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DRG-Abrechnung16 Minuten intensive Notfallbehandlung berechtigen zur stationären Abrechnung
| Dürfen Krankenhäuser eine intensive Notfallbehandlung, die nur 16 Minuten dauert und in der bereits Reanimationsmaßnahmen eingeleitet werden, als stationäre Behandlung abrechnen? Ja. Zu diesem Ergebnis kam das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 18.03.2024, Az. L 4 KR 1217/22). Das Gericht bestätigt damit die Entscheidung, die das Bundessozialgericht (BSG) zu dieser Rechtsfrage bereits zugunsten der Krankenhäuser gefällt hat (Urteil vom 29.08.2023, B 1 KR 15/22 R). |
War die Notfallbehandlung stationär oder nicht?
Ein Krankenhaus und eine gesetzliche Krankenkasse stritten um die Kosten für eine stationäre Behandlung. Das Krankenhaus hatte einen 1952 geborenen, bei der Krankenkasse Versicherten am 26.09.2018 stationär behandelt. Die stationäre Behandlung hatte nur 16 Minuten gedauert (22:18 bis 22:34 Uhr):
So lief die Behandlung am 26.09.2018 ab | |
21:00 Uhr | Rettungsdienst und Notärztin treffen beim Patienten ein. Dieser hatte wegen massiver Atemnot den Notruf gewählt. Festzustellen ist eine röchelnde Atmung mit schwachem Puls. Die Monitorüberwachung zeigt wenig später eine pulslose elektrische Aktivität (PEA), die in eine Asystolie mündet. |
21:05: Uhr | Die Besatzung des Rettungswagens leitet eine kardio-pulmonale Reanimation ein. Die Notärztin intubiert den Patienten und verabreicht einen Vasopressor. |
21:35 Uhr | Die Notärztin leitet die Lysetherapie ein. |
22:18 Uhr | Der Rettungsdienst übergibt den Patienten an das Krankenhaus. Dort wird er unter fortlaufender Reanimation auf die Intensivstation verbracht. |
22:28 Uhr | Der Patient wird auf der Intensivstation aufgenommen. Die Reanimation wird fortgeführt. Es folgen ein EKG, eine Blutgasanalyse sowie eine Echokardiographie. In der Rhythmuskontrolle zeigt sich weiterhin eine Asystolie, echokardiographisch besteht keinerlei Myokardaktivität. Wegen der Ergebnisse der Blutgasanalyse, der Reanimationszeit von insgesamt 90 Minuten und der fehlenden Myokardaktivität wird die Reanimation schließlich beendet. Ein ROSC (return of spontaneous circulation) war während der Reanimation zu keinem Zeitpunkt festzustellen. |
22:34 Uhr | Der Tod des Versicherten wird festgestellt. |
Das Krankenhaus hatte der Krankenkasse auf Basis der DRG E64A insgesamt 1.382,28 Euro berechnet. Die Krankenkasse hatte die Rechnung über den stationären Aufenthalt nicht beglichen. Begründung: Es habe keine stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten stattgefunden. Das Krankenhaus habe die Möglichkeit, die Behandlung als vorstationär abzurechnen.
Zahlungsklage des Krankenhauses hat Erfolg
Das Krankenhaus klagte und bekam in beiden Instanzen Recht: Wie schon die Vorinstanz (Sozialgericht [SG] Karlsruhe) bestätigte, verurteilte das LSG Baden-Württemberg die Krankenkasse zur Zahlung des vollen Rechnungsbetrages eines Behandlungstages. Eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus liege auch dann vor – so das LSG –, wenn der Versicherte unter fortlaufender Reanimation nach Einlieferung durch den Rettungsdienst und Aufnahme auf der Intensivstation innerhalb weniger Minuten (hier: 16 Minuten nach Einlieferung, sechs Minuten nach Aufnahme auf die Intensivstation) verstirbt. In akuten Notfallsituationen wird ein ansonsten erforderlicher Behandlungsplan durch ein standardisiertes Verfahren ersetzt.
LSG beruft sich auf aktuelles BSG-Urteil
Das LSG hat hierbei ausdrücklich Bezug genommen auf eine Entscheidung des BSG vom 29.08.2023 (Az. B 1 KR 15/22 R). Das BSG hat die eigene restriktive Rechtsprechung des sog. Schockraum-Urteils korrigiert. Darin hatte das BSG den § 39 Sozialgesetzbuch (SGB) V eng ausgelegt. Demnach sei eine stationäre Aufnahme selbst dann zu verneinen und grundsätzlich eine ambulante Notfallbehandlung anzunehmen, wenn die parallel zur Aufnahmediagnostik stattfindende Notfallbehandlung die personellen und sächlichen Ressourcen des Krankenhauses in hohem Maße beanspruche (Urteil vom 18.05.2021, Az. B 1 KR 11/20 R, juris, Rn. 17; CB 01/2022, Seite 6 f.).
Nunmehr sei für eine konkludente stationäre Aufnahme auch eine kurzzeitige Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus ausreichend. Die konkludente stationäre Aufnahme eines Versicherten liegt bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus und nachfolgender zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus dann vor, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweist bzw. damit zu rechnen ist.
Es lag eine konkludente stationäre Aufnahme vor
Daher entschied das LSG im vorliegenden Fall, dass mit der sofortigen Verbringung des Patienten auf die Intensivstation, der Fortführung der durch die Notärztin eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen und der Einleitung schnell aufeinander folgender Untersuchungen (Blutgasanalyse, EKG, Echokardiographie) jedenfalls eine konkludente Aufnahme in die stationäre Behandlung erfolgte. Ein umfangreicher Behandlungsplan habe angesichts des Zeitdrucks und der lebensbedrohlichen Situation nicht erstellt werden können. In akuten Notfallsituationen trete daher an die Stelle des Behandlungsplans ein für solche Fälle entwickeltes standardisiertes Verfahren.
Krankenhäuser müssen intensiven Mitteleinsatz ggf. erläutern Fazit | Das LSG Baden-Württemberg hat die vom BSG bereits festgelegten Voraussetzungen für die Annahme einer vollstationären Notfallbehandlung bestätigt und weiter konkretisiert. Zudem weist das LSG darauf hin, dass das BSG für zukünftige Behandlungsfälle – solche nach dem BSG-Urteil vom 29.08.2023 – die Vergütung erst dann fällig wird, wenn aus den mit der Abrechnung mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich wird. Wird der intensive Mitteleinsatz des Krankenhauses nicht bereits durch die Codierung der OPS-Codes deutlich, muss das Krankenhaus gegenüber der Krankenkasse einen entsprechend intensiven Mitteileinsatz erläutern, damit die Rechnung fällig wird. |
AUSGABE: CB 7/2024, S. 14 · ID: 50042833