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CBChefärzteBrief

GesetzgebungDiese Änderungen sieht der Gesetzentwurf zur Krankenhausreform vor

Abo-Inhalt30.08.2024423 Min. LesedauerVon RA, FA ArbR, MedR und HGR, Benedikt Büchling, und Justus Böhm, Kanzlei am Ärztehaus, Hagen

| Am 17.06.2024 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz; KHVVG) vorgelegt. Ob der Entwurf tatsächlich 1:1 so beschlossen wird, ist fraglich, denn er ist unter Verbänden, Politikern und unabhängigen Fachleuten umstritten (vgl. Interview, Abruf-Nr. 50105217). Zwar beträfe eine Realisierung des Entwurfs auch das kollektive Arbeitsrecht und die Krankenhausplanung. Da der CB aber zielgruppenorientiert berichtet, befasst sich der Beitrag mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs und dessen möglichen Folgen für die Arbeit des Chefarztes. Ein Folgebeitrag (Abruf-Nr. 50139441) erläutert die möglichen Auswirkungen auf das Chefarztvertragsverhältnis. |

Entwicklung bis heute

Der Abbau von Überkapazitäten zugunsten der Struktur- und Behandlungsqualität war bereits im Jahre 2015 eines der Ziele der Krankenhausreform von Union und SPD. Neben dem Abbau von Überkapazitäten und der Einführung von Qualitätsparametern sah das damalige Krankenhausstrukturgesetz noch weitere Änderungen, etwa im Bereich von Zuschlägen, Mengensteuerung und Verweildauer, vor. Kritische Stimmen vertraten die Auffassung, dass Strukturqualität nicht gleichbedeutend mit Behandlungsqualität sei. Nunmehr unternimmt das BMG einen neuen Versuch zum Zwecke der Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität und der Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patienten.

Der aktuelle Entwurf befand sich am 05.07.2024 in erster Lesung im Bundesrat. Am 25.09.2024 findet die Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Das Gesetz soll zum 01.01.2025 in Kraft treten.

Diese Ziele und Maßnahmen gibt der Gesetzentwurf vor

Der Gesetzentwurf sieht drei Ziele vor: 1. die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, 2. die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patienten sowie 3. die Entbürokratisierung. Diese Ziele sollen durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

Krankenhausplanung nach bundeseinheitlichen Leistungsgruppen

Leistungsgruppen bilden medizinische Leistungen ab. Unter der Einführung von Leistungsgruppen durch den Entwurf werden Qualitätsanforderungen und Mindestvorhaltezahlen für die einzelnen Leistungen festgelegt. Die Zuweisung und Aufhebung dieser Gruppen wird in § 6a KHG geregelt. Die Leistungsgruppen sollen einerseits zu einer einheitlichen strukturierten Krankenhausplanung und andererseits Voraussetzung für die Leistungsvergütung und Zuteilung der Vorhaltevergütung (s. u.) sein. Dies wird durch Zusammenfassungen von Behandlungen unter den entsprechenden Fachrichtungen umgesetzt. Die Leistungen der Krankenhausbehandlung werden nach 65 Leistungsgruppen differenziert, die in Anlage 1 zu § 135 lit. e Sozialgesetzbuch (SGB) V mitsamt den zu erfüllenden Qualitätskriterien aufgelistet sind (online unter iww.de/s11421).

Diese Zusammenschlüsse, ohne Schließung, aber mit Reduzierung des Leistungsspektrums, werden sich auch auf den Chefarzt auswirken. Restrukturierungsmaßnahmen in Form von krankenhausübergreifenden Kooperationen, Umwandlungen in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, Zusammenschlüssen von Fachabteilungen und Leistungsgruppen an einem Standort, Versetzungen bis hin zu Standortschließungen sind die absehbaren Folgen. Daran knüpfen weitere individual- (Wirksamkeit von Dienstanweisung, Reichweite des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts des Arbeitgebers; Direktionsrecht, Versetzungen, Arbeitnehmerüberlassung, Personalgestellung; Änderungs- und Beendigungskündigungen bis hin zu Massenentlassungen) sowie kollektivarbeitsrechtliche Folgefragen an, wie ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung bzw. des Betriebsrats (Betriebsrat nach §§ 99 ff. Betriebsverfassungsgesetz [BetrVG] bzw. § 102 BetrVG oder Mitarbeitervertretrungsordung [MAVO] etc.) sowie Betriebsänderungen gemäß § 111 BetrVG und Betriebsübergang gemäß § 613a BGB.

