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CBChefärzteBrief

WahlleistungenGericht definiert Kriterien für Vereinbarung über die „gewünschte Vertretung“ des Wahlarztes

Abo-Inhalt29.06.20225445 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover

| Bei der Vertretung des Wahlarztes, unterscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) schon seit 2007 zwischen unvorhersehbarer und vorhersehbarer Verhinderung des Arztes. Der BGH begründet die Vertretung mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Demnach wären jedoch auch andere Konstellationen denkbar, wie z. B. eine Vereinbarung über die gewünschte Vertretung des Chefarztes (siehe Exkurs am Ende des Beitrags). Bisher hatte die überwiegende Rechtsprechung eine solche als unzulässig abgelehnt. Nicht so das Landgericht (LG) Regensburg: Die Richter knüpfen die Vereinbarung jedoch an strenge Voraussetzungen (Urteil vom 22.02.2022, Az. 23 S 63/21). |

Der Sachverhalt

Ein Patient – der spätere Kläger – ließ sich in der Klinik für Kardiologie eines bayerischen Universitätsklinikums behandeln. Geplant war u. a. ein Eingriff in Form einer elektrophysiologischen Untersuchung (EPU), einer speziellen Form der Herzkatheteruntersuchung. Vor Behandlungsbeginn unterschrieb der Patient eine Vereinbarung über eine gewünschte Vertretung. Darin erklärte er sich damit einverstanden, dass die EPU anstelle vom Chefarzt und Wahlarzt von einer Oberärztin als gewünschter Stellvertreterin durchgeführt werden sollte.

Merke | Die als Vertreterin gewünschte Oberärztin, eine Privatdozentin, hatte seit dem Jahr 2006 jährlich nahezu 200 derartige Eingriffe im Hause des später beklagten Klinikums durchgeführt. Sie unterstützt die Arbeiten des Curriculums der Fortbildungen für Herzschrittmacher-und Defibrillator-Therapie, ist Dozentin für Themen der Rhythmologie bei den Herz-Kreislauf-Tagen, hat die Elektrophysiologie-Einheit im Hause der Beklagten bereits kommissarisch geleitet und auf dem Gebiet entsprechend publiziert.

Die gewünschte Vertreterin führte die Behandlung wie geplant durch. Nachdem der Patient seinen Krankenhausaufenthalt beendet hatte, rechnete das Universitätsklinikum ab. Der Patient zahlte – darunter auch die wahlärztlichen Leistungen, die in der Klinik für Kardiologie einschließlich EPU erbracht worden waren. Die private Krankenversicherung (PKV) des Patienten sah jedoch die Vereinbarung über die gewünschte Vertretung im Bereich der Kardiologie als unwirksam an und erstattete die darauf entfallenden Leistungen nicht.

Der Patient klagte daraufhin mit Unterstützung der PKV auf Rückzahlung der auf den Eingriff entfallenden Behandlungskosten. In erster Instanz hatte die Klage vor dem Amtsgericht (AG) Regensburg Erfolg. Das LG Regensburg gab anschließend der dagegen eingelegten Berufung des Universitätsklinikums statt und sah die Vereinbarung über die gewünschte Vertretung bei der EPU im vorliegenden Fall als zulässig an.

Die Entscheidungsgründe

Das LG Regensburg sah die Vereinbarung des Universitätsklinikums mit dem Patienten über die gewünschte Vertretung durch die Oberärztin als wirksam an. Eine gewünschte Vertretung des Wahlarztes sei grundsätzlich zulässig. Allerdings seien an eine derartige Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss der Patient hinreichend aufgeklärt werden und zum anderen müssen hinreichende Qualitätsanforderungen an den behandelnden, den Chefarzt vertretenden Arzt gestellt werden, den der Patient sich wünscht. Erst eine herausgehobene ärztliche Qualifikation des gewünschten Vertreters oder dessen besondere Vertrauensbeziehung durch den Patienten rechtfertigen die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts. Es komme mithin immer auf den Einzelfall an, ob die Vereinbarung einer gewünschten Vertretung als wirksam anzusehen ist oder nicht.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil des LG Regensburg führt nicht zu einer willkürlichen Erweiterung der Möglichkeiten, wahlärztliche Leistungen abrechnen zu können, was manche Kostenträger vielleicht befürchten mögen. Das Gericht weist selbst darauf hin, dass an die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen sind.

Kriterien für die Wirksamkeit der Vereinbarung einer „gewünschten Vertretung“

  • Besondere Vertrauensbeziehung: Eine Begründung, warum der Wahlarzt sich bei operativen Eingriffen durch einen vom Patienten gewünschten Vertreter wirksam vertreten lassen kann, wäre eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen diesem Vertreter und dem Patienten. Eine solche Vertrauensbeziehung entsteht nicht gewissermaßen „über Nacht“. Voraussetzung dafür wäre entweder, dass der Patient durch den gewünschten Vertreter zuvor über Monate ambulant behandelt worden ist und sich dabei diese Vertrauensbeziehung herausgebildet hat. Eine solche langfristige Behandlung sowie die Vertrauensbeziehung sollten dokumentiert sein. Eine andere Möglichkeit für das Entstehen einer solchen Vertrauensbeziehung wäre, dass der gewünschte Vertreter den Patienten in der Vergangenheit schon einmal operiert hat und das Vertrauen dadurch entstanden ist.
  • Besondere Qualifikation des gewünschten Vertreters: Ein weiterer Weg zu einer wirksamen Vereinbarung über eine gewünschte Vertretung, wäre eine besondere Qualifikation des gewünschten Vertreters. Dieser sollte über besondere praktische und theoretische Erfahrungen auf dem Gebiet verfügen, wo er den Wahlarzt vertritt. Im vom LG entschiedenen Fall war eine solche Qualifikation der vertretenden Oberärztin gegeben. Dokumentiert sein muss nicht nur die Qualifikation, sondern insbesondere auch, dass mit dem Patienten darüber gesprochen worden ist, der Patient deshalb die Vereinbarung abgeschlossen hat, um sich die besondere Erfahrung des gewünschten Vertreters zu sichern.

