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ErbschaftsteuerSteuerstundung für Wohnimmobilien – seit dem 1.1.25 lukrativer denn je
| Normalerweise ist die Erbschaftsteuer binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Doch es gibt Ausnahmen. Eine davon enthält § 28 Abs. 3 ErbStG. Danach kann die auf Wohnimmobilien entfallende Steuer auf Antrag bis zu zehn Jahre gestundet werden, soweit die Steuer nur durch Verkauf der Immobilie aufzubringen ist. Weil der Anwendungsbereich der Steuerstundung ab dem 1.1.25 erheblich erweitert und verbessert wurde, ergibt sich für ErbBstg der Anlass, die Regelungen für die Steuerstundung nochmals eingehend zu beleuchten. |
1. Das Problem bei einem reinen Immobilienerbe
In manchen Erbfällen setzt sich das Erbe (fast) ausschließlich aus Immobilien zusammen. Eigentlich kein Problem, denn Immobilien zählen zur Erbmasse und gehen damit auf den Erben über. Doch dieses Immobilienerbe kann kurze Zeit später doch zu einem Problem werden. Nämlich ab dem Moment, zu welchem der Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts vorliegt. Denn das Finanzamt fordert für die geerbten Immobilien die (oft nicht geringe) Erbschaftsteuer. Und weil das Erbe (fast) nur aus Immobilien besteht, ist kein liquides Kapitalvermögen zur Begleichung der festgesetzten und demnächst fälligen Erbschaftsteuer vorhanden.
Beispiel 1 |
A ist verstorben. Einer seiner Erben ist der vermögenslose und hoch verschuldete Neffe B. Dieser erhält aus dem Erbe ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Der vom Finanzamt für das Mehrfamilienhaus gesondert festgestellte Grundbesitzwert beträgt 500.000 EUR. Für geerbtes Mehrfamilienhaus fällt über 100.000 EUR ErbSt an |
Das Beispiel zeigt die Problematik deutlich auf. Besteht das Erbe vorrangig aus Immobilien und nicht aus liquidem Vermögen, muss der Erbe schleunigst handeln, um die geforderte Steuerschuld begleichen zu können. Tendenziell bestehen für den Erben drei Varianten zur Tilgung der Erbschaftsteuer:
- 1. Er verwendet sein bereits vor dem Erbe vorhandenes Privatvermögen und damit seine (möglicherweise für andere Zwecke) angesparten Rücklagen.Drei Varianten zur Tilgung der Steuerschuld
- 2. Er geht zur Bank und nimmt zur Tilgung ein (oft hoch verzinstes) Darlehen auf. Dieses könnte z. B. mit der geerbten Immobilie besichert werden.
- 3. Er veräußert Immobilien und nutzt den Veräußerungserlös für die Tilgung.
Zwar werden die Varianten 1 und 2 regelmäßig bevorzugt. Es kann aber sein, dass sich diese nicht umsetzen lassen – z. B. weil der Erbe über kein Kapitalvermögen verfügt, hoch verschuldet ist und die Bank keine (weiteren) Darlehen gewährt. Nun ist guter Rat teuer. Bleibt nur die Veräußerung der geerbten Immobilie als Ausweg, um die Steuerschuld zu begleichen?
