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CBChefärzteBrief

RefresherWie weit geht die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung von Wahlleistungen?

Abo-Inhalt23.04.202436 Min. LesedauerVon RA, FA ArbR und MedR Marc Rumpenhorst, Bochum

| Über die persönliche Erbringung von Wahlleistungen wurde im CB schon vielfach berichtet (vgl. weiterführende Hinweise am Ende dieses Beitrags). Und doch ergeben sich aufgrund „tradierter Praxis“ immer wieder Unsicherheiten und Fragen zum Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung sowie den Möglichkeiten und Grenzen der Stellvertretung und Delegation. Dieser Beitrag gibt Handlungshinweise für betroffene (Chef-)Ärzte. |

Eine Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet den Wahlarzt zur persönlichen Leistungserbringung ...

Aus der zwischen Krankenhausträger und Patient geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung folgt die Pflicht des Wahlarztes, die wahlärztlichen Leistungen persönlich zu erbringen.

Der Patient, der mit dem Krankenhausträger eine Wahlarztvereinbarung schließt, kauft sich die persönliche Betreuung und Leistungserbringung durch einen bestimmten Arzt, nämlich den Wahlarzt, hinzu. Der Patient ist bereit, für die Behandlung durch den Wahlarzt ein zusätzliches Honorar zum Pflegesatz zu zahlen, weil er sich eine besonders sachkundige und sorgfältige ärztliche Behandlung durch den Wahlarzt erhofft. Er will sich die persönliche Zuwendung und besondere Qualifikation sowie Erfahrung des von ihm gewählten Arztes – und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er nach Art und Schwere der Erkrankung auf die Behandlung durch einen besonders qualifizierten Arzt angewiesen ist – sichern. Damit liegt der wesentliche Unterschied zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen nicht in der Art der ärztlichen Leistung, sondern in der Person des behandelnden Arztes.

... aber der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung schließt die Delegation von Leistungen nicht aus!

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ kann „der Arzt (…) Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistung).“ Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung bedeutet allerdings nicht, dass der Arzt sämtliche Leistungen selbst erbringen muss. So besteht die Möglichkeit der Stellvertretung sowie der Delegation von Leistungen

Ist der Wahlarzt vorhersehbar oder unvorhersehbar verhindert

Bei der Stellvertretung wird differenziert zwischen unvorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes, die im Wahlleistungsvertrag vereinbart werden kann und vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes, die nur gesondert individuell im Rahmen einer so genannten Stellvertreter-/Individualvereinbarung geregelt werden kann (CB 05/2020, Seite 6 f.).

Der Wahlarzt ist unvorhersehbar verhindert

Für den Fall der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes sind in der Regel in der Wahlleistungsvereinbarung beigefügten Liste der Wahlärzte die ständigen ärztlichen Vertreter – gegebenenfalls auch mehrere differenziert nach fachlichen Zuständigkeitsbereichen – benannt.

Im Rahmen der individuellen Stellvertretervereinbarung muss der jeweilige Stellvertreter ebenfalls namentlich benannt werden, es muss sich jedoch nicht um einen „ständigen ärztlichen Vertreter“ der Wahlarztliste handeln.

Der Wahlarzt ist vorhersehbar verhindert

Die Stellvertretung bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes ist vom Bundesgerichtshof für den Fall der (urlaubsbedingten) Abwesenheit des Wahlarztes anerkannt. In der individuellen Stellvertretervereinbarung muss dem Patienten in der die Dauer der Abwesenheit des Wahlarztes mitgeteilt und die Verschiebung der Leistungserbringung, bis der Grund der Verhinderung in der Person des Wahlarztes weggefallen ist, angeboten werden. die Angabe eines Grundes ist laut ständiger einschlägiger Rechtsprechung nicht mehr gefordert (vgl. Abruf-Nr. 50060454).

Bei Anwesenheit des Wahlarztes käme ausnahmsweise eine sogenannte Wunschvertretung in Betracht (CB 02/2020, Seite 3 und CB 07/2022, Seite 3).

