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CBChefärzteBrief

KooperationenExterne Dienstleister dürfen keine Medizintouristen gegen Entgelt vermitteln

Abo-Inhalt10.03.20253999 Min. LesedauerVon RA Dr. Matthias Losert, LL.M., Berlin

| Ein Vertrag zwischen einem externen Dienstleister und einer Klinik, wonach der Dienstleister der Klinik gegen Provision Patienten aus dem Ausland vermittelt, ist sittenwidrig und daher unwirksam (Landgericht [LG] Stuttgart, Urteil vom 22.11.2024, Az. 14 O 67/20). Das Urteil verbietet nicht den Medizintourismus an sich, macht Kliniken aber bei der Akquisition von Patienten aus dem Ausland neue Vorgaben. |

Dienstleisterin klagt erfolglos auf Zahlung ausstehender Provision

Eine Klinik, die in der Rechtsform eines kommunalen Eigenbetriebs geführt wurde, schloss einen Kooperationsvertrag mit einer externen Dienstleisterin, die der Klinik sogenannte Medizintouristen aus dem Ausland zuführte. Es handelte sich u. a. um Patienten aus Kuwait, Bahrain, Libyen, Katar, Russland und der Ukraine. Es wurde vereinbart, dass die Dienstleisterin 20 Prozent der gesamten Behandlungskosten als Provision erhielt. Die Dienstleisterin erbrachte dafür Übersetzungsdienstleistungen, Visa- und Fahrdienste, Unterstützung bei der schnellen Begleichung von Rechnungen und unterhielt eine 24-Stunden-Hotline für die Betreuung der ausländischen Patienten. Die Dienstleisterin verpflichtete sich, das Klinikum bei der Akquise von neuen Medizintouristen aktiv zu unterstützen, u. a. durch das Unterhalten von Auslandsbüros. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass die Dienstleisterin nach außen nicht als Vermittlerin, sondern als Dienstleisterin für die Klinik auftritt und über ihre Tätigkeit Stillschweigen bewahrt. Die Klinik unterhielt zur administrativen Abwicklung des Geschäfts mit den Medizintouristen eine eigene Abteilung mit der Bezeichnung „International Unit“.

Im Jahr 2017 beendete das Klinikum die Zusammenarbeit mit der Dienstleisterin wegen rechtlicher Bedenken. Die Dienstleisterin war der Ansicht, dass ihr noch offene Vergütungen für die Vermittlung von kriegsversehrten Patienten im Auftrag des libyschen Verteidigungsministeriums zustünden. Sie erhob daher im Jahr 2020 Klage gegen das Klinikum auf Zahlung der ausstehenden Vergütungen. Das LG Stuttgart wies die Klage ab.

Darum hielt das LG Stuttgart den Vertrag für unwirksam

Das Gericht war der Ansicht, dass der zugrunde liegende Vertrag unwirksam sei. Zwar verstoße der Vertrag gegen kein gesetzliches Verbot, sei aber nach § 138 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sittenwidrig. Sittenwidrig sei ein Vertrag, wenn er dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspreche. Diese Auffassung habe sich in der ständigen Rechtsprechung seit einer Entscheidung des Reichsgerichts (RG) aus dem Jahr 1901 durchgesetzt (stRspr. seit RG, Urteil vom 11.04.1901, Az. VI 443/00). Die Vermittlung von Patienten gegen Entgelt widerspreche den Wertentscheidungen der Rechtsordnung.

Das Gericht stellt darauf ab, dass niedergelassenen Ärzten die Vermittlung von Patienten untersagt sei und dies auch für Kliniken gelten müsse. Der Vermittlung von Patienten gegen Entgelt liege der Gedanke zugrunde, dass die Zuweisungsentscheidung eines Arztes sich ausschließlich an medizinischen und nicht monetären Gesichtspunkten orientieren solle. Diesen medizinischen Gesichtspunkten werde bei einer Zuweisungsentscheidung durch medizinische Laien erst recht nicht Rechnung getragen.

Auch das sogenannte Klinikprivileg sei hier nicht anwendbar. Das Klinikprivileg fuße darauf, dass die Krankenhäuser anders als niedergelassene Ärzte einen höheren personellen und sachlichen Aufwand hätten und daher auf Werbung angewiesen wären. Da es hier aber nicht um Werbung gehe, sei das Klinikprivileg hier nicht anwendbar.

Kritik: Das Urteil stuft ein nicht verbotenes Verhalten als unzulässig ein

Es ist schon bemerkenswert, dass das LG Stuttgart hier ein an sich nicht verbotenes Verhalten mit Verweis auf die Generalklausel der Sittenwidrigkeit als unzulässig bewertet. Denn die Vermittlung von Kunden ist in anderen wirtschaftlichen Sektoren allgemein anerkannt. Und im vorliegenden Fall müsste in der Bevölkerung ein breiter Konsens darüber bestehen, dass die organisatorische Unterstützung bei der Behandlung von ausländischen Patienten ein moralisch fragwürdiges Unterfangen wäre. Das Gegenteil davon ist jedoch der Fall. Viele Bürger begrüßen es, wenn Patienten in Deutschland behandelt werden, die in ihren Heimatländern keinen Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung haben. Ferner begrüßen es auch viele Bürger, wenn deutsche Kliniken Gewinne erwirtschaften. Selbstredend gibt es auch andere Stimmen, die Gefahren für die Versorgung von einheimischen Patienten sehen, wenn Medizintouristen aus dem Ausland behandelt werden. Aber wenn ein Thema kontrovers diskutiert wird, kann von einer Verletzung des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden keine Rede sein.

Wenn dem Gesetzgeber der Medizintourismus missfällt, steht es ihm frei, diesen gesetzlich zu verbieten. Das Vermittlungsverbot für Kliniken ist nämlich nicht in allen Landeskrankenhausgesetzen aufgeführt, so auch nicht in dem hier betroffenen Land Baden-Württemberg, was auch gegen die Sittenwidrigkeit spricht.

Fazit und Praxistipp | Das LG Stuttgart sieht im vorliegenden Urteil nur die entgeltliche Vermittlung von Medizintouristen als unzulässig an. Medizintourismus ist jedoch erlaubt und kann auch unter den Vorgaben dieser Rechtsprechung umgesetzt werden. Es muss nur bei der organisatorischen Abwicklung darauf geachtet werden, dass diese Leistungen nicht durch externe Dienstleister, sondern durch Angestellte der Kliniken erbracht werden. Provisionszahlungen an die Angestellten könnten dann arbeitsvertraglich im Rahnen eines Bonussystems an das Erreichen bestimmter Umsätze geknüpft werden.

AUSGABE: CB 4/2025, S. 18 · ID: 50341193

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