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Kaufrecht/SchadenersatzErfreuliches Autohaus-Urteil: Fristsetzung zur Nacherfüllung ist Bedingung für Schadenersatz

Top-BeitragAbo-Inhalt25.04.20234910 Min. LesedauerVon Andrej Pletter, Rechtsanwalt und Notar, Buchholz in der Nordheide

| Dem Kaufrecht wird von Unternehmer-Seite immer wieder vorgeworfen, nur den Verbraucher zu schützen. Dass das nicht immer so ist, zeigt ein händlerfreundliches Urteil des LG Lübeck. ASR macht Sie mit dem Urteil vertraut und erläutert dessen Bedeutung für die Autohaus-Praxis. |

Der Gewährleistungsfall vor dem LG Lübeck

Im konkreten Fall stritt ein Verbraucher mit einem Autohaus um Schadenersatz. Dieser Kunde hatte bei dem Autohaus im April 2020 – also noch nach „altem Kaufrecht“ – einen gebrauchten VW Bus T5 gekauft. Die Gewährleistungsansprüche wurden im Kaufvertrag auf ein Jahr verkürzt.

Das Autohaus übergab den Bus am 30.04.2020 an den Kunden. Am 22.06.2020 zeigte der Bus Fehlermeldungen an, die auf ein defektes AGR-Ventil hindeuteten. Der Kunde ließ das AGR-Ventil auswechseln – in einer Fremdwerkstatt und nicht gegen originale VW-Ersatzteile. Es folgten weitere Fehlermeldungen; das AGR-Ventil wurde ein zweites Mal ausgewechselt. Schließlich gab der Kunde ein Sachverständigengutachten in Auftrag, das hinsichtlich der Fehlermeldungen zu keinem abschließenden Ergebnis kam. Es ging vor Gericht. Dort behauptet der Kunde, dass er das Autohaus über den Mangel am AGR-Ventil telefonisch und per SMS informiert habe. Das Autohaus hingegen ist der Ansicht, der Kunde habe lediglich das Vorhandensein eines Mangels mitgeteilt. Daraufhin habe man den Kunden um Vorstellung des Busses gebeten, um den Bus entsprechend untersuchen zu können. Dieser Aufforderung sei der Kunde aber nicht nachgekommen.

Ergebnis: Das LG Lübeck hat den Schadenersatzanspruch des Kunden gegen das Autohaus verneint. Begründung: Der Kunde habe dem Autohaus keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Der Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung setze aber nach § 281 BGB voraus, dass der Kunde in seiner Rolle als Käufer dem Verkäufer (= Autohaus) erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzt. Setzt der Kunde keine Frist zur Nacherfüllung und nimmt dem Autohaus durch eine voreilige Selbstvornahme die Nacherfüllungsmöglichkeit, verliert er nach der Grundkonzeption des BGB seine Mängelrechte.

Die Bedeutung des Urteils für die Autohaus-Praxis

Das Urteil des LG Lübeck zeigt auf erfreuliche Weise, dass die alte Leier, dass der „arme“ Verbraucher gegenüber dem Autohaus immer schützenswert ist, so nicht stimmt. Wenn Sie als Autohaus lediglich über einen Mangel informiert werden, können Sie sich entspannt zurücklehnen. Ein wirksames Nacherfüllungsbegehren wird dadurch nicht in Gang gesetzt.

Wichtig | Entscheidend ist nicht der Kommunikationsweg, sondern der Inhalt. Hätte der Kunde eine unmissverständliche Frist zur Nacherfüllung per SMS gesetzt, wäre diese wirksam. Auch ein Telefonat reicht unter Umständen aus. Maßgeblich ist, dass Sie der Kunde konkret zur Leistung auffordert.

Entbehrlichkeit der Fristsetzung

Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn Sie die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigern (§ 281 Abs. 2 Hs. 1 BGB). Davon ist abzuraten.

So verhalten Sie sich bei Aufforderung zur Nacherfüllung richtig

Wenn der Kunde Sie zur Nacherfüllung auffordert, teilen Sie ihm mit, dass Sie im Rahmen Ihrer Einstandspflicht nacherfüllungsbereit sind, und bieten Sie an, das Fahrzeug abzuholen. Sollte sich herausstellen, dass kein Gewährleistungsfall vorliegt, können Sie Ihre Kosten (inklusive Transportkosten) zurückfordern. Bewahrheitet sich der Gewährleistungsfall, haben Sie auch die Transportkosten zu tragen, sodass es meist billiger ist, wenn Sie den Transport selbst organisieren. Ihre Erklärung können Sie wie folgt formulieren:

Musterformulierung / Erklärung der Einstandspflicht

Wir haben Ihre Mängelanzeige zur Kenntnis genommen und bestätigen, etwaige Mängel im Rahmen unserer Einstandspflicht zu beseitigen.

  • Alternative 1: Wir sind bereit, das Fahrzeug zum Zwecke der Untersuchung und Beseitigung der von Ihnen behaupteten Mängel abzuholen.
  • Alternative 2: Wir übernehmen die Kosten für den Transport zu unserer Werkstatt. Diese Transportkosten zahlen wir Ihnen als Vorschuss vorab (vgl. §§ 439 Abs. 2, 475 Abs. 4 BGB). Wir gehen von Kosten in Höhe von ... Euro aus. Sollten höhere Kosten entstehen, bitten wir um einen entsprechenden Beleg.

Sollte sich herausstellen, dass unsere Einstandspflicht nicht gegeben ist, tragen Sie alle dadurch entstandenen Kosten.

Das Lübecker Urteil im Zeitalter des „neuen Kaufrechts“

Das neue, seit 01.01.2022 geltende Kaufrecht verschärft die Situation für das Autohaus. Insbesondere nach § 475d BGB besteht ein Schadenersatzanspruch gegen das Autohaus (= Verkäufer) auch ohne Fristsetzung, wenn

  • der Verkäufer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucherkunde ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat,
  • sich trotz der vom Verkäufer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt,
  • der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist,
  • der Verkäufer die nach § 439 Abs. 1 oder 2 oder § 475 Abs. 5 ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder
  • es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Verkäufer nicht nach § 439 Abs. 1 oder 2 oder § 475 Abs. 5 ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

Diese fünf Punkte lagen bei dem Fall vor dem LG Lübeck aber nicht vor, sodass das Gericht auch nach neuem Kaufrecht zum dem Urteil gelangt wäre.

AUSGABE: ASR 5/2023, S. 7 · ID: 49332908

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