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Der praktische FallNiedrig verzinsliche Darlehen und die schenkungsteuerlichen Folgen
| Gemäß § 15 Abs. 1 BewG ist der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme zu 5,5 % anzunehmen, wenn kein anderer Wert feststeht. Bei hingegebenen Darlehen mit einem Zinssatz unterhalb von 5,5 % stellt sich daher hinsichtlich des konkret vereinbarten Zinssatzes die Frage, welche Anforderungen an das „Feststehen eines anderen Werts“ zu stellen sind. Kann der Nachweis einer fehlenden Differenz nicht erbracht werden, führt dies grundsätzlich zu einer gemischten Schenkung in Form der Schenkung eines Zinsvorteils. Die schenkungsteuerliche Bereicherung errechnet sich aus der Zinsdifferenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz. Insbesondere bei höheren Darlehensbeträgen und/oder bei Anwendung der Steuerklassen II oder III kann dies zu erheblichen Schenkungsteuerbelastungen führen. |
1. Sachverhalt
Der BFH (31.7.24, II R 20/22, Abruf-Nr. 245101) hatte sich kürzlich mit einem Fall zu befassen, in dem der vereinbarte Zinssatz deutlich unter 5,5 % lag. Anhand der getroffenen Vereinbarungen musste daher geklärt werden, welche Anforderungen an den Nachweis eines anderen Werts i. S. v. § 15 Abs. 1 BewG zu stellen sind und ob diese Anforderungen hinreichend erfüllt waren. Erfreulicherweise hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Problematik weiter konkretisiert und für die Praxis konkrete Hinweise gegeben, wie die Annahme einer schenkungsteuerlichen Bereicherung vermieden werden kann.
Musterfall – nach BFH II R 20/22 |
Darlehen der Schwester auf unbestimmte Zeit zu Zinssatz von nur 1 % |
Nach Auffassung des B liegt trotz des günstigen Zinssatzes keine Schenkung eines Zinsvorteils vor, da weder B noch der für S bestellte Ergänzungspfleger von einer teilweisen Unentgeltlichkeit ausgegangen sind. Zudem habe B einen niedrigeren als den in § 15 Abs. 1 BewG festgelegten Zinssatz von 5,5 % für die zur Nutzung überlassene Geldsumme durch vorgelegte Darlehensangebote verschiedener Institute nachgewiesen. Schließlich sei auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Abzinsung von Verbindlichkeiten nicht mehr vorgesehen. Es sei folglich nicht ersichtlich, warum eine Niedrigverzinsung noch Schenkungsteuer auslösen könne, wenn eine Abzinsung nicht mehr vorgesehen sei.
2. Schenkungsteuerliche Wertung des FA
Das FA sah in der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 BewG i. H. v. 5,5 % und nahm insoweit eine gemischte Schenkung an.
Als Bewertungsstichtag und Besteuerungszeitpunkt nahm das FA den Tag der Rechtswirksamkeit der familiengerichtlichen Genehmigung durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 23.3.05 an. Daraus ergab sich für das FA folgende Rechnung:
Berechnung der Schenkungsteuer | |
Jahreswert des Zinsvorteils von fast 85.000 EUR | 1.875.768,05 EUR |
Differenz des vereinbarten Zinssatzes zum Zinssatz gemäß § 15 Abs. 1 BewG | 4,5 % |
Sich hieraus ergebender Jahreswert des Zinsvorteils | 84.409,56 EUR |
Keine Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG, da der Grenzwert (1.875.768,05 EUR ÷ 18,6 = 100.848,00 EUR) höher ist | |
Vervielfältiger gemäß § 13 Abs. 2 Halbs. 2 BewG | 9,3 |
Wert der Zuwendung | 785.008,91 EUR |
abgerundet | 785.000,00 EUR |
Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG (Stkl. II) | – 20.000,00 EUR |
Schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage (nach Abrundung) | 765.000,00 EUR |
Schenkungsteuer 30 % | 229.500,00 EUR |
Der vereinbarte Zinssatz von 1 % war nach Auffassung des FA nicht marktüblich, weil gemäß den Statistiken der Deutschen Bundesbank unter Berücksichtigung des Datums des Vertragsschlusses einerseits und der Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.07 andererseits ein Effektivzinssatz zwischen 2,67 % und 2,81 % marktüblich gewesen sei. Der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz von 5,5 % sei im Streitfall zugrunde zu legen, da ein marktüblicher Zinssatz (von 1 %) für vergleichbare Darlehen nicht habe festgestellt werden können. Die zwischen dem Kläger und seiner Schwester vereinbarten Darlehenskonditionen würden hinsichtlich Laufzeit, Fälligkeit und Tilgung von marktüblichen Darlehensbedingungen abweichen. Deshalb könnten die vom Kläger vorgelegten Kreditangebote, die im Übrigen erst im Januar 06 erstellt worden seien, nicht als Vergleich herangezogen werden.
