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NachlassgerichtErbscheinverfahren: Entscheidet der Rechtspfleger oder der Richter?
| Die ledige und kinderlose Erblasserin setzte mit eigenhändigem Testament von Anfang 2020 die Tochter T eines Cousins als Alleinerbin ein. Nach dem Tod der E beantragte die T einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Das Nachlassgericht – in Gestalt des Rechtspflegers – wies den Antrag ohne weitere Anhörung des Sachverständigen und auch ohne Beteiligung eines Richters zurück. Zu Recht? |
Aus der Betreuungsakte ergebe sich – so der Rechtspfleger –, dass die E bei Errichtung des Testaments nicht testierfähig gewesen sei. Das sei insbesondere aus dem im Betreuungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten zu schließen. Die gegen die Entscheidung gerichtete Beschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses (OLG München 20.7.23, 31 Wx 398/22), da weitere Amtsermittlungen erforderlich waren. Daraufhin veranlasste der Rechtspfleger die schriftliche Befragung des Hausarztes, behandelnder Klinikärzte, des MDK Bayern, der Nachbarn und der Mieterin der Erblasserin sowie deren Tochter – und erhob anschließend Sachverständigenbeweis. Ohne weitere Anhörung des Sachverständigen hat das Nachlassgericht – Rechtspfleger – den Antrag der T auf Erbscheinserteilung erneut zurückgewiesen.
Diese Entscheidung wurde nun vom OLG München mit Beschluss vom 18.12.24 (33 Wx 153/24 e, Abruf-Nr. 246037) aufgehoben. Zum einen sei hier das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Hält ein Sachverständiger die Einvernahme von Kontaktpersonen des Erblassers zur Beurteilung der Testierfähigkeit für erforderlich, muss das Nachlassgericht den Sachverständigen zur Befragung der Zeugen zuziehen und ihm Gelegenheit geben, selbst Fragen an die Zeugen zu stellen. Weiter durfte hier der Rechtspfleger nicht entscheiden. Funktionell ausschließlich zuständig gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG ist ein Richter. Allein in „nichtstreitigen Fällen“ könne gem. § 19 RPflG die Zuständigkeit des Rechtspflegers begründet werden.
„Streitig“ wird ein Verfahren bereits, wenn ein anderer Beteiligter bestimmte Behauptungen vorbringt, die einer dem Antrag entsprechenden Entscheidung entgegenstehen und/oder denen das Gericht aufgrund des Ermittlungsgrundsatzes nachzugehen hat. Ist also der Rechtspfleger der Ansicht, dass ein Erblasser bei Errichtung der Verfügung von Todes wegen möglicherweise testierunfähig war, hat er das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen. Dem Rechtspfleger obliegt in einem solchen Fall weder die Befragung von Zeugen noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
AUSGABE: ErbBstg 2/2025, S. 26 · ID: 50289632