Die Entscheidung des LG Regensburg hat darüber hinaus auch schon durch die Tatsache ihrer Existenz erhebliche praktisch-juristische Bedeutung. Kostenträger wollen solche Vereinbarungen über die gewünschte Vertretung nicht. Dies wird sich voraussichtlich auch nach Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung nicht ändern. In zukünftigen Rechtsstreitigkeiten über Honorarforderungen auf der Grundlage einer Vereinbarung über die gewünschte Vertretung kann das Urteil eine wichtige Hilfe sein, da insbesondere AG sich an solchen Entscheidungen der nächsthöheren Instanz zu orientieren pflegen. Sollte ein Honorarprozess über derartige Forderungen in Zukunft vor einem AG verloren gehen, kann das in der als Berufungsinstanz zuständige LG zukünftig – selbst wenn es die Meinung des AG teilt – die Berufung nicht mehr einfach mangels Erfolgsaussichten zurückweisen, sondern muss ebenfalls entscheiden. In einem solchen Fall kann vor dem LG ggf. auch die Zulassung der Revision zum BGH beantragt werden, um eine Grundsatzentscheidung über die Wirksamkeit einer Vereinbarung über die gewünschte Vertretung herbeizuführen.

Exkurs: BGH-Rechtsprechung zur Vertretung des Wahlarztes

Schon am 20.12.2007 entschied der BGH, dass sich Wahlärzte im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen vertreten lassen können (Az. III ZR 144/07; vgl. CB-Sonderausgabe „Der Chefarzt als Wahlarzt“, Abruf-Nr. 45173410, ibid. Seite 7 f.). Unerheblich ist, ob der Wahlarzt über ein originäres Liquidationsrecht verfügt oder nicht. Der BGH unterscheidet zwei Konstellationen:

  • Die Verhinderung des Wahlarztes ist bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung unvorhersehbar. Hier kann anstelle des Wahlarztes dessen ständiger ärztlicher Vertreter seine Vertretung übernehmen und die ärztlichen Wahlleistungen sind weiterhin abrechenbar.
  • Die Verhinderung des Wahlarztes ist bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung vorhersehbar. Hier ist der Abschluss einer individuellen Vertretungsvereinbarung erforderlich, wenn der Wahlarzt sich vertreten lassen will und die Wahlleistungen als solche abrechenbar bleiben sollen.

Der BGH hat die Möglichkeit für Wahlärzte, sich im o. g. Umfang vertreten zu lassen, mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit begründet. Wenn man auf Vertragsfreiheit abstellt, würde dies allerdings auch bedeuten, dass grundsätzlich auch andere Konstellationen bei der Vertretung des Wahlarztes im Zusammenhang mit der Erbringung wahlärztlicher Leistungen zulässig sind. Es kann z. B. vorkommen, dass sich der Patient von einem anderen Arzt seiner Wahl im Kernbereich der wahlärztlichen Leistungen behandeln lassen möchte, nicht vom Wahlarzt, sondern vom sog. gewünschten Vertreter. Gründe für diesen Wunsch des Patienten können zum einen darin liegen, dass er zu diesem Arzt eine besondere Vertrauensbeziehung aufgebaut hat, zum anderen in dessen herausgehobener Qualifikation auf einem bestehenden Spezialgebiet (s. o.).

Fazit | Bei Patienten, die sich für allgemeine Krankenhausleistungen entschieden haben, ist der Krankenhausträger verpflichtet, Facharztstandard zu gewährleisten. D. h., dass der Patient Anspruch darauf hat, dass die ärztlichen Leistungen durch den jeweils diensthabenden Facharzt erbracht werden. Bei Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung kauft sich der Patient die Leistungen hochqualifizierter Spezialisten, der Wahlärzte des Krankenhauses, in Sorge um seine Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Honorars hinzu. Für diesen Mehrwert, den der Patient mit dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung bekommt, sind hier diese Wahlärzte zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Der Patient, der sich über den Abschluss einer Vereinbarung über die gewünschte Vertretung die Dienste des von ihm gewünschten Arztes sichert, erhält zwar keine wahlärztlichen Leistungen, aber ebenfalls einen Mehrwert, den er im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen nicht bekommen würde. Die GOÄ sieht für wahlärztliche Leistungen, die nicht durch den Wahlarzt oder seinen ständigen ärztlichen Vertreter erbracht werden, eine durch § 5 Abs. 5 GOÄ begrenzte Vergütung vor. Die Entscheidung des LG Regensburg ist vielleicht ein Beitrag dazu, die Diskussion über die gewünschte Vertretung zu versachlichen.

AUSGABE: CB 7/2022, S. 3 · ID: 48284949

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