Einführung einer Vorhaltevergütung

Die Einführung der Vorhaltevergütung ergänzt das bisherige Vergütungssystem um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen. Dadurch soll die Vorhaltung von Krankenhausstrukturen weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Die Intention dahinter ist es, dadurch den Anreiz für die Krankenhäuser zu senken, hohe Fallzahlen durch wirtschaftlich lukrative, aber medizinisch unnötige Behandlungen zu produzieren.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sind Krankenhäuser, die besonders im ländlichen Raum bzw. in struktur- und bevölkerungsschwachen Regionen wohnortnah ein Leistungsspektrum von stationären Krankenhausbehandlungen mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden sollen. Ziel des Entwurfs ist es, weiterhin eine qualitätsgesicherte medizinische Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Die bisherigen Lücken in der ambulanten und pflegerischen Versorgung sollen durch dieses Leistungsspektrum geschlossen werden. Zu diesem Zweck werden u. a. auch kleinere Kliniken zusammengelegt.

Für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen werden zusätzliche ambulante Versorgungsmöglichkeiten, unter anderem in der hausärztlichen Versorgung, geschaffen. Der § 116a SGB V „Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung“ soll danach angepasst werden:

Geplante Anpassung des § 116a SGB V

  • (1) Der Zulassungsausschuss muss zugelassene Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine eingetretene Unterversorgung nach § 100 Absatz 1 oder einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf nach § 100 Absatz 3 festgestellt hat, auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Beseitigung der Unterversorgung oder zur Deckung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs erforderlich ist.
  • (2) Der Zulassungsausschuss muss sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen für das entsprechende Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung nach § 100 Absatz 1 festgestellt hat, auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Abwendung der drohenden Unterversorgung erforderlich ist.
  • (3) Der Zulassungsausschuss muss sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen in Planungsbereichen, in denen für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, auf deren Antrag zur hausärztlichen Versorgung ermächtigen.“

Kliniken könnten danach auf Antrag u. a. in unterversorgten Planungsbereichen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die genehmigenden Zulassungsausschüsse für Ärzte in der ambulanten Versorgung werden dabei von der Pflicht entbunden, die erteilten Ermächtigungsbeschlüsse nach zwei Jahren zu überprüfen. Der Zeitpunkt der Überprüfung steht im Ermessen des zuständigen Zulassungsausschusses und kann flexibel terminiert werden. Für die Vergütung sektorenübergreifender Einrichtungen ist ein sog. „Gesamtvolumen für alle Kosten“ vorgesehen, inklusive der Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser. Dabei wird über krankenhausindividuelle Tagesentgelte abgerechnet. Die bisherigen Vergütungsregelungen für ambulante Leistungen und Leistungen der Pflegeversicherung bleiben bestehen.

Einführung eines Transformationsfonds

Zum Umbau der Krankenhauslandschaft soll durch den Entwurf ein Transformationsfonds errichtet werden. Dieser soll ab 2026 verändert aus dem seit 2016 eingerichteten Krankenhausstrukturfonds, der noch in seiner bisherigen Fassung bis Ende 2025 bestehen bleibt, entstehen. Nach dem aktuellsten Entwurf soll die GKV die hälftigen Fondsmittel mitfinanzieren.

Liquiditätssicherung für Krankenhäuser

Der Entwurf sieht die Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen durch eine unterjährige Neuvereinbarung des Landesbasisfallwerts vor. Tariferhöhungen für Löhne und Gehälter von Krankenhausbeschäftigten können erstmals beim Landesbasisfallwert für das Jahr 2024 auf Verlangen einer Vertragspartei unterjährig und vollständig berücksichtigt werden. Insoweit wird anstatt der bislang hälftigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen eine vollständige Tariflohnrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen eingeführt.

Krankenhausabrechnungsprüfungen

Zum 01.01.2027 soll das bisherige Einzelfallverfahren bei Krankenhausabrechnungen auf eine strukturierte Stichprobenprüfung umgestellt werden. Die Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst (MD) sollen zukünftig lediglich stichprobenhaft erfolgen, auch für psychiatrische Einrichtungen. Dem MD Bund wird aufgegeben, bis zum 28.02.2026 ein Prüfkonzept zu erarbeiten. Auf dessen Basis soll der „DK-Bund-GKV-Spitzenverband“ bis zum 30.06.2026 die Einführung der Stichprobenprüfung vereinbaren.

