaften gehalten. Insbesondere bei spanischen Immobilien wurde in der Vergangenheit oft zu Kapitalgesellschaftsstrukturen geraten, um sich die Vorzüge des spanischen Steuerrechts nutzbar zu machen. Soweit ersichtlich, sind diese spanischen Steuervorteile derzeit zwar nicht mehr erreichbar, dennoch können die fortbestehenden Strukturen Anlass geben für eine entsprechende deutsche erbschaft- und schenkungsteuerliche Gestaltungsüberlegung.
2.1 Das Begünstigungsregime nach § 13a, b ErbStG
Die Steuerbefreiung nach § 13a, b ErbStG ist aufgrund der Freistellung i. H. v. 85 % bzw. 100 % eine der umfassendsten Steuerbefreiungen im ErbStG. Im Idealfall lässt sich mit dieser Regelung für den Mandanten eine effektive Steuergestaltung erreichen. Die Systematik der Begünstigung ist bekanntermaßen diffizil und erstreckt sich über mehrere Prüfungsschritte. Vereinfacht betrachtet genügt es zunächst, dass
- einerseits eine begünstigungsfähige Einheit übertragen wird (§ 13b Abs. 1 ErbStG) und
- andererseits kein bzw. nur sehr geringes Verwaltungsvermögen vorliegt (§ 13b Abs. 4 ErbStG).
Begünstigungsfähige Einheiten sind demnach der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, das inländische Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) sowie Anteile an einer Kapitalgesellschaft, sofern die Mindestbeteiligungsschwelle von 25 % überschritten wird. Die Begünstigung erstreckt sich nicht nur auf inländische Einheiten, sondern auch auf solche im EU-/EWR-Ausland. Bei der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen ist entscheidend, dass Sitz oder Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft sich im Inland, der EU oder dem EWR befinden.
Ist eine begünstigungsfähige Einheit gegeben, die eine Ferienwohnung im Ausland hält, so darf sich das Vermögen der Gesellschaft nicht bzw. nur zu geringen Teilen aus Verwaltungsvermögen i. S. v. § 13b Abs. 4 ErbStG zusammensetzen. Zum Verwaltungsvermögen zählen in diesem Kontext insbesondere:
- Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke
- Grundstücksteile
- Grundstücksgleiche Rechte und Bauten
Dabei ist entscheidend, dass nach der Rechtsprechung des BFH jedwede Überlassung an eine andere Person als den Eigentümer – die Gesellschaft – als Nutzungsüberlassung an einen Dritten zu qualifizieren ist (BFH 23.2.21, II R 26/18, BStBl II 22, 72; 28.2.24, II R 27/21, BStBl II 24, 829). Die Gegenausnahmen zur Einordnung als Verwaltungsvermögen gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 ErbStG kommen bei Gesellschaften, die Ferienimmobilien im Ausland halten, regelmäßig nicht zur Anwendung. Unter gewissen Umständen von der Schädlichkeit ausgenommen sind allerdings Betriebsaufspaltungsfälle und Sonderbetriebsvermögenskonstellationen. Dasselbe gilt für Wohnungsunternehmen, die nach Ansicht der Finanzverwaltung aber mehr als 300 Wohnungen in deren Eigentum führen müssen (zur aktuellen Rechtsprechung zu Wohnungsunternehmen: FG Münster 10.10.24, 3 K 751/22 F, EFG 25, 483).
2.2 Begünstigung von Anteilen an Drittstaatskapitalgesellschaften
Die Frage nach der Begünstigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Sitz und Geschäftsleitung sich im Drittstaat befinden, scheint zunächst einfach zu beantworten zu sein. Der Gesetzeswortlaut schließt lediglich Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, der EU oder dem EWR in die Begünstigung ein, also keine Drittstaatsgesellschaften.
2.2.1 Die EuGH-Entscheidung Scheunemann – Alleingesellschafter-Fall
Überdies hatte der EuGH in der Rs. Scheunemann (19.7.12, C-31/11, IStR 12, 713) entschieden, dass eine Beteiligung als Alleingesellschafter an einer kanadischen Kapitalgesellschaft nicht in die Begünstigung nach § 13a, b ErbStG einzubeziehen sei. Einerseits ist der Wortlaut von § 13b Abs. 1 ErbStG abschließend, andererseits fällt die Beteiligung als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft unter die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 ff. AEUV. Die Niederlassungsfreiheit wiederum gewährt keinen Schutz mit Bezug zu Drittstaaten, die Kapitalverkehrsfreiheit schon.