Merke | Werden die Leistungen regelmäßig oder immer von einem anderen Arzt als dem Wahlarzt erbracht, handelte es sich grundsätzlich nicht mehr um eine Stellvertretung, wenn der Wahlarzt als Leistungserbringer nicht in Betracht kommt. Ferner kann dem Patienten die Verschiebung des Zeitpunktes der Leistungserbringung nicht angeboten werden, sodass es sich nicht um eine zulässige und wirksame Stellvertretervereinbarung handeln dürfte.

Ohne wirksame Stellvertretung liegt keine Einwilligung in den Eingriff vor

Während die Frage der persönlichen Leistungserbringung sowie der Wirksamkeit der Stellvertretung bei wahlärztlichen Leistungen früher „nur“ maßgeblich für den Honoraranspruch des Krankenhauses oder des Chefarztes war, geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nunmehr dahin, die Wahlleistungsvereinbarung als Konkretisierung der Einwilligung des Patienten in den Heileingriff eben durch den Wahlarzt zu werten: „Erklärt der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen, darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen.“ (Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 75/15; vgl. CB 09/2016, Seite 1, Abruf-Nr. 44228861).

Aus dem Mangel einer wirksamen Stellvertretung folgt der Mangel der Einwilligung in den Heileingriff. Im Falle einer fehlenden oder unwirksamen Stellvertretung behandelt der Vertreter ohne Einwilligung des Patienten in den Heileingriff mit haftungsrechtlichen und gegebenenfalls sogar auch strafrechtlichen Folgen – auch für einen lege artis durchgeführten Eingriff.

Und was gilt, wenn regelmäßig ein anderer Arzt als der Wahlarzt alle operativen Eingriffe vornimmt?

Soweit operative Eingriffe von einem anderen Arzt der Klinik als dem Wahlarzt, der nicht unvorhersehbar verhindert ist, durchgeführt werden, bedarf es einer individuellen Stellvertretervereinbarung. Führt der andere Arzt als der Wahlarzt bestimmte Eingriffe immer durch, fehlt es an der Möglichkeit und Wirksamkeit der Stellvertretung zumindest dann, wenn der Wahlarzt insoweit als Leistungserbringer nicht zur Verfügung steht. Mithin müsste erwogen werden, insoweit den anderen Arzt als Wahlarzt für diese Leistungen anzugeben.

Erbringt der Wahlarzt nicht die operativen Leistungen, jedoch die Visiten, ist für die Visiten keine Stellvertretung erforderlich, da der Wahlarzt diese Leistungen persönlich erbringt. Visiten können auch delegiert werden, jedoch nur in einem engen durch die GOÄ vorgegebenen Rahmen (CB 12/2023, Seite 1, Abruf-Nr. 49787406).

Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ von der Delegation ausgenommen sind:

  • Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 GOÄ innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung,
  • Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie
  • Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung.

Diese Leistungen können nur durch den Wahlarzt oder dessen vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden. Wenngleich vom „ständigen ärztlichen Vertreter“ die Rede ist, handelt es sich gleichwohl um eine „Delegation“ der Leistung. Vor diesem Hintergrund ist durchaus eine Tendenz in den Krankenhäusern zu erkennen, die Erbringung wahlärztlicher Leistungen auf mehrere Wahlärzte zu verteilen.

Weiterführende Hinweise
  • Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung bedeutet nicht automatisch „Chefarztbehandlung“ (CB 09/2020, Seite 3 ff.)
  • Gericht definiert Kriterien für Vereinbarung über die „gewünschte Vertretung“ des Wahlarztes (CB 07/2022, Seite 3 ff.)
  • BGH: Chefarzt-OP ist Chefarzt-OP! (CB 09/2016, Seite 1, Abruf-Nr. 44228861)
  • Welche stationären Wahlleistungen dürfen Chefärzte delegieren? (CB Ausgabe 12/2023, Seite 1, Abruf-Nr. 49787406)
  • Konsile und Visiten – auch von Chefärzten ohne originäres Liquidationsrecht berechnungsfähig? (CB 02/2021, Seite 2, Abruf-Nr. 47005228)
  • CB-Sonderausgabe „Wahlleistungen rechtssicher delegieren. Leser fragen – Experten antworten! (iww.de/cb, Abruf-Nr. 49885109)

AUSGABE: CB 7/2024, S. 16 · ID: 49975119

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