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Aktuelle StudieKrankenhaus Rating Report 2022: Wirtschaftliche Lage hat sich im Jahr 2020 deutlich verbessert

Abo-Inhalt27.06.20226458 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Boris Augurzky, Institute for Health Care Business GmbH, Essen

| Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hat sich im Jahr 2020 deutlich verbessert. Dies ist eines der Ergebnisse des 18. „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongresses 2022 – Medizin und Gesundheit“ Ende Juni 2022 vorgestellt wurde. Maßgeblich für diese Entwicklung waren allerdings keine langfristig wirksamen strukturellen Veränderungen, sondern die Ausgleichszahlungen und andere Hilfen von Bund und Ländern im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Highlights des Reports, der gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Health Care Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt wurde, lesen Sie nachfolgend. |

Status quo: 7 Prozent der Häuser von Insolvenz bedroht

Die durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit der Krankenhäuser, die im Jahr 2019 noch bei 1,5 Prozent gelegen hatte, ist 2020 auf 1,1 Prozent gesunken. Dabei befanden sich nur noch 7 Prozent der Krankenhäuser im roten Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr, 25 Prozent im gelben und 68 Prozent im grünen Bereich. 28 Prozent der Krankenhäuser schrieben im Jahr 2020 auf Konzernebene einen Jahresverlust, nach 34 Prozent im Jahr davor.

Beim Rating und bei der Ertragslage schneiden Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken. Eine Ausnahme bilden öffentlich-rechtliche Kliniken in einem ärmeren Kreis, die signifikant besser abschneiden als solche in reicheren Kreisen. Die fehlende Möglichkeit von Subventionen ärmerer kommunaler Träger für ihre Krankenhäuser könnte eine Erklärung dafür sein. Gleichwohl verschlechterte sich die Ertragslage privater Krankenhäuser 2020 im Vergleich zum Jahr 2019, während sie bei öffentlich-rechtlichen und besonders bei freigemeinnützigen Häusern stieg. Ein signifikant besseres Rating und eine signifikant bessere Ertragslage wiesen außerdem Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem höheren Case Mix Index auf.

Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2020 auf 3,27 Mrd. Euro, 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Wir schätzen allerdings den jährlichen förderfähigen Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt auf mindestens 5,5 Mrd. Euro, zzgl. der Universitätskliniken insgesamt auf 6,3 Mrd. Euro. Krankenhäuser schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft, sodass es zu einem Substanzverzehr kommt, der in den Bilanzen deutlich sichtbar ist. Besonders stark war dieser Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie sank im Jahr 2020 die stationäre Fallzahl außerordentlich stark um 13,5 Prozent. Im zweiten Pandemiejahr 2021 verharrte sie weitgehend auf diesem niedrigen Niveau. Dagegen stieg der Case Mix Index 2020 um 4,7 Prozent und 2021 um 1,3 Prozent, weil während der Pandemie vor allem leichtere Fälle nicht stationär erbracht wurden. Im Ergebnis sank das Case-Mix-Volumen weniger stark als die Fallzahl und lag 2021 um 7,8 Prozent unter dem Niveau von 2019.

Doppelt so viel in Teilzeit tätige Ärzte wie 2004

Die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Menschen im Gesundheitswesen ist zwischen 2015 bis 2021 um 15 Prozent gestiegen; in Krankenhäusern um 12 Prozent. Gleichzeitig ist allerdings auch der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Menschen leicht gestiegen. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2004 und 2020 von 12 Prozent auf 29 Prozent mehr als verdoppelt. Eine starke Zunahme war zudem bei ausländischen Beschäftigten in Krankenhäusern zu beobachten. Trotzdem lag im März 2021 die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen viereinhalbmal höher als im Januar 2007. Erfreulicherweise ist die Anzahl der Auszubildenden in Krankenhäusern zwischen 2005 und 2021 um 41 Prozent gestiegen, sodass mittlerweile der Anteil der unter 25-Jährigen an der Belegschaft von 9,3 Prozent im Jahr 2015 auf 11,1 Prozent im Jahr 2021 zugenommen hat. Allerdings wird diese Zunahme nicht genügen, um den Teil der Belegschaft, der in den kommenden Jahren in Rente gehen wird, komplett zu ersetzen.

