Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2025 abgeschlossen.
Vorweggenommene ErbfolgeEntgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen
| Bereits im Jahr 2014 hatte der BFH entschieden, dass Zahlungen für die Ablösung eines (Vorbehalts-)Nießbrauchs an einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG beim Nießbrauchsverpflichteten im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte nach § 17 EStG nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung darstellen (BFH 18.11.14, IX R 49/13, BStBl II 15, 224). Dagegen war die steuerliche Berücksichtigung solcher Ablösezahlungen auf der Seite des Nießbrauchsberechtigten bisher ungeklärt. Mit seiner Entscheidung vom 20.9.24 (IX R 5/24) hat der BFH diese Streitfrage nun für den Fall geklärt, dass bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs das wirtschaftliche Eigentum auf den (neuen) zivilrechtlichen Gesellschafter und Nießbrauchsverpflichteten übergeht. |
Inhaltsverzeichnis
1. Der praktische Fall
Mutter M (Klägerin) übertrug im Jahr 2012 ihre Beteiligung an der Z-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs unentgeltlich auf ihren Sohn. Der Nießbrauch umfasste insbesondere das Gewinnbezugsrecht. Im Rahmen der Veräußerung der Geschäftsanteile im Jahr 2018 vereinbarten Mutter und Sohn die Aufhebung des Nießbrauchs an den Anteilen an der Z-GmbH gegen Zahlung eines Ablösebetrags.
Das FA erfasste den Ablösebetrag im ESt-Bescheid der Mutter für das Streitjahr 2018 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. v. § 17 i. V. m. § 24 EStG. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Soweit die Mutter im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hatte, dass die Zahlung des Ablösebetrags eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene darstelle, hatte die Klage keinen Erfolg. Das FG stellte fest, dass der Sohn im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile geworden sei. Es gab dem hilfsweisen Begehren der Mutter statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG begehrt hatte (FG Nürnberg 29.9.23, 7 K 1029/21). Doch die Mutter nahm das nicht kampflos hin und machte im Revisionsverfahren geltend, die Zahlung des Ablösebetrags stelle eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene dar.
2. Lösung
2.1 Ablösebetrag als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG?
Und der BFH gab ihr im Ergebnis recht. Ausgehend von der den BFH bindenden Feststellung des FG, die Mutter habe das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen in 2012 verloren, sei die Entscheidung des FG, der Ablösebetrag sei als Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern, rechtsfehlerhaft. Und unterstellt man fehlendes wirtschaftliches Eigentum der Mutter an den GmbH-Anteilen, seien auch andere Besteuerungstatbestände ausgeschlossen. Die Begründung im Einzelnen:
Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Der BFH stellt allerdings klar, dass die Vorschrift des § 24 EStG keine die Einkunftsarten erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung hat. Diese Klarstellung habe eine doppelte Wirkung. Einmal sei ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen stellt die Vorschrift in Nr. 1 Buchst. a aber auch klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG fallen.
Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt (vgl. BFH 16.8.78, I R 73/76, BStBl II 79, 120; 11.2.15, VIII R 4/12, BStBl II 15, 647, Rn. 17). Es muss demzufolge eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen. Mithin setzen nachträgliche Einkünfte voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die die Entschädigung gewährt wird, auch steuerlich zuzurechnen sind.
Zurechnungssubjekt bei Ausschüttungen einer GmbH ist grds. der Anteilseigner |
Beachten Sie | Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Des Weiteren müssen die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein (BFH 24.1.12, IX R 51/10, BStBl II 12, 308, Rn. 15, m. w. N.; vgl. auch Binnewies, GmbH-StB 18, 183, 184).
Beachten Sie | Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i. V. m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt.
Einschätzung des FG insoweit für den BFH bindend |
Daran gemessen kommt das FG zu Unrecht zu dem Ergebnis, der Mutter sei der Ablösebetrag als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zuzurechnen. Denn die Feststellung des FG, das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen an der Z-GmbH sei bereits im Jahr 2012 mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Mutter auf ihren Sohn übergegangen, schließt es aus, der Mutter die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen. Da § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG keine die Einkünfte erweiternde Bedeutung hat, liegen bei der Mutter insoweit keine steuerbaren Einkünfte vor.
