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Klimaschutz in der KanzleiVon der Energiewende kann die Kanzlei profitieren
| Die Dynamik der Energiewende nimmt zu: Die Bundesregierung setzt auf grünen Wasserstoff. Die Länder investieren viele Millionen EUR in Windkraft und Solarparks. Die EU setzt auf den Green Deal. Kanzleien können sich direkt an der Energiewende beteiligen und davon profitieren, in dem sie auf Ökostrom umstellen und Energie sparen. |
1. Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom
In der Kanzlei gehören Beleuchtung, Computer, Drucker, Telefon-, Alarm- und Klimaanlage zu den Stromfressern. Ihr Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen lassen sich durch einen Wechsel zu einem Ökostromanbieter senken. Alte Verträge mit Stromanbietern können inzwischen recht kurzfristig gekündigt werden. Mit Wirkung zum 1.3.22 legte der Gesetzgeber fest, dass die Kündigungsfrist von Strom- und Gasverträgen nur noch einen Monat betragen darf. Wird die Frist verpasst, verlängert der Vertrag sich i. d. R. nur um einen Monat. Die Tarife der Grundversorger, wie Stadtwerke, dürften sogar nur eine Kündigungsfrist von 14 Tagen haben.
Allerdings ist der Begriff „Ökostrom“ in Deutschland nicht geschützt, einen gesetzlichen Standard gibt es nicht. In Österreich regelt das gleichnamige Gesetz, dass Ökostrom aus erneuerbaren Energien kommen muss – in Deutschland kann der Begriff zu Marketingzwecken auch verwendet werden, wenn der Strom nicht zu 100 % aus erneuerbaren Energien stammt. So kann es sein, dass ein Versorger zwar Strom aus fossilen Brennstoffen, wie Braun- und Steinkohle, Erdgas oder Erdöl einspeist, allerdings über den EU-Emissionshandel (EU-ETS; iww.de/s8448) Zertifikate über Strom aus erneuerbaren Energien gekauft hat. Das erlaubt ihm, eine bestimmte Menge an Schadstoffen über einen bestimmten Zeitraum zu produzieren.
Dieser Emissionshandel hat sich Ökonomen zufolge als geeignetes Instrument erwiesen, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Denn die Anzahl der Zertifikate ist begrenzt und wird verringert. Da die Emissionen in den ETS-Sektoren bis 2030 um 62 % gegenüber 2005 gesenkt werden müssen, sinkt die EU-weite Menge an Zertifikaten einmalig um 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2024 und 27 Millionen Tonnen im Jahr 2026. Kritiker des EU-ETS bemängeln jedoch, dass Gewinne nicht in den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland investiert würden und daher kein Mehrwert für die Umwelt entstehe.
Doch woran erkennt eine Kanzlei, ob der von ihr bezogene Strom wirklich aus erneuerbaren Energien stammt? Mehrere Umwelt- und Verbraucherverbände haben schon im Jahr 1998 das Ökostromlabel „Grüner Strom“ gegründet (gruenerstromlabel.de). Es schließt eine Umetikettierung von Atom- oder Kohlestrom aus. Inzwischen wurden 210 Ökostromtarife unterschiedlicher Energieversorger mit dem „Grüner Strom-Label“ ausgezeichnet.
Praxistipp | Parallel richteten die Verbände das Biogaslabel „Grünes Gas“ ein. Auch das Label „ok-power“ (ok-power.de) des Vereins EnergieVision e. V. informiert über Tarife, deren Strom zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt und mit denen sich die Energiewende beschleunigen lässt. Ökostromtarife können günstiger sein als der Grundversorgungstarif der örtlichen Stadtwerke. Prüfen Sie die Preise über ein Vergleichsportal (z. B. verivox.de) und wechseln Sie eventuell den Anbieter. |
2. Stromfressern auf der Spur sein
Büro- und Elektrogeräte brauchen viel Strom. Bildschirmschoner kosten deutlich mehr Strom als der Ruhemodus. Spätestens abends sollten Sie alle Geräte abschalten und nicht über Nacht durchlaufen lassen. Dabei helfen Stromsteckerleisten. Der WLAN-Router lässt sich so programmieren, dass er nur während der Kanzleizeiten in Betrieb ist. Sind Elektrogeräte älter als 15 Jahre, lohnt sich meist die Investition in ein energieeffizienteres Gerät. So sollte der Kanzlei-Kühlschrank mindestens zur neuen Energieeffizienzklasse D (früher A+++) gehören.
Um Stromfresser zu identifizieren und die benötigten Kilowattstunden genau zu beziffern, helfen Strommessgeräte. Baumärkte bieten sie zum Verleih an. Sinnvoll ist, einen Energiebeauftragten der Kanzlei zu benennen, der sich systematisch um Einsparpotenziale kümmert (AK 23, 14; AK 23, 16).
3. Rebound-Effekte gegenrechnen
Als während der Pandemie die Digitalisierung voranschritt und Videokonferenzen auch in den Kanzleien selbstverständlich wurden, galt dies als umwelt- und klimafreundlich. So verursacht ein Online-Meeting weniger CO2-Emissionen als die Dienstreise mit dem Auto oder Flugzeug. Doch inzwischen ist der sog. Rebound-Effekt (iww.de/s8449) eingetreten: Effizienzgewinne werden aufgezehrt, weil heutzutage sehr viele Videokonferenzen stattfinden. Sie ersetzen nun auch Telefonate oder kurze E-Mail-Wechsel, die deutlich weniger Strom beanspruchen würden. Hinzu kommen Video- statt Textchats per Smartphone.
