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StressmanagementWie Sie Mitarbeitern (und sich selbst) helfen, mit Stress besser umzugehen

Abo-Inhalt18.08.2025105 Min. LesedauerVon Dipl.-Volksw. Stephanie Kiel, Kaarst, und Philipp Kemper, Personal Fitnesstrainer B. A., Düsseldorf

| Als Führungskraft können Sie nicht nur den eigenen Stresslevel in herausfordernden Zeiten meistern, sondern auch den Mitarbeitern helfen, ihre Belastungen souverän zu bewältigen. Der folgende Beitrag bietet Ihnen praxisnahe, sofort umsetzbare Hilfen, um selbst in akuten Situationen „schnell runterzukommen“ und den Stress im Kanzleiteam zu reduzieren. Sie lernen gezielte und effektive Techniken kennen, die Sie nicht nur gelassener, sondern auch produktiver werden lassen. |

Druck als Stressfaktor Nr. 1 vermeiden

Unser Körper reagiert auf Stress automatisch. Das vegetative Nervensystem schüttet Botenstoffe aus, die den Herzschlag beschleunigen und die Spannung in den Muskeln ansteigen lässt. Der Körper schafft dadurch beste Voraussetzungen, um zu kämpfen, wegzulaufen oder sich tot zu stellen. Diese Reaktionen haben unseren frühen Vorfahren das Überleben gesichert.

Für Sie als Anwalt kann eine spontane und sichtbare Reaktion auf Druck jedoch ungünstig sein. Wenn von außen keine Reaktion erkennbar ist, bedeutet das jedoch nicht, dass die Botenstoffe, die das vegetative Nervensystem bei Stress ausschüttet, nicht im Körper wären und wirken.

Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol sorgen dafür, dass die Großhirnrinde weniger durchblutet wird. Komplexe Problemlösungen und gute neue Ideen werden nicht unterstützt. Langfristig macht chronischer Stress krank.

Als Chef haben Sie positive Einflussmöglichkeiten

Gefühlte Sicherheit ist wesentlich, um die biologische Stressreaktion nicht auszulösen. Darauf wirken folgende Faktoren positiv:

  • Ergebnissicherheit: „Wenn ich etwas nicht weiß, kann ich mich an den Chef wenden.“ Sollten Sie darin sehr gut sein, achten Sie darauf, Ihre Mitarbeiter zur Eigenverantwortung anzuhalten. Sonst übernehmen Sie Tätigkeiten, die nicht Ihrer Rolle entsprechen.
  • Prozessuale Sicherheit: Wenn Sie keine Ergebnissicherheit geben können oder wollen, geben Sie prozessuale Sicherheit. Sprechen Sie darüber, was als nächstes passiert oder geben Sie Hinweise, wo die Mitarbeiter die benötigten Informationen finden können.
  • Verlässlichkeit: Reagieren Sie auf gleiche Ereignisse nach Möglichkeit in gleicher Weise. Wenn Sie Mitarbeitende an einem Tag zurückgrüßen und an einem anderen Tag nicht, kann das zu Irritationen führen. Die gefühlte Sicherheit schwindet. Das gilt ebenso für negative Reaktionen: Wird ein Fehlverhalten mal angesprochen und mal nicht, hat das für das Sicherheitsempfinden negativere Auswirkungen, als wenn jeder weiß, was folgt.
  • Fehlerkultur: Trennen Sie den Menschen und sein Verhalten, wenn Sie unerwünschtes Verhalten thematisieren. Die Mitarbeitenden sind leichter in der Lage, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie spüren, dass sie grundsätzlich als Mensch geschätzt werden. Wie setzen Sie das um? Überlegen Sie, woran Sie merken würden, dass Sie jenseits Ihrer Leistung als Mensch willkommen sind – und probieren das aus. Dies kann für jede Person unterschiedlich sein und bedeutet gelebte Führung. Wählen Sie einen freundlichen Ton, auch wenn Sie ein kritisches Thema ansprechen. Seien Sie trotzdem klar in der Sache. Freundliche Worte vor und nach der Kritik helfen auch, sich trotz des angesprochenen Fehlverhaltens wertgeschätzt zu fühlen.
  • Vermeiden Sie Generalisierungen: Wenn Sie zu Ihren Mitarbeitenden sagen „Sie sind immer unpünktlich!“ oder „Nie helfen Sie Ihren Kollegen!“ ist das ein unspezifischer Angriff auf die Person. Er löst unnötigen Stress aus. Seien Sie stattdessen präzise „Am Tag xyz sind Sie zu spät zum Termin erschienen.“ Jetzt ist klar, worauf sich Ihre Kritik bezieht und welches Verhalten angepasst werden soll.
  • Ich-Botschaften: Sowohl für Kritik als auch für Lob gilt: Beschreiben Sie nur, was Sie selbst gesehen haben. Formulieren Sie anschließend Ihre Erwartungen oder Wünsche klar als Ich-Botschaften. Nebulöse Andeutungen führen zu unnötiger Verunsicherung. „Mir wurde zugetragen, Sie seien unpünktlich. Es wäre besser, wenn Sie das ändern würden.“, kann dazu führen, dass die angesprochene Person ab jetzt allen Kollegen misstraut. Diese Verunsicherung verursacht wieder unnötigen Stress.
  • Psychologische Sicherheit: Auch wenn es in den öffentlichen Debatten anders belegt ist, überprüfen Sie, ob Sie eine „Willkommenskultur“ haben. Spüren die Menschen, dass sie in Ihrer Kanzlei erwünscht sind? Heutzutage sind viele Menschen skeptisch geworden und es braucht viele positive Wiederholungen und absolut konsistentes Verhalten, bis sie ver-trauen. Die Belohnung für Ihre Bemühungen ist aber nicht nur überdurchschnittliche Verbundenheit und Engagement, sondern auch gefühlte Sicherheit. Daraus folgen Stressresistenz und bessere Arbeitsergebnisse.
  • Sie als Leuchtturm: Als Chef stehen Sie ständig unter Beobachtung. Sie sind Gradmesser für den Ernst der Lage. Senden Sie Stresssignale aus, die nicht eingeordnet werden können, wirkt sich das negativ auf das Sicherheitsgefühl Ihrer Mitarbeiter aus.

