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CBChefärzteBrief

Vertrauensverlust„Göttinger Organspendeskandal“: Chefarzt verliert Ruhegehalt!

Abo-Inhalt28.06.20226074 Min. LesedauerVon RA, FA MedizinR, Mediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund

| Einem vormals verbeamteten Chefarzt und Professor der Göttinger Universitätsmedizin wird das Ruhegehalt aberkannt, wie das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen entschieden hat (Urteil vom 16.03.2022 Az. 5 A 6/18). |

Der Fall

Der Chefarzt war als Leiter der Abteilung für Gastroenterologie und Endokrinologie im Zentrum für Innere Medizin der Universitätsmedizin Göttingen tätig. Im Juli 2012 wurde gegen ihn ein Amtsführungsverbot erlassen. Dem Chefarzt wurde vorgeworfen, eine der zentralen Figuren des sog. Göttinger Organspendeskandals (Hintergründe unter iww.de/s7020) und für diverse Manipulationen von Blutwerten verantwortlich gewesen zu sein. Eine Weiterbeschäftigung sei der Universitätsmedizin nicht mehr zumutbar gewesen. Der Chefarzt entgegnete, von etwaigen Fälschungen von Blutwerten zur Steigerung der Chancen auf Erhalt eines Spenderorgans nichts gewusst zu haben. Für die entsprechenden Entscheidungen sei allein der ebenfalls angeklagte Operateur zuständig gewesen, der auch persönlich von den gesteigerten Transplantationszahlen profitiert habe. Die seinerzeit eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen sowohl gegen den Chefarzt als auch gegen den Operateur sind inzwischen entweder durch Freispruch beendet oder aber eingestellt worden. Der Chefarzt trat während des Gerichtsverfahrens in den Ruhestand.

Die Entscheidung

Im vorliegenden Disziplinarverfahren hat das VG Göttingen dem verbeamteten Chefarzt das Ruhegehalt aberkannt. Es ist auch angesichts der Aussagen einiger bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Chefarzt vernommener Zeugen zu der Überzeugung gelangt, dass er im Zeitraum der Jahre 2009 bis einschließlich 2011 in mindestens elf Fällen für die Manipulation von Laborwerten verantwortlich gewesen sei, um den von seinen Patienten erreichten MELD-Score – und damit die Chancen auf Zuteilung eines Spenderorgans – zu erhöhen. Auch wenn ihm kein eigenhändiges Handeln nachzuweisen sei, habe er jedenfalls seine Mitarbeiter in konkreten Fällen angewiesen, Manipulationen vorzunehmen und damit seine Führungsposition missbraucht. Die Schwere des vorliegenden Dienstvergehens führe zu einem endgültigen Vertrauensverlust, der bei Beamten im Ruhestand nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Niedersächsisches Disziplinargesetz die Aberkennung des Ruhegehalts gebiete, so die weiteren Ausführungen der Kammer.

Fazit | Anders als im Strafprozess reichte den Verwaltungsrichtern im vorliegenden Disziplinarverfahren die Beweislage zur Aberkennung des Ruhegehalts aus. Der endgültige und aufgrund der Umstände nachgewiesene Vertrauensverlust ist für eine derartige Maßnahme ausreichend. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob der Chefarzt hiergegen in Berufung gehen wird.

AUSGABE: CB 7/2022, S. 2 · ID: 48371553

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