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CBChefärzteBrief

Personal„Krankenhäuser, die offen für Diversität sind, haben weniger Fachkräftemangel!“

Abo-Inhalt10.04.20253958 Min. Lesedauer

| Als eine der ersten Fachgesellschaften hat die Deutsche Röntgengesellschaft ein Diversitäts-Netzwerk gegründet. Es heißt Diversity@DRG und will die Vielfalt fördern. Dr. med. Katharina Ronstedt, MBA, Kinderradiologin, Direktorin der Abteilung Kinderradiologie sowie Leiterin des Zentrums Radiologie am Klinikum Kassel, ist Sprecherin dieses Netzwerks. Ursula Katthöfer (textwiese.com) fragte sie, wie Krankenhäuser von diversen Teams profitieren können. |

Frage: Frau Dr. Ronstedt, was ist Ziel des Netzwerks Diversity@DRG?

Antwort: Zunächst einmal ist Diversität in der Radiologie etwas anderes als es mitunter an Hochschulen oder z. B. in der Sozialpädagogik verstanden wird. Es geht mitnichten darum, ältere weiße Männer zu marginalisieren. Vielmehr wollen wir Raum für andere schaffen, die inklusiv denken.

Frage: Warum wird dieser Raum gebraucht?

Antwort: Abweichung ist in der medizinischen Tradition unseres Landes hoch sanktioniert. Jemand mit einer körperlichen Behinderung oder nicht einwandfreien Deutschkenntnissen wird regelhaft als schwacher Teil eines Teams betrachtet. Die Medizin ist sehr hierarchisch. Dies führt dazu, dass Menschen sich an das System anpassen sollen, nicht umgekehrt. Ein Beispiel: Als Chefärztin habe ich Anspruch auf einen Parkplatz auf dem Klinikgelände – ob ich ihn brauche oder nicht. Ich weiß von einem schwerbehinderten Kollegen, der Dienste wahrnehmen kann, weil die Geschäftsführung ihm einen Parkplatz vor der Tür einrichtete. Doch im Team gab es Kritik, weil er nicht Chefarzt sei.

Frage: Zum Netzwerk Diversity@DRG gehören vier Fokusgruppen: Migrationsgeschichte@DRG, Radiologinnen@DRG, Queer@DRG und YesWeCanToo@DRG. Letztere haben Sie mitgegründet und sind Ansprechpartnerin. Was können Sie für Menschen mit Behinderungen tun?

Antwort: Wir weisen z. B. auf Behindertenbeauftragte hin und geben Hinweise zu Regelungen und Formularen. Doch sind in dieser Gruppe auch Menschen ohne Einschränkungen, die sich für eine inklusive Medizin interessieren. Auch für Führungskräfte ist es schwierig, jemanden mit Behinderung einzustellen. Man braucht Unterstützung, um Umbaumaßnahmen und den Beschäftigungssicherungszuschuss zu beantragen. Die Kommunikation ins Team ist oft sehr herausfordernd, da können wir unterstützen.

Frage: Welche Bedürfnisse haben die Mitglieder der Fokusgruppe Migrationsgeschichte?

Antwort: Sie haben mehrere ganz wesentliche Probleme. Da ist zum einen die strukturelle Diskriminierung. Menschen, die außerhalb der EU ihre Ausbildung abgeschlossen haben, müssen sich bei den Ärztekammern ihre Befähigung anerkennen lassen. Die Regelungen sind schlecht nachvollziehbar und nicht bundeseinheitlich, der bürokratische Aufwand ist immens. Gleichzeitig wird Menschen aus dem Ausland oft vermittelt, dass sie dafür dankbar sein müssten, in Deutschland arbeiten zu dürfen. Ist ihre Sprache quasi nicht muttersprachlich, wird ihre Kompetenz immer wieder infrage gestellt. Sagt jemand „die Lungentumor“, wird auf Kollegenebene schnell mal unterstellt, die Person habe von Lungentumoren gar keine Ahnung.

Frage: Sie sind seit Oktober 2024 Chefärztin des Instituts für Kinderradiologie am Klinikum Kassel. Wie fließen Diversity-Gesichtspunkte bei Ihren Entscheidungen ein?

Antwort: Ich achte sehr darauf, die Lebensumstände der Teammitglieder zu beachten, wenn wir die Arbeitsverteilung planen. Darauf Rücksicht zu nehmen, ob jemand Kinder oder pflegebedürftige Eltern hat, nützt auch mir: Die Atmosphäre im Team ist viel freundlicher und wertschätzender. Das gibt uns allen mehr Sicherheit. Das gilt ebenfalls, wenn Führungskräfte nach Lösungen suchen, weil eine Ärztin schwanger wird oder jemand mit Behinderung eingestellt werden soll: Der Druck ist viel geringer, wenn man bereits Erfahrungen damit gemacht hat und die Strukturen kennt. Das macht das Arbeiten viel entspannter.

Frage: Wo liegen die Vorteile für Kliniken, die nach Diversity-Gesichtspunkten handeln?

Antwort: Wer für Menschen, die oft Ausgrenzung erfahren, attraktiv ist, hat weniger Fachkräftemangel. Es ist ein geringerer Aufwand, die Bedingungen für jemanden zu schaffen, als dessen Arbeit zu übernehmen. Als ich kürzlich einen Vortrag zu Diversity hielt, merkte jemand kritisch an, dass gesunde, weiße Männer wirtschaftlich betrachtet am effektivsten seien. Ja, das stimmt. Aber es gibt von ihnen nicht genug, um die Arbeit zu schaffen.

Frage: Unsere Gesellschaft wandelt sich rasant. Wie sehen Sie die Zukunft der Diversität?

Antwort: Die Entwicklung zu mehr Diversität beginnt gerade erst. Sie hat nicht nur mit dem Fachkräftemangel zu tun. Auch ist der jüngeren Generation der Ärzteschaft wichtig, nicht als Arbeits-Bot betrachtet zu werden, sondern als Mensch Wertschätzung zu erfahren. Schließlich gibt es Bedarf, weil unsere Patienten divers sind. Ein total genormtes Team setzt sich nicht damit auseinander, dass Menschen unterschiedlich sind und auf unterschiedliche Art versorgt werden müssen. Ich brauche z. B. beim Ultraschall dunkelhäutiger Kinder meistens einen Schallkopf, der bei hellhäutigen Kindern für Größere gedacht ist. So etwas bringt einem kaum jemand bei. Das wird erst dann geschehen, wenn wir die einzelnen Menschen betrachten und wenn wir vom alleinerziehenden Vater bis zur schwerbehinderten Topmanagerin alle dabeihaben.

Frau Dr. Ronstedt, vielen Dank! L

Weiterführender Hinweis

AUSGABE: CB 8/2025, S. 8 · ID: 50339507

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