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ErbvertragZur Anwendung des § 2077 BGB auf einen kurz vor der Eheschließung geschlossenen Erbvertrag
| Gelten die §§ 2279, 2077 BGB – wonach eine Verfügung zugunsten des Ehegatten bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen unwirksam ist – auch für einen Erbvertrag, der vor der Ehe geschlossen wurde? Darüber hatte das OLG Celle in seinem Urteil vom 27.1.25 (6 W 148/24, Abruf-Nr. 246804) jüngst zu entscheiden. |
E und F hatten vier Tage vor ihrer Heirat einen Ehevertrag und einen Erbvertrag geschlossen. In dem Erbvertrag setzten sich E und F gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Erbvertrag soll nach der weiteren Regelung auch schon vor der Eheschließung gelten. Ende 2021 reichte die F beim Familiengericht einen „Verfahrenskostenhilfeantrag und Antrag auf Scheidung“ ein und gab an, die Parteien lebten bereits länger als ein Jahr getrennt. E nahm dazu Stellung und erklärte, er halte die Ehe für gescheitert und möchte geschieden werden.
Ende 2023 verstarb E. Sowohl die F als auch die Tochter T des E beantragten daraufhin jeweils einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. T ist der Ansicht, der Erbvertrag sei entsprechend § 2077 Abs. 1 S. 1 und 2, § 2279 BGB unwirksam, weil die Voraussetzungen der Ehescheidung zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen hätten und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. F ist der Ansicht, § 2077 BGB würde auf den Erbvertrag keine Anwendung finden, weil der Erbvertrag vor der Eheschließung erfolgt sei. Das OLG Celle kommt in seinem Urteil vom 27.1.25 zu dem Ergebnis, dass hier die §§ 2279, 2077 BGB Anwendung finden.
Die Regelung des § 2077 BGB soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des Testaments u. a. im Scheidungsfall gerichtet ist. E und F haben den Erbvertrag vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung geschlossen. In dem Erbvertrag wird der E bereits als „Ehemann“ bezeichnet. Ferner haben die künftigen Ehegatten geregelt, dass „dieser Erbvertrag auch schon vor unserer Eheschließung gelten (soll)“. Gerade der letzte Satz bringt zum Ausdruck, dass der Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung im Hinblick auf die Eheschließung zustande gekommen ist.
Beachten Sie | Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 22.5.24 (IV ZB 26/23, NJW 24, 2537). Im Fall des BGH wurde der Erbvertrag viereinhalb Jahre vor der Eheschließung geschlossen, und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags war eine Eheschließung noch nicht absehbar. Auch das gesetzliche Erbrecht der F ist nach § 1933 S. 1 BGB ausgeschlossen.
AUSGABE: ErbBstg 4/2025, S. 81 · ID: 50355745