3. Schenkungsteuerliche Wertung des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern
Nach Auffassung des FG Mecklenburg-Vorpommern ist die Schenkung bereits zum 1.1.04 erfolgt und nicht erst mit der familiengerichtlichen Genehmigung durch amtsgerichtlichen Beschluss von 23.3.05. Das Darlehen hat laut dem Darlehensvertrag bereits zum 1.1.04 als ausgezahlt gegolten und der Bruder B habe das Darlehen auch nutzen können.
Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH ergibt sich nach Ansicht des FG, dass ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils nicht bereits dann i. S. d. § 15 Abs. 1 BewG feststeht, wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können (so schon BFH 27.10.10, II R 37/09). Vergleichsmaßstab sei nach bisheriger Rechtsprechung des BFH vielmehr der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu abgesehen von der Zinslosigkeit vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre (vgl. BFH 27.11.13, II R 25/12).
Das FG legte ebenfalls die Angaben der Deutschen Bundesbank zugrunde und ging davon aus, dass die Kreditzinsen für private Haushalte bei einer Zinsbindung von einem bis fünf Jahren im Durchschnitt des Jahres 04 bei 2,67 % effektiv und im Durchschnitt der Monate August bis Oktober 04 bei 2,71 % effektiv gelegen haben. Für wirtschaftlich selbstständige Personen hätten die Darlehenszinsen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren im Durchschnitt des Jahres 04 effektiv 2,81 % und im Durchschnitt der Monate August bis Oktober 04 effektiv 2,88 % betragen.
B habe das Darlehen im Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters und daher als wirtschaftlich tätige Person aufgenommen. Die Differenz laut dem vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem zu zahlenden Zinssatz von 2,81 % habe somit nominal immer noch 1,81 % betragen. Da aufgrund dieses Vergleichs nicht erkennbar sei, dass B auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem Zinssatz von 1 % habe erhalten können, ging das FG davon aus, dass ein anderer Wert nicht nachgewiesen ist. Die von B vorgelegten Schreiben sah es für einen Nachweis als nicht geeignet an. Damit ergab sich für das FG Mecklenburg Vorpommern entsprechend der Berechnung des FA ebenfalls eine Schenkungsteuer i. H. v. 229.500 EUR.
Die Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % gemäß § 15 Abs. 1 BewG begegnet laut FG Mecklenburg-Vorpommern zudem keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG bedurfte es aus seiner Sicht daher nicht.
4. Abweichende Beurteilung des BFH
Der BFH bestätigt zunächst seine bisherige Rechtsprechung und geht davon aus, dass die Gewährung eines nicht marktüblich verzinsten Darlehens als gemischte Schenkung zu versteuern ist. Bei der Bemessung des Zinsvorteils kann der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz von 5,5 % im konkreten Fall aber nicht herangezogen werden, da entgegen der Auffassung des FG Mecklenburg-Vorpommern ein niedrigerer marktüblicher Wert für vergleichbare Darlehen feststeht.
Nach Auffassung des BFH ist dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG insoweit nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige einen niedrigeren marktüblichen Wert nachweisen muss. Vielmehr fordert § 15 Abs. 1 BewG lediglich das (objektive) Feststehen eines anderen Werts. Der BFH hat daher auch nicht entscheiden müssen, ob sich aus dem Abzinsungsausschluss nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ein anderer Zinssatz ergeben kann oder der gesetzliche Zinssatz i. H. v. 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG verfassungswidrig ist.
