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GesetzgebungDiese Änderungen sieht der Gesetzentwurf zur Krankenhausreform vor
| Am 17.06.2024 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz; KHVVG) vorgelegt. Ob der Entwurf tatsächlich 1:1 so beschlossen wird, ist fraglich, denn er ist unter Verbänden, Politikern und unabhängigen Fachleuten umstritten (vgl. Interview, Abruf-Nr. 50105217). Zwar beträfe eine Realisierung des Entwurfs auch das kollektive Arbeitsrecht und die Krankenhausplanung. Da der CB aber zielgruppenorientiert berichtet, befasst sich der Beitrag mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs und dessen möglichen Folgen für die Arbeit des Chefarztes. Ein Folgebeitrag (Abruf-Nr. 50139441) erläutert die möglichen Auswirkungen auf das Chefarztvertragsverhältnis. |
Entwicklung bis heute
Der Abbau von Überkapazitäten zugunsten der Struktur- und Behandlungsqualität war bereits im Jahre 2015 eines der Ziele der Krankenhausreform von Union und SPD. Neben dem Abbau von Überkapazitäten und der Einführung von Qualitätsparametern sah das damalige Krankenhausstrukturgesetz noch weitere Änderungen, etwa im Bereich von Zuschlägen, Mengensteuerung und Verweildauer, vor. Kritische Stimmen vertraten die Auffassung, dass Strukturqualität nicht gleichbedeutend mit Behandlungsqualität sei. Nunmehr unternimmt das BMG einen neuen Versuch zum Zwecke der Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität und der Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patienten.
Der aktuelle Entwurf befand sich am 05.07.2024 in erster Lesung im Bundesrat. Am 25.09.2024 findet die Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Das Gesetz soll zum 01.01.2025 in Kraft treten.
Diese Ziele und Maßnahmen gibt der Gesetzentwurf vor
Der Gesetzentwurf sieht drei Ziele vor: 1. die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, 2. die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patienten sowie 3. die Entbürokratisierung. Diese Ziele sollen durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
Krankenhausplanung nach bundeseinheitlichen Leistungsgruppen
Leistungsgruppen bilden medizinische Leistungen ab. Unter der Einführung von Leistungsgruppen durch den Entwurf werden Qualitätsanforderungen und Mindestvorhaltezahlen für die einzelnen Leistungen festgelegt. Die Zuweisung und Aufhebung dieser Gruppen wird in § 6a KHG geregelt. Die Leistungsgruppen sollen einerseits zu einer einheitlichen strukturierten Krankenhausplanung und andererseits Voraussetzung für die Leistungsvergütung und Zuteilung der Vorhaltevergütung (s. u.) sein. Dies wird durch Zusammenfassungen von Behandlungen unter den entsprechenden Fachrichtungen umgesetzt. Die Leistungen der Krankenhausbehandlung werden nach 65 Leistungsgruppen differenziert, die in Anlage 1 zu § 135 lit. e Sozialgesetzbuch (SGB) V mitsamt den zu erfüllenden Qualitätskriterien aufgelistet sind (online unter iww.de/s11421).
Diese Zusammenschlüsse, ohne Schließung, aber mit Reduzierung des Leistungsspektrums, werden sich auch auf den Chefarzt auswirken. Restrukturierungsmaßnahmen in Form von krankenhausübergreifenden Kooperationen, Umwandlungen in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, Zusammenschlüssen von Fachabteilungen und Leistungsgruppen an einem Standort, Versetzungen bis hin zu Standortschließungen sind die absehbaren Folgen. Daran knüpfen weitere individual- (Wirksamkeit von Dienstanweisung, Reichweite des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts des Arbeitgebers; Direktionsrecht, Versetzungen, Arbeitnehmerüberlassung, Personalgestellung; Änderungs- und Beendigungskündigungen bis hin zu Massenentlassungen) sowie kollektivarbeitsrechtliche Folgefragen an, wie ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung bzw. des Betriebsrats (Betriebsrat nach §§ 99 ff. Betriebsverfassungsgesetz [BetrVG] bzw. § 102 BetrVG oder Mitarbeitervertretrungsordung [MAVO] etc.) sowie Betriebsänderungen gemäß § 111 BetrVG und Betriebsübergang gemäß § 613a BGB.
Einführung einer Vorhaltevergütung
Die Einführung der Vorhaltevergütung ergänzt das bisherige Vergütungssystem um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen. Dadurch soll die Vorhaltung von Krankenhausstrukturen weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Die Intention dahinter ist es, dadurch den Anreiz für die Krankenhäuser zu senken, hohe Fallzahlen durch wirtschaftlich lukrative, aber medizinisch unnötige Behandlungen zu produzieren.
Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen
Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sind Krankenhäuser, die besonders im ländlichen Raum bzw. in struktur- und bevölkerungsschwachen Regionen wohnortnah ein Leistungsspektrum von stationären Krankenhausbehandlungen mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden sollen. Ziel des Entwurfs ist es, weiterhin eine qualitätsgesicherte medizinische Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Die bisherigen Lücken in der ambulanten und pflegerischen Versorgung sollen durch dieses Leistungsspektrum geschlossen werden. Zu diesem Zweck werden u. a. auch kleinere Kliniken zusammengelegt.
Für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen werden zusätzliche ambulante Versorgungsmöglichkeiten, unter anderem in der hausärztlichen Versorgung, geschaffen. Der § 116a SGB V „Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung“ soll danach angepasst werden:
Geplante Anpassung des § 116a SGB V |
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Kliniken könnten danach auf Antrag u. a. in unterversorgten Planungsbereichen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die genehmigenden Zulassungsausschüsse für Ärzte in der ambulanten Versorgung werden dabei von der Pflicht entbunden, die erteilten Ermächtigungsbeschlüsse nach zwei Jahren zu überprüfen. Der Zeitpunkt der Überprüfung steht im Ermessen des zuständigen Zulassungsausschusses und kann flexibel terminiert werden. Für die Vergütung sektorenübergreifender Einrichtungen ist ein sog. „Gesamtvolumen für alle Kosten“ vorgesehen, inklusive der Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser. Dabei wird über krankenhausindividuelle Tagesentgelte abgerechnet. Die bisherigen Vergütungsregelungen für ambulante Leistungen und Leistungen der Pflegeversicherung bleiben bestehen.
Einführung eines Transformationsfonds
Zum Umbau der Krankenhauslandschaft soll durch den Entwurf ein Transformationsfonds errichtet werden. Dieser soll ab 2026 verändert aus dem seit 2016 eingerichteten Krankenhausstrukturfonds, der noch in seiner bisherigen Fassung bis Ende 2025 bestehen bleibt, entstehen. Nach dem aktuellsten Entwurf soll die GKV die hälftigen Fondsmittel mitfinanzieren.
Liquiditätssicherung für Krankenhäuser
Der Entwurf sieht die Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen durch eine unterjährige Neuvereinbarung des Landesbasisfallwerts vor. Tariferhöhungen für Löhne und Gehälter von Krankenhausbeschäftigten können erstmals beim Landesbasisfallwert für das Jahr 2024 auf Verlangen einer Vertragspartei unterjährig und vollständig berücksichtigt werden. Insoweit wird anstatt der bislang hälftigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen eine vollständige Tariflohnrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen eingeführt.
Krankenhausabrechnungsprüfungen
Zum 01.01.2027 soll das bisherige Einzelfallverfahren bei Krankenhausabrechnungen auf eine strukturierte Stichprobenprüfung umgestellt werden. Die Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst (MD) sollen zukünftig lediglich stichprobenhaft erfolgen, auch für psychiatrische Einrichtungen. Dem MD Bund wird aufgegeben, bis zum 28.02.2026 ein Prüfkonzept zu erarbeiten. Auf dessen Basis soll der „DK-Bund-GKV-Spitzenverband“ bis zum 30.06.2026 die Einführung der Stichprobenprüfung vereinbaren.
Folgen für den Arbeitsalltag des Chefarztes
Chefärzte sind zur Erfüllung der Qualitätskriterien für die einzelnen geplanten Leistungsgruppen (vgl. Anlage 1 zu § 135 lit. e SGB V) gut beraten, die Einhaltung der jeweiligen Vorgaben (technische Ausstattung, Personal etc.) im Blick zu behalten. Gleichzeitig müssen sie die wirtschaftliche und betriebliche Rentabilität ihrer Abteilung sicherzustellen. D. h. im Einzelnen:
Herausforderungen für Chefärzte und offene Fragen |
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Der Gesetzentwurf wird heftig kritisiert
Verschiedene Stellen bezweifeln, ob die Ziele des Entwurfs mit den geplanten Maßnahmen erreicht werden können. So erklärte z. B. der Marburger Bund (MB) am 13.03.2024 (online unter iww.de/s11407), der Gesetzentwurf lasse ein flächendeckendes Versorgungskonzept und einen konkreten Bezug zum Versorgungsbedarf vermissen. Der neue Gesetzentwurf sehe „als Maßnahme zur Entbürokratisierung“ lediglich eine vereinfachte, stichprobenhafte, Abrechnungsprüfung des MD vor. Zum Bürokratieabbau erklärte der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß, dass die Reform den bisherigen Bürokratieaufwand noch verschlimmere (Beitrag online vom 08.08.2024, Abruf-Nr. 50126671).
Zu den Autoren | RA Benedikt Büchling ist neben seiner anwaltlichen Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Hochschule Osnabrück tätig. Der Lehrauftrag wurde für Arbeitsrecht im Gesundheitswesen erteilt. Justus Böhm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Student der Rechtswissenschaften im 8. Semester (Universität Marburg)
AUSGABE: CB 9/2024, S. 12 · ID: 50124581