Folgen für den Arbeitsalltag des Chefarztes

Chefärzte sind zur Erfüllung der Qualitätskriterien für die einzelnen geplanten Leistungsgruppen (vgl. Anlage 1 zu § 135 lit. e SGB V) gut beraten, die Einhaltung der jeweiligen Vorgaben (technische Ausstattung, Personal etc.) im Blick zu behalten. Gleichzeitig müssen sie die wirtschaftliche und betriebliche Rentabilität ihrer Abteilung sicherzustellen. D. h. im Einzelnen:

Herausforderungen für Chefärzte und offene Fragen

  • Die Einhaltung aller Einzelheiten der Qualitätsanforderungen in den Leistungsgruppen (technische Ausstattung, Personal etc.) ist Voraussetzung für die Vergütung. Dafür, dass die Qualitätsvorgaben eingehalten werden, ist der Chefarzt verantwortlich. Die sachgerechte Dokumentation und Kodierung nach DRG etc. ist regelmäßig Dienstaufgabe nach Chefarztvertrag.
  • Krankenhäuser erhalten die leistungsgruppenbezogene Vorhaltevergütung nur für diejenigen Leistungsgruppen, deren Qualitätskriterien sowie Mindestvorhaltezahlen sie grundsätzlich erfüllen und ihnen durch die Planungsbehörden der zuständigen Landesbehörde zugewiesen wurden. D. h., der Zuständigkeitsbereich des Chefarztes muss alle erforderlichen Leistungsbereiche umfassen, damit seine Abteilung bestimmte Leistungen erbringen und abrechnen darf.
  • Beispielhaft aus dem neuen § 135e I Nr.2a SGB V: Um in einer jeweiligen Leistungsgruppe im Krankenhaus tätig werden zu dürfen, müssen die Qualitätsanforderungen zur Erbringung verwandter Leistungsgruppen ebenfalls erfüllt werden. So darf ein Krankenhaus eine einfache Operation nur erbringen, wenn es neben einer Zuweisung der Leistungsgruppe Allgemeine Chirurgie auch über eine Diagnostik (Leistungsgruppe Allgemeine Innere Medizin) sowie eine Intensivbehandlung (Leistungsgruppe Intensivmedizin) am Standort verfügt.
  • Die Anzahl der Leistungserbringer wird durch den Entwurf reduziert, fortbestehende Kliniken werden u. a. auch einen deutlichen Mehraufwand erwarten dürfen.
  • Personalentlassungen werden zu einem Umbau des Arbeitsplatzes und neu zugeteilte Leistungsgruppen werden zu einem veränderten Berufsbild führen. Zusammenschlüsse, Umwandlungen, Kooperationen und Standortschließungen können zu einem Personalüberhang führen, sodass der CA auch in Bezug auf seine Abteilung mit Restrukturierungsmaßnahmen, etwa in Form von Personalabbau oder geteilter Führung, rechnen muss. Etwaigen Restrukturierungsmaßnahmen können chefarztvertragliche Vereinbarungen entgegenstehen
  • Trotz Einführung der Vorhaltevergütung dürfte der ökonomische Druck auf dem Chefarzt als Abteilungsverantwortlichem bestehen bleiben. Denn der Träger wird regelmäßig den Chefarzt verantwortlich machen, dass die mit dem neuen § 135f SGB V eingeführten Mindestvorhaltezahlen eingehalten werden.

Der Gesetzentwurf wird heftig kritisiert

Verschiedene Stellen bezweifeln, ob die Ziele des Entwurfs mit den geplanten Maßnahmen erreicht werden können. So erklärte z. B. der Marburger Bund (MB) am 13.03.2024 (online unter iww.de/s11407), der Gesetzentwurf lasse ein flächendeckendes Versorgungskonzept und einen konkreten Bezug zum Versorgungsbedarf vermissen. Der neue Gesetzentwurf sehe „als Maßnahme zur Entbürokratisierung“ lediglich eine vereinfachte, stichprobenhafte, Abrechnungsprüfung des MD vor. Zum Bürokratieabbau erklärte der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß, dass die Reform den bisherigen Bürokratieaufwand noch verschlimmere (Beitrag online vom 08.08.2024, Abruf-Nr. 50126671).

Zu den Autoren | RA Benedikt Büchling ist neben seiner anwaltlichen Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Hochschule Osnabrück tätig. Der Lehrauftrag wurde für Arbeitsrecht im Gesundheitswesen erteilt. Justus Böhm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Student der Rechtswissenschaften im 8. Semester (Universität Marburg)

AUSGABE: CB 9/2024, S. 12 · ID: 50124581

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