2. Rettungsanker: die Steuerstundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG
Um die Immobilienveräußerung zu umgehen, kann zu einem Rettungsanker gegriffen werden. Das geht prinzipiell einfach, indem ein Antrag auf Steuerstundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG gestellt wird. Diese Möglichkeit war für Erb- und Schenkungsfälle bis zum 31.12.24 dann gegeben, wenn zum Erwerb
- Vermögen i. S. d. § 13d Abs. 3 ErbStG (z. B. im Erwerbszeitpunkt zu Wohnzwecken vermietete Objekte) oder
- ein Ein-/Zweifamilienhaus bzw. Wohneigentum gehört, das der Erbe nach dem Erwerb zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
Neu ist für Besteuerungsstichtage ab dem 1.1.25, dass dieser doch recht beschränkte Anwendungsbereich stark erweitert wurde. Ab dem 1.1.25 kommt es nur noch darauf an, dass zu dem Erbe Grundbesitz gehört, der zu Wohnzwecken genutzt wird. Ob dabei die Nutzung zu Wohnzwecken durch den Erben selbst oder durch Dritte erfolgt, ist unerheblich. Damit sind ab sofort auch Immobilien begünstigt, die vom Erblasser (oder Schenker) bisher eigengenutzt wurden und nun vom Erben vermietet werden. Zudem berechtigen auch vom Erblasser eigengenutzte Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zur Anwendung der Stundung. Auch das war bisher ausgeschlossen, weil es sich nicht um Ein- bzw. Zweifamilienhäuser und auch nicht um Wohneigentum gehandelt hat.
Beachten Sie | Im Rahmen des § 28 Abs. 3 ErbStG hat der Erbe einen Anspruch auf Stundung (Wortlaut: „ist zu stunden“). Anders als bei der Stundung gemäß § 222 AO handelt es sich also nicht um eine Ermessensentscheidung.
Die Steuerstundung ist allerdings begrenzt. Und zwar auf den Betrag, wie die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufgebracht werden kann. Das Finanzamt wird vor Bewilligung des Antrags daher prüfen, ob der Erbe die Steuerschuld auch anderweitig begleichen kann – beispielsweise durch ein weiteres Erbe, mit eigenem Kapitalvermögen oder durch die Aufnahme von Darlehen (R E 28 Abs. 7 ErbStR). Nur soweit das nicht möglich ist, wird das Finanzamt dem Antrag auf Steuerstundung stattgeben. Weil die Feststellungslast hierzu beim Erben liegt, muss dieser regelmäßig eine Vermögensauskunft abgeben und auch eine Negativbescheinigung einer Bank vorlegen, dass ihm kein Darlehen zur Tilgung der Steuerschuld gewährt wird.
Beispiel 2 |
Wie Beispiel 1. Der Neffe B stellt einen Antrag auf Steuerstundung. Vermietetes Mehrfamilienhaus neuerdings begünstigtes Vermögen |
Beachten Sie | Vorausgesetzt wird nicht, dass es als möglich erscheint, dass die gestundete Steuer nach Ablauf der Stundung bezahlt werden kann.
3. Beginn, Ende und Verzinsung der gestundeten Steuer
Wirkungsweise der Steuerstundung ist, dass das Finanzamt die bereits festgesetzte Erbschaftsteuer nicht sofort fordert und auch keine Vollstreckungsmaßnahmen ergreift. Vielmehr wird ein Zahlungsaufschub gewährt – und das für bis zu zehn Jahre. Besonders vorteilhaft ist, dass für den Zeitraum der Stundung nicht einmal Stundungszinsen anfallen. Zwar sind gestundete Steuern grundsätzlich gemäß §§ 234, 238 Abs. 1 AO mit monatlich 0,5 % zu verzinsen. Diese Stundungszinsen werden vom Finanzamt bei einem Erwerb von Todes wegen nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 S. 3 ErbStG jedoch nicht erhoben.
Merke | Anders sieht der Fall bei einer Grundstücksschenkung aus. Für diese kann unter den genannten Voraussetzungen zwar ebenfalls die Steuerstundung beantragt werden. Diese Stundung kostet jedoch Stundungszinsen. |
Die Stundung bewirkt aber nicht automatisch, dass die komplette Fälligkeit der Erbschaftsteuer zehn Jahre hinausgeschoben wird. Denn das Gesetz spricht von einer Stundung über einen Zeitraum von „bis zu“ zehn Jahren. Aus diesem Grund wird das Finanzamt regelmäßig prüfen, inwieweit es dem Erben zugemutet werden kann, die Steuer auch früher zu tilgen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erbe die Immobilie zur Erzielung von Mieteinnahmen einsetzt oder er über sonstige regelmäßig zufließende Einnahmen verfügt. In diesem Fall ist es dem Erben zuzumuten, die gestundete Steuer kontinuierlich zu tilgen (R E 28 Abs. 7 S. 5 ErbStR). Das Finanzamt wird mit dem Erben einen Tilgungsplan verhandeln, der Höhe, Anzahl und Fälligkeit der Raten wie auch eine mögliche Schlusszahlung enthält.