Ausblick

Kommt das Gesundheitswesen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verwerfungen (Klimawandel, Pandemie, Demografie, die Nachwehen der Finanz- und Eurokrise) unter die Räder? Bei einem „Weiter so“ lautet die Antwort vermutlich „Ja“. Die gegenwärtige Gesundheitsversorgung ist nicht für diese Herausforderungen gerüstet. Wie wir uns darauf vorbereiten könnten, wissen wir zwar. Gefehlt hat bislang jedoch der nötige politische Handlungswille. Der Handlungsdruck wird aber immer stärker. Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben 2021 das höchste Defizit ihrer Geschichte eingefahren und es mangelt an geeignetem Personal, um die erforderlichen Leistungen weiterhin in guter Qualität erbringen zu können. Dabei hat das Gesundheitswesen Potenziale zur Steigerung der Effizienz. Zu nennen sind

  • die Reduktion der Bedarfe durch Prävention und durch eine stärkere Auslese der Angebote mit höherem Nutzen und Vermeidung von solchen mit geringem Nutzen,
  • eine sektorenübergreifende Versorgung,
  • Zentralisierung und Schwerpunktbildung,
  • eine effiziente Allokation der Personalressourcen sowie der Investitionsmittel und
  • der Einsatz moderner Technologien, Stichwort „Digitalisierung“.

Der Koalitionsvertrag 2021–2025 spricht viele Themen an, die in diesem Report und in seinen Vorgängerreports diskutiert wurden. Einige davon sollen nachfolgend näher betrachtet werden.

Sektorenübergreifende Versorgung

So strebt die neue Regierungskoalition u. a. eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung an. Darüber hinaus sollen multiprofessionelle, integrierte Gesundheits- und Notfallzentren ausgebaut und „Kümmerer“-Funktionen gestärkt werden, wie z. B. niedrigschwellige Beratungsangebote in Form von Gesundheitskiosken und der Ausbau der Angebote von Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen. Vorgesehen ist auch die Aufnahme des Rettungswesens als integrierten Leistungsbereich in das SGB V. Außerdem soll die Gestaltungsfreiheit auf regionaler Ebene erhöht werden, indem bevölkerungsbezogene Versorgungsverträge attraktiver gemacht und Spielräume für Verträge zwischen Kassen und Leistungserbringern ausgeweitet werden.

Vergütung

Hilfreich ist die Ableitung eines Zielbilds der Gesundheitsversorgung, woran sich dann die Vergütungssysteme ausrichten sollten. Letztendlich bestimmen die Vergütungsanreize über die Leistungserbringung und den Einsatz der Ressourcen im System. Ein wichtiger Schritt, der die Krankenhausfinanzierung gegenüber der Zeit davor merklich verbessert hatte, war die Einführung des DRG-Systems im Jahr 2004. Das DRG-System hat Standards und Transparenz geschaffen und zu einer hohen betrieblichen Effizienz im Krankenhaus geführt. Es setzt aber auch den Anreiz zur Erbringung einer hohen Menge stationärer Leistungen, weil sich versorgungsnotwendige Vorhaltungen erst nach einer gewissen Leistungsmenge finanzieren, insbesondere wenn es zugleich eine Unterdeckung bei der Investitionsfinanzierung gibt. Als rein stationäres Vergütungssystem verhindert es außerdem eine sektorenübergreifende Versorgung und bremst die Ambulantisierung aus. Im Ergebnis erreicht das DRG-System eine hohe betriebliche Effizienz, aber nicht notwendigerweise eine hohe Systemeffizienz. Um die Systemeffizienz zu erhöhen, braucht es Vergütungsinstrumente, die auf der Systemebene ansetzen.

Selbstkostendeckung, wie z. B. in Form des Pflegepersonalbudgets, gehört nicht zu den Instrumenten, die die Systemeffizienz erhöhen können, weil sie Ineffizienz nicht sanktioniert. Da sich zudem niemand verantwortlich fühlt, vermeidbare Kosten auch tatsächlich vermeiden zu wollen, wird auch niemand einen Anlass sehen, neue kostengünstigere Verfahren auszuprobieren, womit Prozessinnovationen zum Erliegen kämen. Anders funktionieren regionale Gesundheitsbudgets mit vordefinierten, morbiditätsorientierten Budgets, einer Zielerreichungskontrolle und mit einem Wettbewerb der Regionen. Sie schaffen größtmögliche Gestaltungsfreiheit, um in einer Region Versorgung ganzheitlich und aus einer Hand zu gestalten. Dabei würde das DRG-System weiterhin eine wichtige Rolle zur Schaffung von Transparenz und als Verrechnungssystem spielen.