Rechtsfehlerhaft sei weiter die Annahme des FG, dass der Mutter, obwohl sie bereits mit der zivilrechtlichen Anteilsübertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen an der Z-GmbH verloren hat, nach § 20 Abs. 5 S. 3 EStG die Dividenden aus der Beteiligung steuerlich zuzurechnen sein sollen. Denn das Gewinnbezugsrecht ist als dessen unmittelbarer Ausfluss an den Geschäftsanteil gebunden (BGH 30.6.04, VIII ZR 349/03, unter II.1.; 2.10.18, IV R 24/15, Rn. 49) und kann nicht von diesem abgespalten werden.
2.2 Zuweisung des Ablösebetrags zu anderem Besteuerungstatbestand?
Die bindende Feststellung des FG, dass die Mutter bereits 2012 neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen verloren habe, lässt es nicht zu, den Ablösebetrag für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts einem anderen Besteuerungstatbestand zuzuweisen.
Zum einen unterliegt der Ablösebetrag nicht § 17 EStG. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Da nach den Feststellungen des FG das wirtschaftliche Eigentum bereits im Jahr 2012 mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übergegangen ist, liegt im Moment der Ablösung des Nießbrauchs keine Anteilsveräußerung i. S. v. § 17 EStG vor.
Zum anderen ist der Ablösebetrag nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i. V. m. § 24 EStG von der Mutter zu versteuern. Die entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs ist nicht nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Da die Mutter nach den Feststellungen des FG bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums auch das wirtschaftliche Eigentum verloren hat, fehlt es jedenfalls an der kausalen Verknüpfung zwischen der Zahlung des Ablösebetrags und der Aufgabe der Geschäftsanteile an der Z-GmbH.
Infolge des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums wären die Einnahmen mithin nicht von der Mutter, sondern von deren Sohn zu versteuern. Die Vereinnahmung des Ablösebetrags bei der Mutter ist daher als nicht steuerbare Vermögensumschichtung einzuordnen. Auch liegen keine Einkünfte aus einer ehemaligen steuerbaren Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG vor.
Fazit | Mit dem Besprechungsurteil führt der BFH seine Rechtsprechung zur entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen fort. Er hebt das Urteil der Vorinstanz auf und stellt dabei fest, dass die Ablösezahlung an den Nießbrauchsberechtigten bei diesem zu nicht steuerbaren Einnahmen führt, wenn bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs das wirtschaftliche Eigentum an den Gesellschaftsanteilen auf den neuen Gesellschafter und Nießbrauchsverpflichteten übergegangen war. Die Reaktion der Finanzverwaltung hierauf bleibt abzuwarten. Es sei darauf hingewiesen, dass beim BFH unter dem Az. IX R 14/24 ein weiteres Verfahren zur Frage der steuerlichen Behandlung von erhaltenen Zahlungen für die Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen anhängig ist. Anders wäre der Sachverhalt gegebenenfalls zu beurteilen, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen anlässlich der Nießbrauchsbestellung beim Nießbrauchsberechtigten verbleiben würde. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums würde dann erst im Zeitpunkt der Ablösung des Nießbrauchsrechts erfolgen. In diesem Fall unterläge eine Ablösezahlung beim Nießbrauchsberechtigten zu diesem Zeitpunkt unter den Voraussetzungen des § 17 EStG der Besteuerung (so auch Trossen, GmbH-StB 25, 6, 7). Ein weiteres Verfahren ist aktuell beim BFH unter dem Az. IX R 4/24 anhängig. Streitig ist, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts oder der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück nicht zu steuerbaren Einkünften i. S. v. § 23 EStG führt. Die Vorinstanz (FG Münster 12.12.23, 6 K 2489/22 E) urteilte, dass die entgeltliche Ablösung bzw. der entgeltliche Verzicht nicht zu steuerbaren Einkünften i. S. v. § 23 EStG führe. Derartige veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen es an dem für eine Veräußerung erforderlichen Rechtsträgerwechsel fehle, werden nach Ansicht des FG Münster nicht von § 23 EStG erfasst. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. |
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.
AUSGABE: ErbBstg 4/2025, S. 95 · ID: 50349919