Vertragsarztrecht
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ChefarztvertragWelche Pflichten haben Chefärzte über das Ende des Chefarztvertrags hinaus?
| Frage: „In welchem Umfang ist ein angestellter (Chef-)Arzt nach Renteneintritt noch verpflichtet, seinen früheren Arbeitgeber bei Haftungsfällen, in Klageverfahren etc. zu unterstützen und hierbei mitzuwirken?“ |
Antwort: Grundsätzlich bewirkt das Ende des Chefarztvertrags auch das Ende der Hauptleistungspflichten, nicht aber der vertraglichen Nebenpflichten. Der Chefarztvertrag ist ein Arbeitsvertrag besonderen Inhalts und besonderen Umfangs. Nicht selten umfasst das Vertragswerk 12, 14 oder auch bis zu 20 DIN-A4-Seiten. Hintergrund ist, dass die Tätigkeit des Chefarztes im Krankenhaus in der Vergangenheit wesentlich von freiberuflichen Elementen geprägt war. So war der Chefarzt berechtigt, im Rahmen einer als Nebentätigkeit genehmigten „eigenen Praxis“ wahlärztliche und ambulante Leistungen zu erbringen, die eine exakte Differenzierung zwischen Dienstaufgaben einerseits und genehmigten Nebentätigkeiten andererseits erforderte. Wenngleich derartige Leistungen heutzutage zunehmend Dienstaufgabe sind, gehen die früheren Elemente freiberuflicher Tätigkeit noch immer erkennbar in der Gestaltung des Chefarztvertrages auf.
Haupt- und Nebenleistungspflichten
Bei einem derart umfangreichen Vertragswerk sind die das Arbeitsverhältnis bestimmenden wechselseitigen Hauptleistungspflichten konkret geregelt. Diese bestehen aufseiten des Arbeitgebers in der vertragsgemäßen Beschäftigung und Zahlung der vereinbarten Vergütung und aufseiten des Chefarztes in der Erbringung der vertraglich geschuldeten Dienste, also der Arbeitsleistung.
Über die Hauptleistungspflichten hinaus bestehen wechselseitig Nebenpflichten, die teilweise vertraglich konkret geregelt werden, teilweise kraft Gesetzes oder auch ohne ausdrückliche schriftliche Bestimmung gelten, weil sie dem Arbeitsverhältnis immanent sind.
Nebenpflichten sind insbesondere im Arbeitsverhältnis besonders ausgeprägt, weil es sich um ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis handelt, die Vertragspartner intensiv und zeitlich umfangreich zusammenarbeiten und insbesondere bei einer derart exponierten Position wie der des Chefarztes ein besonderes Vertrauensverhältnis entsteht und auch Voraussetzung ist.
Zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers gehört beispielsweise die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitsschutzes, gesetzlich fixiert u. a. im Arbeitsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz etc., sodann des Datenschutzes, der Gleichbehandlung oder auch die Erteilung eines Zeugnisses.
Das gehört zu den Nebenpflichten im Chefarztvertrag |
Zu den Nebenpflichten des Arbeitnehmers, hier des Chefarztes, gehören insbesondere die Loyalitätspflicht, die Verschwiegenheit im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die Unterlassung von Wettbewerb während der Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Wahrung des Betriebsfriedens sowie des zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellten Eigentums des Arbeitgebers und die Bewahrung des Arbeitgebers vor Schäden. Das bedeutet, der Chefarzt hat seine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen unter Wahrung der Interessen des Arbeitgebers sowie seiner Mitarbeiter zu erfüllen. |
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Hauptleistungspflichten enden mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sei es durch wirksame Kündigung, einvernehmliche Aufhebung oder altersbedingt durch Erreichung des Rentenalters, besteht keine Pflicht mehr zur Erbringung der Arbeitsleistung bzw. zur Vergütung der Arbeitsleistung. Dagegen können vertragliche Nebenpflichten aber über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schweigen. Andere Nebenpflichten enden mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses; so ist dem Chefarzt die Aufnahme einer konkurrierenden Tätigkeit erlaubt, soweit kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart wurde.
Mitwirkung bei Haftungsfällen, Klageverfahren etc.
Aus den vorstehend skizzierten Nebenpflichten des Chefarztes, den Arbeitgeber vor Schäden zu bewahren, ergibt sich die Verpflichtung, den Krankenhausträger in Haftungsfällen und gerichtlichen Schadenersatzprozessen zu unterstützen. Diese Nebenpflicht endet grundsätzlich auch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie besteht darüber hinaus fort, soweit der Arzt zur Abwehr von Schadensersatzansprüchen aufgrund seiner Involvierung in die Behandlung und damit aufgrund eigener Erfahrungen und Erinnerungen an den jeweiligen Behandlungsfall sowie aufgrund spezifischer Fachkenntnisse mehr dazu beitragen kann, als sich aus der Patientendokumentation ergibt.
Umgekehrt besteht keine nachvertragliche Pflicht, als „kostenloser Sachverständiger“ für den ehemaligen Arbeitgeber zu fungieren und einen Behandlungsfall zu beurteilen, an dem der Chefarzt nicht beteiligt war, also nur nach Aktenlage; die Beantwortung der Frage „Hat der Arzt XY alles richtig gemacht“, obläge dann dem Nachfolger im Amt.
Cave: Ehemalige oder scheidende (Chef-)Ärzte sind häufig als Prozesspartei involviert |
Klagen auf Schadenersatz richten sich nicht selten neben dem Krankenhausträger auch gegen den – u. U. nun ehemaligen – (Chef-)Arzt, sodass er als Prozesspartei persönlich involviert ist und sich auch hieraus seine Mitwirkungspflicht ergibt. Schlussendlich ist zu bedenken, dass zunehmend im Zusammenhang mit Klagen auf Schadenersatz – nicht zuletzt auch aus Kostengründen – auch Strafanzeigen gestellt werden, die sich dann ebenfalls gegen den (Chef-)Arzt persönlich richten und er im ureigensten Interesse an der Abwehr der Ansprüche mitwirken sollte. Je früher entsprechenden Ansprüchen fachkundig begegnet wird, desto eher lassen sich rechtliche und öffentlichkeitswirksame Weiterungen vermeiden, die weder im Interesse des Krankenhauses noch des (Chef-)Arztes sein dürften. |
AUSGABE: CB 4/2025, S. 14 · ID: 50285485