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RechtsprechungAuch Privatkliniken sind an die GOÄ gebunden
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem weiteren Urteil entschieden, dass die GOÄ auch auf eine ambulante Operation in einer Privatklinik anwendbar ist (Urteil vom 13.06.2024, Az. III ZR 279/23). Vereinbarungen über Pauschalhonorare sind mithin unwirksam. Bereits geleistete Zahlungen können zurückgefordert werden. Damit führt der BGH seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 04.04.2024 fort (CB 06/2024, Seite 5 ff.). |
Inhaltsverzeichnis
Kurzzusammenfassung des Sachverhalts
Die Patientin befand sich bei einer Privatklinik (Konzession gemäß § 30 GewO) wegen eines Lipödems in Behandlung. Gegenstand waren mehrere medizinisch indizierte Liposuktionen an Armen und Beinen. Vertragsgemäß sollte das Honorar – pauschal – insgesamt rd. 16.000 Euro betragen. Nach den Eingriffen verbrachte die Patientin jeweils eine Nacht in einem Kooperationskrankenhaus der Klinik auf Basis eigener Verträge über Unterkunft und Pflege nach „ambulantem Eingriff“. Dafür und für die postoperative physiotherapeutische Behandlung der Patientin übernahm die Privatklinik die Kosten. Vorsorglich erstellte sie eine weitere Rechnung nach der GOÄ, wobei sie für die Liposuktionen – bezogen auf verschiedene näher bezeichnete Bereiche der behandelten Extremitäten – die GOÄ-Nr. 2454 analog mehrfach ansetzte. Nach Ausgleich der Liquidation verlangte die Patientin den bezahlten Betrag zurück. Der BGH verurteilte die Privatklinik zur (Rück-)Zahlung eines Betrags i. H. v. rund 12.000 Euro nebst Zinsen und wies die Klage der Patientin im Übrigen ab.
Aus den Entscheidungsgründen
Der BGH stellte fest, dass der Behandlungsvertrag über ein Pauschalhonorar unwirksam ist (§§ 125, 134 BGB, § 2 GOÄ). Er bekräftigte seine jüngste Rechtsprechung, dass die auf Grundlage des geschlossenen Behandlungsvertrages erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen nach der GOÄ abzurechnen seien. Dies schließe die Vereinbarung einer pauschalen Vergütung aus. Dazu führte der BGH im Wesentlichen aus:
Keine Relevanz des Vertragspartners bei ambulanter Leistungserbringung
Die GOÄ findet auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person wie zum Beispiel einem Krankenhausträger oder einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) abgeschlossen wird und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden, selbst mit dem Patienten aber keine Vertragsbeziehung eingehen. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ ist die Verordnung auf alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ anwendbar, ohne dass zwischen Leistungen differenziert wird, die aufgrund eines Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eine eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden.
Keine stationäre Krankenhausbehandlung
Die ambulante Behandlung ist auf die ärztliche Diagnostik und Behandlung beschränkt. Dies gilt für DRG-Krankenhäuser wie für reine Privatkliniken gleichermaßen. Die vorgenommenen Liposuktionen erfolgten ambulant. Sie werden nicht deswegen zu stationären, weil die Patientin eine Nacht in einem Kooperationskrankenhaus verbracht hat, zumal dem gesonderte Verträge zugrunde lagen. Die medizinisch nicht notwendigen Aufenthalte – explizit keine stationäre Krankenhausaufnahme – stellten sich lediglich als eine Art Hotelleistung dar. Auch weitere Leistungen und Kostenübernahmen (Lymphdrainage, Kompressionswäsche) ändern nichts an der Anwendbarkeit der GOÄ.
Honoraranspruch auf Grundlage der GOÄ-Rechnungen
Der BGH sprach der Privatklinik lediglich einen Teilbetrag unter Berücksichtigung ihrer nach der GOÄ gestellten Rechnungen zu. Dabei hielt der BGH fest, dass keine Bedenken gegen die Fälligkeit dieser Forderung (§ 12 Abs. 1 GOÄ) bestünden und die Rechnungen den formellen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ entsprächen. Ob sie auch mit dem materiellen Gebührenrecht übereinstimmten, sei für die Fälligkeit nicht von Bedeutung.
Abrechnung der Liposuktion, Leistungsinhalt der GOÄ-Nr. 2454 und Mehrfachansatz
Der BGH urteilte entgegen der Auffassung des OLG, dass auf den Liposuktionseingriff die GOÄ-Nr. 2454 unmittelbar und nicht analog Anwendung finde. Die Fettabsaugung werde vom Wortlaut der Gebührenvorschrift – die „operative Entfernung von überstehendem Fettgewebe an einer Extremität“ – unzweifelhaft erfasst. Bei „überstehendem Fettgewebe“ handele es sich um eine durch zu viel – unterhalb der Hautoberfläche liegendem – Körperfett hervorgerufene Veränderung der natürlichen Körperkontur. Die krankhafte Ansammlung von Fett an Armen und Beinen in Form eines Lipödems erfülle diese Voraussetzung. Eine Mehrfachberechnung, die im originären Anwendungsbereich einer Gebührenvorschrift nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Betracht komme, schloss er grundsätzlich aus. Im Ergebnis hielt der BGH nur den sechsfachen Ansatz der GOÄ-Nr. 2454 – für drei Eingriffe an je zwei Extremitäten (Beine innen, Beine außen, Arme) – für berechtigt.
Möglichkeit der Honorarvereinbarung innerhalb der Grenzen von § 138 BGB
Die von der Privatklinik vorgenommene Untergliederung von Armen und Beinen in verschiedene Areale und hierauf bezogene (mehrfache) Abrechnung der GOÄ-Nr. 2454 versagte der BGH. Möglicherweise eingetretene Verbesserungen und Modernisierungen des Verfahrens der Fettabsaugung rechtfertigten keine Mehrfachberechnung der Gebühr. Innerhalb der Grenzen des § 138 BGB stehe es Ärzten (und Privatkliniken) frei, ihr Honorar über einen höhen Steigerungssatz durch eine Gebührenvereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOÄ zu gestalten.
Fazit und Praxistipps | Mit den nun vorliegenden Urteilen des BGH vom 04.04. und 13.06.2024 ist klargestellt, dass juristische Personen, mithin auch Privatkliniken, verpflichtet sind, ambulante ärztliche Leistungen nach der GOÄ abzurechnen. Falls bis dato nicht geschehen, sollten Privatkliniken, MVZ etc. ihre Abrechnung dringend überprüfen und an die Vorgaben der GOÄ anpassen. Dabei besteht aufgrund der aktuellen Feststellungen des BGH zur Abrechnung einer Liposuktion die Aufgabe darin, geeignete GOÄ-Nummern für fraglich abgebildete Leistungen zu finden, weil Analogien und Mehrfachberechnungen nur im Ausnahmefall erlaubt sind. |
AUSGABE: CB 9/2024, S. 10 · ID: 50120010