Der BFH übernimmt zunächst die Feststellung des FG Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Darlehenszinsen für wirtschaftlich selbstständige Personen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren laut Angaben der Deutschen Bundesbank im Durchschnitt des Jahres 04 bei 2,81 % effektiv gelegen haben. Ebenfalls geht er davon aus, dass die Schenkung bereits zum 1.1.04 erfolgt ist, das Darlehen im zu beurteilenden Fall nach vierjähriger Laufzeit hätte gekündigt werden können und B das Darlehen im Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters, also als wirtschaftlich tätige Person aufgenommen hat. Damit bestätigt der BFH, dass das FG Mecklenburg-Vorpommern die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem laut Angaben der Deutschen Bundesbank zu zahlenden Zinssatz von 2,81 % mit nominal 1,81 % richtig ermittelt hat und B daher lediglich circa 36 % der Zinsen an seine Schwester zahlen musste, die er am freien Markt hätte zahlen müssen (2,81 % × 36 % = 1,0116 %).
Der BFH hält es allerdings für widersprüchlich, wenn das FG trotz dieser Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass ein niedrigerer als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Der BFH betont, dass es nicht darauf ankommt, ob der festgestellte Zinssatz darauf zurückzuführen ist, dass der Steuerpflichtige diesen Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote nachgewiesen hat.
Beachten Sie | Dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG ist nicht zu entnehmen – so der BFH –, dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen muss. Anders als beispielsweise § 198 BewG, der ausdrücklich vom Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch den Steuerpflichtigen spricht, ordnet § 15 Abs. 1 BewG weder an, dass der Steuerpflichtige tätig werden muss, noch, dass ein Nachweis zu erfolgen hat. Vielmehr fordert § 15 Abs. 1 BewG lediglich das Feststehen eines anderen Werts.
Der BFH betont zudem, dass dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im Urteil des BFH vom 17.4.91 (II R 119/88, BStBl II 91, 586) steht. Dort hat der BFH zwar ausgeführt, dass dem Ansatz von 5,5 % i. S. d. § 15 Abs. 1 BewG ein abweichender „Marktpreis“ nicht entgegensteht. Damit sei aber lediglich gemeint, dass nicht ein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden kann, bei dem nicht bekannt ist, ob die zugrunde liegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, den das FG bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrunde liegenden Bedingungen festgestellt hat, sodass in einem solchen Fall nicht der gesetzliche Zinssatz von 5,5 % herangezogen werden darf.
Der als Schenkung anzusehende Nutzungsvorteil des Klägers ist danach der Zinsvorteil, der mit der Differenz zwischen dem vom FG festgestellten marktüblichen Darlehenszinssatz i. H. v. 2,81 % und dem vereinbarten Zinssatz i. H. v. 1 % anzusetzen ist und der somit 1,81 % beträgt. Daraus ergibt sich folgende Rechnung:
Berechnung der Schenkungsteuer | |
Jahreswert des Zinsvorteils damit über 50.000 EUR niedriger | 1.875.768,05 EUR |
Differenz des vereinbarten Zinssatzes zum Zinssatz gem. § 15 Abs. 1 BewG | 1,81 % |
Sich hieraus ergebender Jahreswert des Zinsvorteils | 33.951,40 EUR |
Keine Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG, da der Grenzwert (1.875.768,05 EUR ÷ 18,6 = 100.848,00 EUR) höher ist | |
Vervielfältiger gemäß § 13 Abs. 2 Halbs. 2 BewG | 9,3 |
Wert der Zuwendung | 315.748,02 EUR |
abgerundet | 315.700,00 EUR |
Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 ErbStG (Stkl. II) | – 20.000,00 EUR |
Schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage (nach Abrundung) | 295.700,00 EUR |
Schenkungsteuer 20 % | 59.140,00 EUR |
Die Schenkungsteuer beträgt somit „lediglich“ 59.140 EUR (20 % von 295.700 EUR) statt der vom FA und von der Vorinstanz angenommenen 229.500 EUR (30 % von 765.000 EUR).
Deutliche Vereinfachung für den Nachweis marktüblicher Zinssätze Konkretes Kreditangebot zwar nicht erforderlich, aber durchaus hilfreich |
AUSGABE: ErbBstg 2/2025, S. 33 · ID: 50284210