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Personal„Simulationstrainings verbessern die Performance des medizinischen Personals deutlich!“
| Schulterdyskotie, postpartale Blutung, eklamptischer Anfall, Beckenendlagegeburt, fetale Reanimation, Notsectio – Komplikationen unter der Geburt gefährden das Leben von Mutter und Kind. Um Teams aus der Geburtshilfe auf schwierige Situationen vorzubereiten, helfen Simulationstrainings. Dr. Cordula von Kleinsorgen, Fachärztin für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, ist Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe im Perinatalzentrum Level I der Christophorus Kliniken Coesfeld. Als Simulations- Instruktorin trainiert sie das Team an ihrer Klinik zu Notfallsituationen und gibt ihr Wissen bei Kongressen weiter. In der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM) vertritt sie die AG Geburtshilfliches Simulationstraining. Ursula Katthöfer (textwiese.com) sprach mit ihr. |
Frage: Frau Dr. von Kleinsorgen, worum geht es beim Simulationstraining im Detail?
Antwort: Das Simulationstraining kommt ursprünglich aus der Luftfahrt. Ziel ist das Üben einer Notfallsituation unter realen Bedingungen. Ein besonderer Fokus wird dabei auf Kommunikation, Situationsbewusstsein, Teamwork und Führung gelegt. Es geht nicht darum, wie ich als Pilot mein Flugzeug technisch lenke. Vielmehr geht es darum, wie ich mein Team aus Co-Piloten und Kabine lenke, wenn es während des Flugs schwerwiegende Probleme gibt, also darum, die oben genannten Non-Technical skills in einer Notfallsituation zu trainieren. Professor Dr. Franz Kainer aus Nürnberg hat die Simulation als einer der Ersten in Deutschland in die Geburtsmedizin übertragen. Ähnlich wie in der Luftfahrt arbeiten wir mit multidisziplinären Teams. Je ausgeprägter der Notfall, desto größer das Team aus Hebammen, Geburtshelfern, Anästhesie, Neonatologie und Pflege. Je komplizierter der Notfall, desto höher der Stresslevel. Und je höher der Stresslevel, desto schlechter funktioniert das Teamwork.
Frage: Spielen wir das am Notfall der postpartalen Blutung durch. Was geschieht?
Antwort: Ich bekomme einen Anruf und höre nur: „Notfall, kommen Sie in Kreißsaal 3.“ Ich reiße die Tür auf, mich sehen vier Augenpaare erschrocken an: Mutter, Vater, Hebamme, Assistenzärztin. Ich habe keine Ahnung, was los ist, und muss alle Informationen mühsam erfragen. Zeit, die mir verloren geht, um die Patientin adäquat zu behandeln. Im schlimmsten Fall gehen wichtige Informationen verloren. Ich erfahre endlich, was los ist, ein Anästhesist wird gerufen. Er kommt in den Raum, alle drehen ihm den Rücken zu. Auch er bekommt keine Informationen, weil alle in diesem Szenario mit sich und dem Notfall beschäftigt sind. Genauso haben wir es in einem Simulationstraining erlebt. Als das Team später den isolierten Anästhesisten im Film sah, dachten alle: Das kann nicht wahr sein.
Frage: Sie filmen das Simulationstraining, um es anschließend im sogenannten Debriefing zu besprechen. Worauf kommt es dabei an?
Antwort: Das Debriefing ist das Herzstück des Trainings. Wenn etwas schlecht läuft, ist es häufig nicht der Fehler eines Einzelnen, sondern eine Fehlerkette. Das besprechen wir im Debriefing. Die Simulation dauert etwa 15 Minuten. Die Teilnehmenden erholen sich kurz, trinken etwas. Dann startet das Debriefing, welches bis zu einer Stunde dauert. Oft sind die Teilnehmenden nicht mit sich zufrieden. Deshalb braucht es Instruktoren, die gelernt haben, die Fehler sichtbar zu machen und sie in Ruhe zu besprechen. Am Ende sollen alle Teilnehmenden ein gutes Gefühl haben und positiv gestärkt aus der Simulation gehen. Die Teilnahme an der Simulation ist freiwillig. Alles, was im Debriefing besprochen wird, bleibt im Raum. Der Film wird gelöscht. Sollte ich ihn für eine Fortbildung brauchen, müssen alle zustimmen.
Frage: Wie nachhaltig ist so ein Training?
Antwort: Es ist sehr beeindruckend zu sehen, wie sich die Kommunikation nach einem Training verbessert. Als junge Ärztin hatte ich eines meiner Aha-Erlebnisse. Wir simulierten in einem sehr engen Raum einen Krampfanfall. Ich war so gestresst, dass ich einer in den Deckel einer Box geklebten Anleitung nicht folgen konnte, um ein Medikament zu spritzen. Wir haben daraus gelernt, dass einer liest und ein anderer die Spritze zusammensteckt. Auch habe ich trainiert auszusprechen, wo meine Schwächen liegen. Ich kann z. B. unter Stress nicht rechnen. So viele Milliliter bei so viel Kilogramm Körpergewicht – keine Chance. Man lernt, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen – in meinem Fall muss jemand anders rechnen.
Frage: Wie oft sollte es ein Simulationstraining geben?
Antwort: Wir halten es für so wichtig, dass wir einmal im Quartal eine große Simulation machen. Dazu stellen wir Ärzte, Hebammen und Pflegende frei. Für einen Vormittag kürzen wir die Sprechstunden und planen keine Kaiserschnitte. Wenn die Zeit es erlaubt und das passende Instruktorenteam da ist, machen wir kleine, zum Teil unangekündigte Simulationen.
Frage: Hat das Simulationstraining für das Krankenhaus Kostenvorteile?
Antwort: Die Trainings verbessern die Performance des medizinischen Personals deutlich. Es passieren weniger lebensbedrohliche Fehler am Patienten. Das führt zu weniger Versicherungsfällen. Hinzu kommt, dass das Personal zufriedener ist. Ein gutes Debriefing stärkt das Selbstbewusstsein. Es spricht sich herum, dass wir für eine gute Ausbildung Raum schaffen. Das wiederum hat zur Folge, dass Hebammen und Ärztinnen sich bei uns bewerben.
Frau Dr. von Kleinsorgen, vielen Dank für das Gespräch!
- Weitere Infos zum Thema erhalten Sie bei der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Simulation in der Medizin e. V. (dgsim.de) sowie unter iww.de/s12449
AUSGABE: CB 4/2025, S. 4 · ID: 50316028