2.2.2 Abgrenzung Niederlassungsfreiheit vs. Kapitalverkehrsfreiheit
Wichtig für die weitere Beurteilung ist, wie sich die Grundfreiheiten „Niederlassungsfreiheit“ und „Kapitalverkehrsfreiheit“ voneinander abgrenzen. In der Rs. Scheunemann handelte es sich aufgrund der Bestimmungsmöglichkeit der Gesellschafterin ausgehend von ihrem Beteiligungsumfang um eine Ausübungsform der Niederlassungsfreiheit. Prüfungsmaßstab ist hier, ob ein sicherer Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft ausgeübt werden kann und deren Tätigkeiten bestimmt werden können (EuGH 19.7.12, C-31/11, IStR 2012, 713, Scheunemann; ebenso: EuGH 4.10.24, C-585/22, BeckEuRS 24, 769956, X BV, Rn. 24; EuGH 16.2.23, C‑707/20, NZG 23, 805, Gallaher, Rn. 56). Ist dies der Fall, verdrängt die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit (zuletzt aber weniger deutlich zur Verdrängungswirkung: EuGH 19.12.24, C-295/23, EuZW 25, 326, Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG/Rechtsanwaltskammer München).
In einer zweistufigen Prüfung (vgl. BFH 24.7.18, I R 75/16, BStBl II 19, 806) muss zunächst abstrakt festgestellt werden, ob sich die infrage stehende gesetzliche Regelung nur auf Beteiligungen bezieht, die einen solchen sicheren Einfluss gewähren. Ein solcher sicherer Einfluss würde zur Anwendung der Niederlassungsfreiheit führen. Daraus folgt:
- Prüfungsstufe 1: Abstrakte Beschränkung der Norm auf Beteiligungen, die aufgrund bestimmter Beteiligungshöhen Einfluss auf die Gesellschaften gewähren, führt zur Anwendung der Niederlassungsfreiheit.
- Prüfungsstufe 2: Unabhängig von der Anknüpfung einer Regelung an bestimmte Beteiligungshöhen führt ein tatsächlicher Einfluss auf die Entscheidungen in der Gesellschaft ebenfalls zur Anwendung der Niederlassungsfreiheit (EuGH 26.6.08, C-284/06, IStR 08, 515, Rs. Burda).
2.2.3 EuGH-Entscheidung Scheunemann und die Abgrenzungsfrage der einschlägigen Grundfreiheit
Zunächst fällt auf, dass der EuGH in der Entscheidung Scheunemann keine Beteiligungsquote festgelegt hat, ab der dieser sichere Einfluss feststeht. In Rz. 31 der Entscheidung finden sich keine Ausführungen des EuGH, wie mit Beteiligungen von unter 50 % zu verfahren ist, insbesondere wenn diese Beteiligungen kein bzw. kein volles Stimmrecht gewähren. Der EuGH hatte hier lediglich festgestellt, dass „der Erblasser eine Beteiligung von 100 % am Kapital der fraglichen Gesellschaft hielt, sodass außer Frage stand, dass er einen sicheren Einfluss auf ihre Entscheidungen ausüben und ihre Tätigkeiten bestimmen konnte“.
Die Beurteilung der Einflussnahmemöglichkeit erachtete der EuGH für die Prüfung des § 13d ErbStG demnach aber für erforderlich.