Eine Brücke zwischen dem ambulanten und stationären Sektor bilden sogenannte Hybrid-DRG oder komplex-ambulante DRG. Sie bezahlen Leistungen, die aus Vergütungsgründen bislang stationär erbracht wurden, die aber ambulant hätten durchgeführt werden können. Ihre Höhe liegt in der Regel zwischen der stationären DRG und dem ambulanten EBM. Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass die Erbringung einer komplex-ambulanten DRG an Voraussetzungen an die Infrastruktur und das Personal geknüpft ist.

Populationsbezogene, regionale Vorhaltebudgets für medizinische Leistungsgruppen könnten die Schwerpunktbildung erheblich voranbringen. Außerdem könnten sie Schwankungen der Nachfrage, die das übliche Maß übersteigen, besser auffangen, wie z. B. infolge der COVID-19-Pandemie. Sie dürften auch hilfreich sein, wenn die Bedarfe in einer Region dauerhaft zu klein sind, um die Vorhaltekosten über die rein mengenorientierte Vergütung decken zu können, die Bedarfe in der Region aber trotzdem erfüllt werden müssen. Die Einrichtung von Vorhaltebudgets würde den unerwünschten Mengenanreiz des DRG-Systems abschwächen, wenn im Gegenzug die DRG-Relativgewichte abgesenkt würden. Wichtig ist, dabei darauf zu achten, dass die Vorhaltebudgets unter den Fixkosten liegen. Plausibel erscheint eine Aufteilung des bundesweiten DRG-Erlösvolumens (inkl. der Pflegepersonalkosten) in ein Drittel für mengenunabhängige regionale Vorhaltebudgets und zwei Drittel für die Residual-DRG.

Um das Ziel der Schwerpunktbildung zu unterstützen, müssen die regionalen Vorhaltebudgets je Leistungsgruppe für eine Region zur Verfügung gestellt werden. Sie sollten das gesamte Leistungsspektrum der stationären und perspektivisch auch der komplex-ambulanten Versorgung umfassen. Beispielsweise gäbe es dann für die Geburtshilfe in einer kleinen Versorgungsregion ein einziges Vorhaltebudget, das am besten nur genau ein Krankenhaus erhalten sollte. Aufgrund der generell abgesenkten Bewertungsrelationen der DRG würde sich die Leistungserbringung in der Geburtshilfe für andere Krankenhäuser ohne Vorhaltebudget nicht mehr lohnen. Damit käme es automatisch zu einer Schwerpunktbildung. In verstädterten Regionen und Ballungsgebieten würde ein reger Tausch von Leistungsgruppen entstehen können. In sehr ländlich geprägten Regionen dürfte es allerdings meist eher auf einen einzelnen Grundversorger hinauslaufen.

Fazit | Auch wenn der Koalitionsvertrag bei vielen Aussagen generisch bleibt, setzt er doch viele zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen wichtige Themen auf die Agenda. Durch die Vermeidung von allzu konkreten Aussagen lässt er der Koalition außerdem Spielraum bei der Umsetzung der Vorhaben. Insofern besitzt der Vertrag ein großes Potenzial, die oben erwähnten gewaltigen Herausforderungen angehen zu können. Er birgt allerdings auch das Risiko, viele der Themen nur oberflächlich zu streifen. Um das Potenzial für die Gesundheitsversorgung zu nutzen, braucht es allerdings entschiedene politische Führung und eine entsprechende Priorisierung der Themen.

Weiterführende Hinweise
  • Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2022“ sind 540 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2019 und 544 aus 2020. Sie umfassen insgesamt 957 Krankenhäuser. Für 2021 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor.
  • Dieser Beitrag basiert auf dem „Krankenhaus Rating Report 2022: Vom Krankenhaus zum Geisterhaus?“. Die Studie kann für 359 Euro inkl. 7 % MwSt. beim Verlag medhochzwei (medhochzwei-verlag.de) bestellt werden (ISBN 978-3-86216-915-3).

AUSGABE: CB 7/2022, S. 17 · ID: 48410957

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