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PersönlichkeitsrechtAnwalt im „Spottlicht“: Was darf Satire?
| Was Satire eigentlich darf, darüber wird vor Gericht immer wieder gestritten. Auch Anwälte können das Ziel satirischer Ergüsse sein. Der folgende Beitrag und das Interview mit Rechtsanwalt und Experte für Medienrecht David Geßner aus Berlin erläutern, wie weit satirische Attacken gegen Juristen gehen dürfen und wie hoch die Hürden sind, wenn ein Anwalt Entschädigung verlangt. |
1. Ein aktueller Fall
Als Anwalt freut man sich darüber, wenn „sein“ Prozess in der Zeitung oder digitalen Kanälen landet und diskutiert wird. Das eigene juristische Geschick wird publik und stützt vielleicht auch die Akquisition neuer Mandate. Weniger erfreulich ist, wenn ausgerechnet die eigenen Mandanten ihren Spott mit dem Bevollmächtigten treiben. So geschehen in dem Fall vor dem OLG Dresden, in dem ein Mandant einen Zeitungsartikel verfasste, in dem er seiner Anwältin einen „filmreifen Auftritt“ bescheinigte, „elegant, selbstbewusst und attraktiv“, „gleich einer „Dame vom Escort-Service“ (iww.de/ak, Abruf-Nr. 49776524). Eine solche „Werbung“ wünscht man sich nicht. Die eingeklagte Entschädigung erhielt die Anwältin jedoch nicht.
2. Die gesellschaftlichen Tendenzen
Natürlich unterliegt der Umgang mit Humor und Satire einem Wandel und bekommt den Stempel des Zeitgeists verpasst. Tummelten sich Satiren bisher eher auf dem Parkett politischer Themen und waren Humor und Kabarettformate durchaus bissig und böse, haben zuletzt insbesondere Formate im Comedy-Genre zu einer Gewöhnung an Geschmacklosigkeiten und fortlaufenden Grenzüberschreitungen beigetragen. Hinzu mischt sich ein gesellschaftlich verschärfter Sound, der auch im Job nicht außen vor bleibt.
3. Welche satirischen Attacken müssen Anwälte aushalten?
„Viele Kollegen klagen oft über einen rauer gewordenen Ton in der Anwaltschaft“, so die Präsidentin des Anwaltsgerichtshofs Niedersachsen Dr. Birgit Paetow-Thöne. Bei Anwälten ist allerdings zwischen satirisch gefärbten Angriffen oder klassischen Scharmützeln zu unterscheiden, wie sie sich in geharnischten Schriftsätzen zeigen können. Da ist schnell von „anwaltlicher Inkompetenz“ oder „grottenfalscher Gutachterarbeit“ die Rede. Das kann aber durchaus hinzunehmen sein, vor allem, wenn sich Provokationen hochschaukeln (OLG Frankfurt/Main 12.10.17, 8 W 19/17, Abruf-Nr. 198522). Sowohl die o. g. Entwicklungen als auch Entscheidungen wie die des OLG Dresden werfen daher die Frage auf, was sich Anwälte gefallen lassen müssen, wenn sie von der Gegenseite oder anderen Prozessbeteiligten in satirischer Form attackiert werden. David Geßner ist Rechtsanwalt und Experte für Medienrecht in Berlin. Wir haben ihn gefragt, womit Juristen leben müssen, die ins satirische Minenfeld geraten. Sein Fazit ist: Robenträger müssen Gelassenheit mitbringen und einiges einstecken.
Frage: Ist es Satire, wenn eine Anwältin in der Zeitung über sich liest, „elegant, wie eine Dame vom Escort-Service“ in den Sitzungssaal geschwebt zu sein?
Antwort: Die Akzeptanz von Satire und Geschmacksgrenzen ist innerhalb der Gesellschaft unterschiedlich. Grundsätzlich lässt sich natürlich sagen, dass von Satire Betroffene – neben Individuen auch Randgruppen – ein geringeres Maß an Akzeptanz mitbringen als die Konsumenten von Satire, die das Ganze amüsiert von außen betrachten können. Tatsächlich sind heutzutage klassische Satireformate weit mehr als eine kritische, verzerrte Darstellung.
Frage: Was ist insoweit anders als vor 10 oder 15 Jahren?
Antwort: Dahinter verbirgt sich heute oft ernst gemeinter Investigativjournalismus. Unter dem Deckmantel der Satire und Kunstfreiheit können Existenzen vernichtet werden. Gerade im digitalen Zeitalter, in dem sich Inhalte in den sozialen Medien rasend schnell verbreiten, muss juristisch genau geprüft werden – vor allem, wenn Satire Tatsachenbehauptungen enthält.
Frage: Wie bewerten Sie insoweit die Entscheidung des OLG Dresden, was mögliche Entschädigungen von Anwälten angeht?
Antwort: Ich halte sie grundsätzlich für richtig. Ohne satirischen Kontext kommen Geldentschädigungen bei Verletzungen der Sozial- bzw. Berufssphäre in der Regel nicht in Betracht. Ebenso wenig, wenn Mandanten die eigene mündliche Gerichtsverhandlung und das Auftreten der eigenen Anwälte publizistisch verarbeiten. Auch ohne die Rechtfertigungen der Äußerungen über die Kollegin als zulässige Satire würde es an einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts fehlen.
Frage: Gibt es dabei Ausnahmen, wenn die Äußerungen drastischer ausfallen?
Antwort: Wenn die Schilderungen Schmähkritik enthalten oder private/intime Details über die Anwältin fernab des eigentlichen Mandats öffentlich zugänglich gemacht worden wären, hätte man über eine Geldentschädigung nachdenken können. Materieller Schadenersatz wäre denkbar, wenn der Anwältin durch unwahre Tatsachenbehauptungen oder sonstige persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen ein finanzieller Schaden entstanden wäre, der kausal auf die rechtsverletzenden Äußerungen zurückzuführen wäre. Etwa, wenn sich Mandanten abwenden und Mandatsbeziehungen kündigen.
Frage: Das klingt eher so, als müssten Juristen „ein dickes Fell“ mitbringen?
Antwort: Die Rechtsprechung in Sachen Satire bleibt ihrer Linie insgesamt treu. Betroffene müssen recht viel als von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt ertragen. Da sind Anwälte aufgrund ihrer beruflichen Stellung oder aus sonstigen Gründen eben nicht ausgenommen.
Vielen Dank, Herr Geßner.
- OLG Frankfurt / Main 12.10.17, 8 W 19/17, Abruf-Nr. 198522
- Anwälte müssen mit Satire-Berichterstattung leben iww.de/ak, Abruf-Nr. 49776524
- Der Anwalt hat keinen Auskunftsanspruch über anhängige Berufsrechtsverfahren von Kollegen, AK 23, 146
- Ehrverletzende Äußerungen eines Anwalts versus freie Meinungsäußerung, AK 22, 133
AUSGABE: AK 8/2024, S. 139 · ID: 49889218