2.2.4 Abgrenzungsfragen zu den Grundfreiheiten und Beteiligungsverhältnisse gem. anderer EuGH-Entscheidungen
§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG knüpft an eine Mindestbeteiligungsschwelle an (vgl. EuGH 10.5.07, C-492/04, IStR 07, 439, Lasertec, Rz. 21 [Schwelle 25 %]). Auch die ursprüngliche gesetzgeberische Intention knüpft an die Besteuerung einer unternehmerischen Beteiligung an (BT-Drs. 16/7918, S. 35). Diese Aspekte sprechen zunächst für die Niederlassungsfreiheit als generellen Maßstab zur Beurteilung der Europarechtskonformität von § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
Dennoch sollte die Prüfung von Beteiligungen unter 50 % an einer Kapitalgesellschaft in diesem Kontext nicht unkritisch allein am Maßstab der Niederlassungsfreiheit erfolgen. Betont sei nochmals, dass der EuGH in der Entscheidung „Scheunemann“ gerade nicht generell die Anwendung der Niederlassungsfreiheit auf Fallgruppen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bejaht hatte. Und auch eine jüngere EuGH-Entscheidung, in der die Kapitalverkehrsfreiheit bei einer 51 %-Beteiligung mit Stimmrechtseinschränkung geprüft wurde, zeigt, dass hier ein kritisches Überprüfen der bisherigen Einordnung angebracht sein könnte (EuGH 19.12.24, C-295/23, EuZW 25, 326, Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG/Rechtsanwaltskammer München).
Ausgangspunkt dieser weiteren Überprüfung ist die Frage, wodurch das Bestehen eines sicheren Einflusses auf die Gesellschaft gekennzeichnet ist. An diesen sicheren Einfluss knüpft der EuGH stets an, um die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit von der Kapitalverkehrsfreiheit abzugrenzen (vgl. zur Grenzziehung bei Beteiligungen über 25 %: BFH 24.7.18, I R 75/16, BStBl II 19, 806). Eine Beteiligung von über 25 % an einer Kapitalgesellschaft mag zwar erhebliche Rechte in der Gesellschafterversammlung gewähren. Neben einem Mehrheitsgesellschafter kann aber tatsächlich nicht davon ausgegangen werden, dass aufgrund dieser Beteiligung ein sicherer Einfluss auf die Kontrolle und Verwaltung der Gesellschaft gegeben ist.
Es verbleibt mithin die Frage, ob es alleine auf die gesetzgeberische Einordnung durch das Einführen von Schwellenwerten ankommen kann, um den Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu eröffnen, oder ob dieser Einfluss tatsächlich nachweisbar sein muss. Gerade im Nachgang zur Entscheidung Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG/Rechtsanwaltskammer München (EuGH 19.12.24, C-295/23, EuZW 25, 326) erscheint eine verallgemeinernde Sichtweise kritisch, die bereits in der Einführung der 25 %-Schwelle die Niederlassungsfreiheitsrelevanz angelegt sieht.
2.2.5 Weitere Folgen der Überlegungen zu Kapitalverkehrsfreiheit vs. Niederlassungsfreiheit bei Beteiligungen an Drittstaatsgesellschaften
Beispiel |
Ein Mandant ist neben seinen Geschwistern zu 25,1 % an einer kanadischen Kapitalgesellschaft beteiligt, die eine Immobilie im Bau in Kanada hält. |
In der Literatur wird der Vorrang der Niederlassungsfreiheit vor der Kapitalverkehrsfreiheit bei Beteiligungen ab 10 % befürwortet (Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn. 308). Mit dieser Ansicht müsste im Beispielsfall eine Begünstigung der Beteiligung an der Drittstaatskapitalgesellschaft auch im Rahmen einer grundfreiheitenbezogenen Prüfung entfallen. Diese Grenzziehung lässt sich so allerdings in der EuGH-Rechtsprechung nicht durchgängig wiederfinden (etwa: EuGH 3.10.13, C-282/12, IStR 13, 871 Itelcar; 10.5.07, C-492/04, IStR 07, 439 Lasertec; FG Düsseldorf 2.3.22, 7 K 1424/18 KE, Rev. BFH I R 16/22).
Soweit auf den Einfluss und die Kontrolle des Gesellschafters abgestellt wird, ist interessant, dass der BFH wiederum eine Beteiligung von 25,17 % in der Abgrenzung von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit an der Kapitalverkehrsfreiheit prüft (BFH 24.7.18, I R 75/16, BStBl II 19, 806). Mithin ging der BFH bei einer solchen Beteiligungshöhe nicht von einem sicheren Einfluss auf die Gesellschaft aus.
