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CBChefärzteBrief

StrafrechtÜberprüfen Sie Ihre Kooperationen: Auch Chefärzte können sich strafbar machen!

Abo-Inhalt24.07.2024731 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Dr. Matthias Losert, LL.M., Berlin

| (Chef-)Ärztinnen und (Chef-)Ärzte sind gut beraten, ihre Kooperationen sorgfältig zu überprüfen. Andernfalls können sie sich der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen und anderer Delikte strafbar machen (CB 4/2017, Seite 2 und CB 11/2017, Seite 12). Einer niedergelassenen Ärztin wurde ihre Kooperation mit einem Sanitätshaus zum Verhängnis: Sie wurde wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 21.03.2024, Az. 3 StR 163/23). Das Urteil ist insbesondere relevant für Chefärzte mit Leitungsverantwortung eines Krankenhauses oder eines MVZ. |

Ärztin erhält rund 50.000 Euro für die Vermittlung von Patienten

Eine Ärztin betrieb eine chirurgisch-phlebologische Einzelpraxis. Sie vereinbarte mit einem Sanitätshaus, dass sie diesem Patienten vermittelte, denen sie flachgestrickte Kompressionsstrümpfe verordnet hatte. Dafür erhielt sie eine zehnprozentige Umsatzbeteiligung. In ihrer Arztpraxis war eine Mitarbeiterin des Sanitätshauses tätig, die die Patienten beriet und die Kompressionstrümpfe vermaß. Durch dieses Angebot wurden viele Patienten in Richtung des Sanitätshauses gelenkt. In dem Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2016 wurden auf diese Weise 43 Patienten vermittelt. Das Sanitätshaus erhielt dafür 87.786,31 Euro von der Krankenkasse erstattet. Das Sanitätshaus zahlte an die Ärztin aus diesem Betrag 26.109,79 Euro und Barzahlungen in unbekannter Höhe. Diese Beträge wurden verdeckt durch die Übernahme von Lohnkosten der Praxismitarbeiterinnen gezahlt.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen im Juni 2016 (CB 05/2016, Seite 3 f.) wurden die Kompressionsstrümpfe in einer Filiale des Sanitätshauses vermessen. Diese war nur wenige Meter von der Arztpraxis entfernt. Für die Vermittlung von Patienten erhielt die Ärztin in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 50.760,55 Euro in bar.

Landgericht verurteilt Ärztin, Revision scheitert vor dem BGH

Das Landgericht verurteilte die Ärztin wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (siehe Ende des Abschnitts) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Da das Strafmaß der Freiheitsstrafe zwei Jahre überstieg, konnte die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Der BGH bestätigte im Wesentlichen dieses Urteil. Dabei war unerheblich, dass

Der Tatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs nach § 263 StGB

Ein Betrug liegt vor, wenn jemand einen anderen über Tatsachen täuscht und dieser wegen des dadurch hervorgerufenen Irrtums eine Vermögensverfügung trifft, § 263 StGB. Diese Vermögensverfügung besteht hier zugunsten eines Dritten. Denn die Krankenkasse hat auf eine Nichtschuld geleistet. Das Sanitätshaus hat gegen das gesetzliche Verbot der unzulässigen Zusammenarbeit von Vertragsärzten und Leistungserbringern nach § 128 Absatz 2 SGB V verstoßen. Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind nach der Regelung des § 134 BGB nichtig. Hätte die Krankenkasse gewusst, dass hier eine Umsatzbeteiligung vorlag, hätte sie auch gewusst, dass hier die Regelung des § 134 BGB greift und sie von der Zahlungspflicht befreit.

Der Straftatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen nach § 299a StGB

Wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen macht sich strafbar, wer bei der Zuführung von Patienten einen anderen in unlauterer Weise bevorzugt. Hier hat die Ärztin durch die vereinbarte Umsatzbeteiligung das betreffende Sanitätshaus zulasten anderer Sanitätshäuser bevorzugt.

  • die verschriebenen Kompressionsstrümpfe medizinisch notwendig waren,
  • das Sanitätshaus die erbrachten Leistungen ordnungsgemäß abrechnete,
  • die Patienten im vorliegenden Fall sogar die Erleichterung hatten, dass sie nicht den Weg zu einem entfernteren Sanitätshaus für die Anpassung der Kompressionsstrümpfe zurücklegen mussten und
  • Nachfragen oder ärztliche Anweisungen schneller und unproblematischer umgesetzt werden konnten, was ebenfalls im Patienteninteresse liegt.

Wichtig | Eine Patientenzuführung ohne Umsatzbeteiligung wäre nicht strafbar, da keine Vorteilsnahme vorliegt.

Das Urteil erscheint unverhältnismäßig, stellt aber in Verbindung mit dem Gesetz die geltende Rechtslage dar

Im hiesigen Fall profitierten auch die Patienten vom Arrangement zwischen Ärztin und Sanitätshaus. Der Gesetzgeber ist jedoch der Ansicht, dass die Integrität heilberuflicher Entscheidungen ein hohes allgemeinrechtliches Gut ist. Der Gesetzgeber verlagert die Strafbarkeit hier so weit vor, dass nicht einmal der Anschein einer Verletzung der ärztlichen Integrität vorliegen darf. Angesichts der Tatsache, dass in der freien Marktwirtschaft Umsatzbeteiligungen gang und gäbe sind, erscheint die Verurteilung der Ärztin zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung als unverhältnismäßig. Gleichwohl stellt das Urteil in Verbindung mit der herrschenden Gesetzeslage die geltende Rechtslage dar.

Tipp für (Chef-)Ärzte: Prüfen Sie Ihre Kooperationsverträge!

Das Urteil zeigt auf, wie leicht Ärzte durch Vereinbarungen mit Leistungserbringern strafrechtliche Risiken eingehen können. Strafbarkeitsrisiken bestehen schon, wenn z. B. Chefärzte in der Leitungsverantwortung eines Krankenhauses einem Leistungserbringer Räume im Krankenhaus über dem Marktpreis vermieten. Denn auch dann läge eine Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile (verdeckte Zahlung an das Krankenhaus) für die Versorgung mit Hilfsmitteln vor. Auch die Teilnahme eines Arztes an Fachkongressen, deren Reise- und Übernachtungskosten von Pharmaunternehmen getragen werden, kann bei einer bevorzugten Verordnung von dessen Medikamenten strafbar sein. Daher empfiehlt sich die systematische Überprüfung dieser Vertragsverhältnisse durch qualifizierte Rechtsanwälte (vgl. CB 04/2017, Seite 2 ff.).

AUSGABE: CB 9/2024, S. 18 · ID: 50064196

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