So verbessern Sie die eigene Stresskompetenz

Wissen Sie, was Sie tun können, um unter Druck weiterhin entspannt zu sein und Ihre biologische Stressreaktion zu managen? Hier sind ein paar Techniken, die helfen:

  • Progressive Muskelentspannung (PME/PMR): Bei dieser Methode werden verschiedene Muskelgruppen systematisch angespannt und anschließend entspannt, um körperliche und geistige Anspannung abzubauen. Durch die Anspannung zu Beginn nehmen Sie die Entspannung besser wahr und bemerken, welche Bereiche Sie vorher – bewusst oder unbewusst – angespannt haben. Das fördert das Bewusstsein für Körperempfindungen und hilft, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Das Schöne daran ist, dass sich die Methode leicht erlernen lässt, sie nahezu überall anwendbar ist und dabei nur wenig Zeit in Anspruch nimmt.
  • Atemübungen: Sie sind eine weitere Möglichkeit, sich in akuten Phasen zu entspannen und die Stresskompetenz zu verbessern. Eine sehr bekannte Variante ist die 4-7-8-Atmung. Dabei atmen Sie zunächst vier Sekunden lang durch die Nase ein, halten den Atem für sieben Sekunden an und atmen dann langsam über acht Sekunden durch den Mund aus. Diese Übung aktiviert das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung zuständig ist. Durch die langen Atemzyklen verlangsamen Sie die Herzfrequenz. Durch die Fokussierung auf den Atem beruhigen Sie den Geist und lenken ihn von stressauslösenden Gedanken ab. Um die Übung fokussiert durchzuführen, suchen Sie sich einen Rückzugsort, an dem Sie für ein paar Atemzüge ungestört sein können.

Die beiden Methoden eignen sich besonders gut in akuten Stressphasen. Wenn Sie längerfristig die Stresskompetenz verbessern wollen, ist ein bisher weniger bekanntes Prinzip äußerst vielversprechend.

  • Gehirnjogging in Kombination mit Bewegung: Dies ist ein innovatives Trainingskonzept, das Bewegung, Wahrnehmung und Gehirntraining miteinander kombiniert. Es fördert die geistige Flexibilität, Koordination und Konzentration durch verschiedene Übungen, die sowohl den Körper als auch das Gehirn aktivieren. Stellen Sie sich vor, Sie würden morgens die Zähne mit der ungewohnten anderen Hand (z. B. links für Rechtshänder) putzen, während Sie zeitgleich einen Tennisball unter einem Fuß rollen. Klingt anspruchsvoll und genau das soll es auch sein.
  • Das Training stimuliert die neuronale Vernetzung im Gehirn, was die kognitive Leistungsfähigkeit steigert und emotionalen Stress reduziert. Zum einen, weil der Geist von stressauslösenden Gedanken abgelenkt wird – er muss sich bereits auf anderes konzentrieren. Zum anderen, weil die Fehleranfälligkeit sinkt und die Produktivität unter Druck verbessert wird. Beide Effekte führen zu einer spürbaren und nachhaltigen Stressreduktion und Leistungssteigerung.
  • Visualisierung: Wenn Sie sich regelmäßig beruhigende Szenarien vorstellen, versetzen Sie Ihr Gehirn in einen Zustand der Entspannung. Es kann nicht zwischen Vorstellung und tatsächlicher Erholung unterscheiden. Indem Sie sich bewusst auf solche Bilder konzentrieren – z. B. das sanfte Rauschen der Wellen, die Wärme der Sonne auf der Haut, den weichen Sand unter den Füßen – beruhigen Sie Ihr Nervensystem effektiv. Diese Technik hilft auch, den Geist von belastenden Gedanken zu lösen und eine innere Distanz zu stressigen Situationen zu schaffen.

AUSGABE: AK 9/2025, S. 160 · ID: 50293862

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