Sicherlich hatte der BFH in dieser Entscheidung nicht die Grundfreiheitenkonformität einer Regelung mit Mindestbeteiligungsschwelle zu beurteilen und befand sich entsprechend in der Prüfungsstufe 2. Die hier anstehende generelle normative Prüfungsausrichtung wäre hingegen eine Frage der Prüfungsstufe 1. Der EuGH prüft stets anhand des Kriteriums der sicheren Einflussnahme, weswegen die Beteiligungsschwellen gleichlaufend verstanden werden sollten. Schließlich steht dahinter dieselbe Frage, ob es sich um eine reine Investitionsbeteiligung oder eine Beteiligung mit Bestimmungscharakter handelt.
In Anbetracht der Ausführungen des EuGH in der Rs. Scheunemann ist unter Berücksichtigung der weiteren Würdigung des BFH zu entscheidenden Einflussnahmemöglichkeiten im Sinne der Niederlassungsfreiheit (BFH 24.7.18, I R 75/16, BStBl II 19, 806) nicht zwingend davon auszugehen, dass die 25 %-Schwelle des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur Beteiligungen mit wesentlichem Entscheidungseinfluss betrifft. In tatsächlicher Hinsicht sind bei geltendem Mehrheitsstimmrecht regelmäßig keine besonderen Einflussnahmerechte an eine Beteiligungshöhe von über 25 % aber unter 50 % geknüpft.
Festzuhalten bleibt, dass nach den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Scheunemann zwar eine insgesamte Überprüfung der erbschaftsteuerlichen Beschränkung der Grundfreiheiten bei Übertragungen von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Ausland vorrangig die Niederlassungsfreiheit tangiert. In Anbetracht des Verständnisses zu den entscheidenden Einflussnahmemöglichkeiten bei entsprechendem Beteiligungsbesitz nach der Rechtsprechung des BFH sollte diese Einordnung jedoch überdacht werden (siehe auch: Baßler, ISR 2024, 208 bis 210). In jedem Fall wäre eine weitere Klarstellung durch den EuGH aber wünschenswert.
2.2.6 Folgefrage: Umgang mit Beteiligungen unter 25 %, die gepoolt sind
Sofern es auf die konkreten Einflussnahmemöglichkeiten des Gesellschafters aufgrund seines Beteiligungsumfangs ankommt, werden auch Fallgestaltungen zu beleuchten sein, bei denen der einzelne Gesellschafter sogar unter 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist.
Beispiel |
Beteiligung unter 9 %, aber gepoolt über 25 % |
Mit diesem Beispiel angesprochen sind Beteiligungen, die durch Poolung mit anderen Anteilen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in den Anwendungsbereich der Begünstigung nach § 13a, b ErbStG gelangen. Da in diesen Fällen die tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit des Gesellschafters aufgrund seiner geringen Beteiligung noch weiter eingeschränkt ist, spricht umso mehr für eine kritische Überprüfung, ob in diesen Fällen nicht doch eine Prüfung anhand der Kapitalverkehrsfreiheit angezeigt ist. Eine sichere Einflussnahmemöglichkeit des einzelnen gepoolten Gesellschafters wird bei einem Stimmgewicht von nur 9 % in der Regel zu verneinen sein.
2.3 Begünstigte Immobilienübertragung über Gesellschaften – Ausschluss des Verwaltungsvermögens
Regelmäßig halten immobilienbesitzende Gesellschaften Verwaltungsvermögen, um Mieteinnahmen zu erzielen. Sobald aber eine Vermietung besteht, ist die Verwaltungsvermögenseigenschaft des Immobilienbesitzes der Gesellschaft festgelegt. Eine Begünstigung einer rein immobilienhaltenden Gesellschaft gemäß § 13a, b ErbStG scheidet demnach aus.
Aus dem Blickwinkel des Beraters liegt der Fokus auf Fallgestaltungen, in denen eine Vermietung am Übertragungsstichtag gerade nicht besteht. Dies gilt für sämtliche immobilienhaltenden Gesellschaften, nicht nur für Drittstaatsgesellschaften. Dies können Fälle sein, in denen aus tatsächlichen Gründen keine Vermietung erfolgt. Auch bei Nachfolgeplanungen könnte gezielt auf Zeiträume gesetzt werden, in denen keine Vermietung der Immobilie vorliegt. In den Fokus rücken daher insbesondere Immobilien im Bau und Leerstandsimmobilien, ggf. nach einem Mieterauszug.