Beispiel 3 |
Wie Beispiel 1 und 2. Die nach § 28 Abs. 3 ErbStG gestundete Steuer beträgt 107.500 EUR. Der Neffe B setzt das Mehrfamilienhaus weiterhin zur Vermietung ein. Daraus generiert er derzeit nach Abzug der entstehenden Aufwendungen einen Nettomietzufluss von monatlich 1.000 EUR. Lösung: Das Finanzamt wird zwar die Erbschaftsteuer zinslos stunden. Jedoch wird es verlangen, dass die gestundete Steuer mit monatlich 1.000 EUR getilgt wird. Sollte sich die Vermietungssituation ändern, z. B. durch Leerstand oder Mieterhöhungen, kann der Tilgungsbetrag angepasst werden. |
Gleichermaßen wird das Finanzamt die gewährte Stundung beenden, wenn der Erbe die Immobilie tatsächlich veräußert. Denn infolge der Veräußerung besteht kein Grund mehr für die gewährte Stundung, und mit dem Erlös kann die bisher gestundete Erbschaftsteuer beglichen werden. Zudem endet die Stundung auch dann automatisch, wenn der Erbe die Immobilie verschenkt oder sie dauerhaft nicht mehr (eigenen oder fremden) Wohnzwecken dient (§ 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG). Das wäre z. B. der Fall, wenn die Wohnräume einer Nutzungsänderung unterzogen werden und fortan als Büroräume oder für einen Gewerbebetrieb genutzt werden. Aber auch bei einem Leerstand der Wohnung von mehr als zwölf Monaten wird vermutet, dass die für die Steuerstundung erforderliche Wohnnutzung aufgegeben wurde (BT-Drs. 20/12780, S. 196).
Beispiel 4 |
Wie Beispiel 3. Die gestundete Erbschaftsteuer beträgt 107.500 EUR und wird mit monatlich 1.000 EUR getilgt. Nach Ablauf von fünf Jahren veräußert der Erbe die Immobilie und erhält dafür 700.000 EUR. Tilgungsplan wird mit Veräußerung gegenstandslos |
Beachten Sie | Liegen die Voraussetzungen für die Stundung nicht mehr vor, ist der Erbe verpflichtet, diesen Umstand dem Finanzamt anzuzeigen (§ 153 Abs. 2 AO).
4. Sonderfall: Wohnimmobilien in Drittstaaten
Bisher wurden in Drittstaaten belegene Wohnimmobilien von § 28 Abs. 3 ErbStG nicht begünstigt. Auch das hat sich für Erb- und Schenkungsvorgänge ab dem 1.1.25 geändert. Ab sofort berechtigen unter den genannten Kriterien auch in Drittstaaten belegene Wohnimmobilien zur Anwendung der Stundung. Zusätzliche Voraussetzung ist jedoch, dass in Bezug auf die Erbschaftsteuer ein Informationsaustausch mit dem Drittstaat sowie die Möglichkeit der Beitreibung entsprechender steuerlicher Forderungen sichergestellt ist (§ 28 Abs. 3 S. 5 ErbStG). Sofern der Informationsaustausch oder die Beitreibung in dem Drittstaat nicht mehr sichergestellt ist, endet die Stundung sofort.
Beachten Sie | Das BMF wird in absehbarer Zeit im BStBl eine Liste der Staaten veröffentlichen und regelmäßig aktualisieren, die diese Voraussetzungen erfüllen.
Reguläre Stundung nach § 222 AO als „Notfallplan“ |
AUSGABE: ErbBstg 4/2025, S. 91 · ID: 50306536