4. An LEDs führt kein Weg mehr vorbei
Um Betriebskosten zu senken, gehören energieeffiziente LED-Leuchten in jedes Beleuchtungskonzept. Hinweisschilder, Parkplatz- und Hausflurbeleuchtung sollten nicht nur LEDs haben, sondern auch mit Bewegungsmeldern oder Zeitschaltuhren ausgestattet sein. Denn jede Minute, in der eine Lampe nicht leuchtet, spart Energie. LEDs haben eine Lebensdauer von etwa 50.000 Schaltzyklen. Bei den Glühlampen, die die EU mittels der „Verordnung zu Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Haushaltslampen“ (iww.de/s8450) 2012 endgültig aus dem Verkehr zog, waren es nur etwa 1.000 Schaltzyklen. Die Auswahl der LED-Lichtfarben ist groß, Probleme mit schlechter Lichtausbeute gehören der Vergangenheit an. Im Gegensatz zu quecksilberhaltigen Energiesparlampen müssen LEDs nicht in den Sondermüll. Allerdings sollten sie auch nicht in den Hausmüll, sondern in die Recyclingtonne, da sie wertvolle Rohstoffe enthalten.
5. Klimaanlagen enthalten Treibhausgase
Achten Sie beim Kauf einer Klimaanlage auf Energieeffizienz, Eco-Modus, technischen Service ohne weite Anfahrt und eine geringe Leckrate, sodass wenig Kühlmittel nachgefüllt werden muss. Fluorierte Kältemittel haben hohes Treibhauspotenzial und sind bisher kaum zu ersetzen. Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik forscht zu einer Kühltechnologie, bei der durch Magnetisierung ein Zyklus aus Erwärmen und Abkühlen entsteht (iww.de/s11021).
6. Dicker Pulli statt hoher Raumtemperatur
Heizenergie gehört auch zu den großen Verursachern von CO2-Emissionen. Dem BMWK zufolge stammen noch 80 % der Wärmeversorgung aus fossilen Energieträgern wie Erdgas und Öl. Klimafreundliche Wärme aus Biomasse, wie Holz oder Rapsöl, sowie Biogas aus landwirtschaftlichen Abfällen ist bisher kaum verbreitet. Nicht jede Kanzlei sitzt in einem Neubau mit energieeffizientem Wärmetauscher und gut gedämmten Fenstern. Kurzfristig lässt sich die Heizungsanlage hier durch einen hydraulischen Abgleich optimieren (AK 22, 210). Stoßlüften statt Kippstellung der Fenster und eine niedrigere Raumtemperatur helfen ebenfalls. Es gilt die Faustregel, dass ein Grad Celsius weniger Raumtemperatur 6 % weniger Heizenergie verbraucht.
Praxistipp | Dem Absenken der Raumtemperatur sollte das Kanzleiteam zustimmen. Ein „Dicker-Pulli-Tag“ könnte das Kanzleiteam motivieren, die Heiztemperatur den gesamten Winter über zu senken (https://dickerpullitag.de). Die Idee kommt aus den Niederlanden – in Deutschland wurde der „Dicke-Pulli-Tag“ von zwei parteilosen Privatpersonen auf den Weg gebracht. Sie riefen im Jahr 2020, also noch vor der Energiekrise, zum ersten Mal dazu auf, mit dickem Pullover ins Büro zu gehen. Große Unternehmen und Verwaltungen schlossen sich an. |
Mittelfristig kann eine energetische Sanierung viele Kosten sparen. Denn die CO2-Bepreisung für Öl und Gas wird in den kommenden Jahren deutlich anziehen. Die Stiftung Warentest hat errechnet, wann sich der Einbau einer Wärmepumpe lohnt (iww.de/s8451). Wie schnell sich die Investition amortisiert, hängt von der Höhe des (Öko)-Stromtarifs ab. Über die Fördermöglichkeiten informiert der Bundesverband Wärmepumpe (iww.de/s8452).
7. Mehr umweltfreundliche Reinigungsmittel nutzen
Ein sparsamer Wasserverbrauch erfordert weniger Energie, um es zu reinigen und aufzubereiten. Wasserstopper an den Toiletten sind inzwischen selbstverständlich. Auch dürften tropfende Wasserhähne in Kanzleien schnell repariert werden. Viel Wasser geht jedoch verloren, weil Beschäftigte sich die Hände waschen und den Wasserhahn während des Einseifens der Hände nicht schließen. Zudem spart kaltes statt warmes Wasser Heizenergie. Auch im Abwasser steckt Verbesserungspotenzial. Zu den schwer abbaubaren Stoffen, die sich in manchen Reinigungsmitteln befinden, gehören Phosphate, optische Aufheller und Silikone. Umweltfreundliche Mittel können eine Alternative sein.
AUSGABE: AK 7/2024, S. 119 · ID: 49630526