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IntensivmedizinWelche Voraussetzungen sind nötig, um die Ziffer 435 GOÄ zu liquidieren?
| Frage: „Laut Anästhesiekommentar zur GOÄ von Schleppers und Weißauer, herausgegeben vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA; online unter iww.de/s5913) kann die Nr. 435 GOÄ auch z. B. in einer als ‚Wachstation‘ bezeichneten Betteneinheit erbracht werden. Diese muss über intensivmedizinisch qualifizierte Ärzte und über spezielles Pflegepersonal sowie über die erforderliche Ausstattung, Räume und Geräte verfügen. Welche Ärzte gelten in diesem Zusammenhang als ‚intensivmedizinisch qualifiziert‘? Was gilt für das ‚spezielle Pflegepersonal‘ und die ‚erforderliche Ausstattung, Räume und Geräte‘? Ist z. B. eine spezielle Qualifikation beim liquidierenden (Chef-)Arzt oder/und seinem Vertreter, in diesem Fall also die Zusatzbezeichnung ‚Intensivmedizin‘ erforderlich?“ |
Antwort: Entscheidend für die Abrechnung der Nr. 435 GOÄ ist die auf den intensivmedizinischen Überwachungs- und Behandlungszweck abgestellte Ausstattung, die z. B. auf einer chirurgischen Wachstation oder sog. Intermediate Care(IMC)-Station, i. d. R. gegeben ist. Ob eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung stattfand und ob die Betteneinheit, in der dies erfolgte, über die dafür erforderliche spezielle Personal- und Geräteausstattung verfügt, ist somit allenfalls mit Einschränkungen anhand des Kriteriums der Benennung zu entscheiden. I. d. R. ist dies bei Intensivstationen und Wachstationen erfüllt, häufig auch bei intermediate care-Stationen (imc- und stroke-units), selten in Aufwachräumen.
Wer die Nr. 435 GOÄ abrechnen kann, richtet sich nach allgemeinen Kriterien. Nach ständiger Rechtsprechung können ärztliche Leistungen nach Maßgabe der GOÄ nicht berechnet werden, wenn sie für den behandelnden Arzt fachfremd sind. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ sind eigene Leistungen des Arztes solche, die er entweder selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Fachliche Weisungen kann nach Meinung der Rechtsprechung nur ein Arzt erteilen, der die entsprechende fachliche Qualifikation erworben hat. § 1 Abs. 2 GOÄ stellt auf die Leistungserbringung lege artis ab. Die Regeln der ärztlichen Kunst beherrschen auch nur Ärzte, die die entsprechende fachliche Qualifikation erworben hat.
Merke | Diese strikte Haltung in der Rechtsprechung wurde nach Meinung einer Reihe von Autoren durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor einigen Jahren aufgeweicht. Im entschiedenen Fall hatte die Ärztekammer Hamburg einem MKG-Chirurgen verboten, Schönheitsoperationen durchzuführen. Das BVerfG hob diese Entscheidung auf. Begründung: Das Kammergesetz für Heilberufe schließe eine solche Leistungserbringung vom Wortlaut her nicht grundsätzlich aus, dem Arzt könne somit nicht verboten werden, im geringfügigen Umfang (ca. 5 Prozent) auch fachfremde Leistungen zu erbringen (Urteil 01.02.2011, Az. 1 BvR 2383/10). Zur Abrechnung dieser Leistungen hat das BVerfG allerdings nichts gesagt bzw. die Abrechnung bei Kassenpatienten ausdrücklich ausgeschlossen. Daher ist es immer zu empfehlen, die Nr. 435 GOÄ nur durch Ärzte abrechnen zu lassen, die dafür über die entsprechende fachliche Qualifikation verfügen. Dies wäre u. a. die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“. |
AUSGABE: CB 7/2022, S. 11 · ID: 47847129