FeedbackAbschluss-Umfrage
CBChefärzteBrief

ArzthaftungsrechtNachgeordnete Ärzte müssen Anweisungen und Handlungen ihrer Vorgesetzten hinterfragen

Abo-Inhalt05.03.20253598 Min. LesedauerVon RA, FA MedR, ArbR und Handels- und GesR Benedikt Büchling, Hagen

| Verstößt ein von einem vorgesetzten Arzt angeordnetes Vorgehen in der konkreten Behandlungssituation gegen medizinisches Basiswissen und begründet es erkennbar erhöhte Risiken, aber keine Vorteile für den Patienten, so sind nachgeordnete Ärzte verpflichtet, dieses Vorgehen kritisch zu hinterfragen (sog. Remonstrationspflicht, vgl. Ende des Beitrags). Andernfalls haften sie persönlich. Im Falle eines groben Behandlungsfehlers und der damit verbundenen Beweislastumkehr können sie sich nicht darauf berufen, auf Anordnung des vorgesetzten Arztes gehandelt zu haben (Oberlandesgericht [OLG] Köln Urteil vom 27.01.2025, Az. 5 U 69/24). |

Patientin verstirbt nach gynäkologischem Eingriff

Eine Assistenzärztin im dritten Weiterbildungsjahr und eine Oberärztin der Gynäkologie operierten eine Patientin, nachdem bei ihr Hypermenorrhoe in Verbindung mit einem bekannten Uterus myomatosus diagnostiziert worden war. Bei dem Eingriff verstarb die Patientin, ohne seit Einleitung der Narkose das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

So lief der Eingriff im Detail ab

  • Zunächst erfolgte eine Kürettage des Gebärmutterhalses, gefolgt von einer mehrfachen Einführung des Hysteroskops. Dabei setzten die Ärztinnen ein monopolares Resektoskop ein, um einen vorhandenen Polypen vollständig zu entfernen. Als Spülmittel nutzten sie etwa 2,5 l destilliertes Wasser.
  • In der Folge kam es bei der Patientin zu einer Asystolie. Diese erforderte eine 25-minütige kardiopulmonale Reanimation durch das Team der Anästhesie. Nach Stabilisierung wurde die Patientin intubiert und zur weiteren Behandlung auf die interdisziplinäre Intensivstation verlegt.
  • Wegen des Verdachts auf eine intraabdominelle Blutung erfolgte eine Laparotomie, bei der etwa 1,5 l nicht geronnenes Blut in der Bauchhöhle abgesaugt wurden. Es zeigte sich eine Blutung am Ligamentum falciforme hepatis mit einem oberflächlichen Riss in der Leberkapsel. Das Ligament wurde reseziert und die Blutung an der Leberoberfläche gestillt.
  • Im Anschluss wurde die Patientin aufgrund der Reanimationsmaßnahmen prophylaktisch gekühlt und die intensivmedizinische Behandlung wurde fortgesetzt.
  • Da ein Hirnödem auftrat, wurde eine Therapie zur Hirndrucksenkung eingeleitet. Trotz neurochirurgischer und neurologischer Untersuchung wurde auf eine Verlegung in ein Krankenhaus der Maximalversorgung verzichtet.
  • Die Patientin verstarb schließlich an einem protrahierten Schock und Multiorganversagen.

Erben verklagen operierende Ärztinnen und das Krankenhaus

Die Erben der Patientin verklagten die beiden Ärztinnen und das Krankenhaus auf Zahlung von Schmerzensgeld, da die Behandlung durch die Ärztinnen fehlerhaft sei. Die Verwendung des eingesetzten monopolaren Resektoskops stelle eine veraltete Operationstechnik dar. Außerdem sei als Distensionsmedium fehlerhaft destilliertes Wasser in den Blutkreislauf der Patientin eingebracht worden, was eine Hämolyse mit schwerwiegenden Folgen zur Folge gehabt habe. Die Patientin sei weder über die erheblichen Risiken des Eingriffs noch über die Verwendung einer veralteten Operationstechnik informiert worden. Durch die fehlerhafte Behandlung habe sich ein Hirnödem entwickelt und die Patientin sei letztlich an einem Multiorganversagen verstorben. Die Beklagten zahlten daraufhin einen Betrag von 30.000 Euro, der mit den Beerdigungskosten und dem Unterhaltsschaden verrechnet wurde.

Das Landgericht (LG) Köln sprach den Erben einen Schmerzensgeldanspruch gegen das Krankenhaus und die Oberärztin in Höhe von 8.000 Euro zu und stellte die Haftung für alle künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden fest (Urteil vom 21.05.2024, Az. 3 O 51/20). Das OLG bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen.

OLG sieht einen groben Behandlungsfehler ...

Das OLG sah wie die Vorinstanz einen Anspruch der Erben auf Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB wegen eines groben Behandlungsfehlers. Die Hysteroskopie, bei der destilliertes Wasser statt einer isotonischen Lösung als Distensionsmedium verwendet wurde, um die Gebärmutterhöhle zu entfalten, habe den medizinischen Standards widersprochen. Der gerichtlich bestellte Gutachter habe bestätigt, dass es sich bei der Wahl von destilliertem Wasser um einen groben Behandlungsfehler handle. Destilliertes Wasser sei für den Einsatz in der Gebärmutterhöhle ungeeignet, da es nicht in die Blutbahn gelangen dürfe – eine Grundregel, die bereits Medizinstudenten lernen würden. Der Fehler habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hämolyse verursacht, was wiederum zum Hirnödem und letztlich zum Tod der Patientin geführt habe.

... sowie eine Mitverantwortung der Assistenzärztin!

Auch die Assistenzärztin habe grob behandlungsfehlerhaft gehandelt, indem sie gegen die ihr obliegende Remonstrationspflicht verstoßen habe. Der Sachverständige habe festgestellt, dass die durch destilliertes Wasser hervorgerufenen Risiken als medizinisches Basiswissen bezeichnet werden können. Insoweit habe die Assistenzärztin die Verpflichtung getroffen, diesbezüglich zumindest fachliche Fragen aufzuwerfen. Dies habe sie indes schuldhaft unterlassen, da sie lediglich angab, dass sie die Ausführungen der Oberärztin wegen der Hierarchie nicht infrage gestellt habe.

Exkurs: Hierarchische Struktur und Remonstrationspflicht

Ein Assistenzarzt darf auf die vom Facharzt angeordneten Maßnahmen vertrauen, sofern nicht für ihn erkennbare Umstände hervortreten, die ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Der nachgeordnete ärztliche Dienst ist in eine hierarchische Struktur eingebunden, die ihn auch haftungsrechtlich schützt und die, soweit er sich im Rahmen dieser Unterordnung bewegt, die deliktische Verantwortung einschränken kann. Bei der sogenannten vertikalen Arbeitsteilung ist der nachgeordnete Arzt an die Anweisungen des ihn leitenden Arztes gebunden. Der nachgeordnete Arzt haftet daher nur bei einem allein von ihm zu verantwortenden Verhalten, etwa, weil ihm eine Behandlung zur selbstständigen Ausführung überlassen wird, wenn er durch voreiliges Handeln einer ihm erteilten Anweisung der ärztlichen Leitung zuwiderhandelt, er pflichtwidrig eine gebotene Remonstration unterlässt oder ihm ein Übernahmeverschulden vorgehalten werden kann. Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Verhältnis zwischen Oberarzt und Chefarzt sowie analog zwischen Chefarzt und Krankenhausträger (CB 11/2020, Seite 3 ff.).

AUSGABE: CB 4/2025, S. 6 · ID: 50325731

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte