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CBChefärzteBrief

ArbeitsrechtWeniger „Chefarzterfahrung“ als im Bewerbungsgespräch angegeben ist keine arglistige Täuschung

Abo-Inhalt21.05.20256028 Min. LesedauerVon RA, FA MedR, ArbR und Handels- und GesR Benedikt Büchling und RAin Jule Vehrenberg, Kanzlei am Ärztehaus, Hagen

| Wer sich als ärztlicher Direktor bewirbt, hat im Bewerbungsverfahren bessere Chancen, wenn er Führungserfahrung angibt. Wird ein Arzt aufgrund dieser Angaben eingestellt und stellt sich während seiner Tätigkeit heraus, dass die Führungserfahrung nicht im vom Arbeitgeber erwarteten Umfang vorliegt, ist dies noch keine arglistige Täuschung. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung nur anfechten, wenn er dem Arzt zuvor hinreichend deutlich gemacht hat, welche entsprechenden Chefarzterfahrungen entscheidende Voraussetzung für seine Einstellung waren. Erst dann kann der Arzt erkennen, dass es dem Arbeitgeber maßgeblich auf die entsprechenden Chefarzterfahrungen ankam (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 31.10.2024, Az. 8 Sa 641/23). |

Ärztlicher Direktor klagt erfolgreich gegen Kündigung

In einem Bewerbungsgespräch Anfang 2023 gab ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an, zuvor auf Honorarbasis die Vertretung für Chef- und Oberärzte wahrgenommen zu haben. Daraufhin wurde er als ärztlicher Direktor eingestellt. Mitte des Jahres 2023 erklärte der Träger die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Begründung: Der Facharzt habe seit seiner Anstellung als ärztlicher Direktor mangels ausreichender Erfahrung weder Chefarztvertretungen noch typische Führungsaufgaben eines Chefarztes übernommen. Wären der Arbeitgeberin die fehlenden Erfahrungen vor Vertragsabschluss bekannt gewesen, hätte sie den Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen. Ferner kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis hilfsweise außerordentlich fristlos. Der Facharzt habe während des laufenden Arbeitsverhältnisses erneut fehlerhafte Angaben zu seinen Chefarzterfahrungen gemacht.

Der Facharzt klagte und bekam in erster Instanz Recht: Das Arbeitsgericht Köln führte aus, dass sowohl die Anfechtung des Arbeitsvertrags als auch die außerordentliche Kündigung durch die Arbeitgeberin unwirksam sei (Urteil vom 25.10.2023, Az. 2 Ca 4147/23). Im Berufungsverfahren vor dem LAG Köln vertrat der Träger weiterhin die Auffassung, dass die Angaben des Facharztes im Bewerbungsgespräch zu seinen Berufserfahrungen, insbesondere die angegebenen Chefarzterfahrungen, bewusst unzutreffend seien. Das LAG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.

Darum sah das LAG Köln keine arglistige Täuschung

Das LAG Köln urteilte, dass der Träger ein arglistiges Verhalten des Facharztes bei seinen Angaben zur Berufserfahrung nicht nachgewiesen habe. Voraussetzung für ein arglistiges Verhalten sei, dass dem Facharzt während des Bewerbungsverfahrens bewusst war, dass ihn die Arbeitgeberin bei Kenntnis unzureichender Chefarzterfahrung nicht als ärztlichen Direktor eingestellt hätte.

Der Träger habe gegenüber dem Facharzt jedoch nicht hinreichend deutlich gemacht, dass entsprechende Chefarzterfahrungen entscheidende Voraussetzung für seine Einstellung und Tätigkeit als ärztlicher Direktor seien. Für den Facharzt sei nicht erkennbar gewesen, welche konkreten Erfahrungen in welcher Einrichtung und welchem Zeitraum für seine Einstellung ausschlaggebend sein sollten. Da der Träger keine weiteren Nachfragen zu Art und Umfang seiner Erfahrungen als Chefarzt gestellt habe, musste dem Facharzt nicht bewusst sein, dass der Träger die Chefarzterfahrung als entscheidend für den Abschluss des Arbeitsvertrages ansah. Auch habe der Träger nichts Konkretes dazu vorgetragen, warum der Facharzt keine oder lediglich nicht ausreichende Chefarzterfahrung vorgetäuscht habe.

Tipps für (Chef-)Ärzte als Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Chefärzte als Vertreter des Arbeitgebers (z. B. als ärztlicher Direktor sind gut beraten, die Art der geschuldeten Arbeitsleistung (Dienstaufgaben und Anforderungsprofil) bereits in der Stellenanzeige hinreichend zu konkretisieren. Die Art der geschuldeten Arbeit bestimmt sich regelmäßig nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Arbeitsvertrag. Wird ein Arzt für eine ganz bestimmte Tätigkeit eingestellt, so wird diese zum Vertragsinhalt. Der Arbeitgeber kann dann kraft seines allgemeinen Direktionsrechts sämtliche zumutbaren Arbeiten zuweisen, die sich innerhalb dieses Berufsbilds halten. Aufgrund der bestehenden Darlegungs- und Beweislastregelung sollten Arbeitgeber die Angaben des Arbeitnehmers zu seinen Berufserfahrungen und fachlichen Eignungen unter Verweis auf einen Personalfragenbogen dokumentieren. Dieser sollte erkennbar als wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrags bezeichnet werden. Auch auf eine mögliche Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber gemäß §§ 142, 123 (BGB) sollte hingewiesen werden (Musterklausel s. u.; Abruf-Nr. 50415740).

(Potenzielle) Arbeitnehmer sollten bewusste getätigte falsche Angaben zur eigenen fachlichen Eignung vermeiden, wenn sie erkennen, dass die gefragten Qualifikationen für den Arbeitgeber wesentlich sind. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber wesentliche Umstände verschweigt und für den Arbeitnehmer erkennbar eine Offenbarungspflicht bestand. Das gilt insbesondere dann, wenn sie eine schriftliche Dokumentation des wesentlichen Vertragsinhalts – etwa als in Bezug genommene Anlage zum Arbeitsvertrag – unterschreiben sollen.

Musterformulierung / Hinweis auf Anfechtung des Arbeitsvertrags

Dieser Personalfragebogen einschließlich der angegebenen Berufserfahrungen wird Bestandteil des Arbeitsvertrags, sofern er zustande kommt. Dem Arbeitnehmer ist bekannt, dass der Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung mit der Folge der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags (§§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB) oder zur Kündigung des Arbeitsvertrags – gegebenenfalls aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (§ 626 Abs. 1 BGB) – berechtigt sein kann, wenn sich nach Abschluss eines Arbeitsvertrags herausstellen sollte, dass eine zulässige Frage bewusst unwahr oder unvollständig beantwortet wurde. Ausgenommen davon sind Fragen, in denen dem Arbeitnehmer ein Recht zur Lüge (etwa Frage nach Schwangerschaft) zusteht.“

AUSGABE: CB 8/2025, S. 16 · ID: 50413519

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