Beispiel |
A ist alleiniger Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Diese hat ein Grundstück in Österreich erworben. Die Kapitalgesellschaft errichtet darauf ein Haus, dessen Wohnungen später einmal vermietet werden sollen. Am Schenkungsstichtag ist der Bau zwar weit fortgeschritten, das Gebäude befindet sich aber noch im Bau. |
Bei der Verwaltungsvermögensprüfung gilt das strenge Stichtagsprinzip. Es kommt ausschließlich auf die Gegebenheiten am Übertragungsstichtag an (R E 13b.12 Abs. 2 S. 1 ErbStR; s. a. Stein/Dorn, GmbHR 25, 275). Im Fall der Errichtung des Gebäudes findet am jeweiligen Stichtag keine Nutzungsüberlassung an einen Dritten statt. Systematisch konsequent ist daher die Entscheidung des FG Münster (14.11.24, 3 K 906/23 F, Rev. BFH II R 37/24). Im Rahmen der Wortlautauslegung grenzt das FG den punktuellen Bezug bei § 13b Abs. 4 ErbStG vom Motivationsbezug bei § 13d ErbStG ab. So stellt § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 ErbStG darauf ab, dass eine Immobilie Dritten zur Nutzung überlassen ist, während § 13d ErbStG darauf rekurriert, dass eine Immobilie „vermietet wird“. Dieser Abgrenzung ist insbesondere vor dem Hintergrund des strengen Stichtagsprinzips zuzustimmen (siehe auch: Lorenz/Fassin, DStR 25, 154 f.).
Zur Gewährung der Begünstigung nach § 13a, b ErbStG für Gesellschaften, die Immobilien im Bau halten, wird der BFH im Verfahren II R 37/24 zeitnah Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Mit Interesse zu verfolgen ist, ob der BFH einerseits bei der konsequenten Stichtagsbetrachtung bleibt und ob der II. Senat anderseits Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder für eine einschränkende Auslegung der Norm erblickt (vgl. BFH 1.2.23, II R 36/20, BStBl II 24, 269 [Anzahlungen als Verwaltungsvermögen]).
Beispiel |
A ist alleiniger Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Inland oder der EU. Diese hält eine Wohnung in Schweden. Nach dem Auszug des Mieters ist die Wohnung am Schenkungsstichtag nicht vermietet. Die Wohnung soll aber einige Zeit nach der Schenkung wieder vermietet werden. Am Schenkungsstichtag ist noch kein neuer Mietvertrag geschlossen. |
Anders als die Fallgestaltung der in Errichtung befindlichen Ferienwohnung ist derzeit kein Fall des zwischenzeitlichen Leerstands beim BFH anhängig. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Entscheidung in der Rechtssache II R 37/24 auch die Fallgruppe des zwischenzeitlichen Leerstands adressieren dürfte. Da offenbar auch in der mündlichen Verhandlung zum „Parkhausfall“ (BFH 28.2.24, II R 27/21, BStBl II 24, 829) das Stichtagsprinzip im Leerstandsfall zur Sprache kam, im Urteilsfall für den Verpachtungsbetrieb aber nicht entscheidungserheblich war, ist die Problematik dem II. Senat jedenfalls bekannt.
Ein solcher Leerstand einer Immobilie nach vorangegangener Verpachtung, ohne dass am Schenkungsstichtag ein neu abgeschlossener Mietvertrag besteht, kann daher mit Blick auf die Verwaltungsvermögensbeurteilung auf Basis des Stichtagsprinzips auch für die Begünstigung nach § 13a, b ErbStG qualifizieren. Voraussetzung ist, dass die Wohnung über eine begünstigungsfähige Einheit nach § 13b Abs. 1 ErbStG gehalten wird. Selbst die Kündigung eines Mietvertrags bei anschließender Schenkung vor einer Neuvermietung wird als nicht verwaltungsvermögensrelevant angesehen, da dies keinen Gestaltungsmissbrauch darstellen soll (Fassin/Lorenz, DStR 25, 154 f.).
Ausblick |
Finanzverwaltung dürfte für enges Zeitfenster sorgen |
- Dieser Beitrag fußt auf einem Vortrag des Autors beim Steueranwaltstag International der ARGE Steuerrecht des Deutschen Anwaltvereins am 2.5.25 in Calvià/Mallorca.
AUSGABE: ErbBstg 7/2025, S. 175 · ID: 50324188