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SorgfaltspflichtenAnwälte müssen auf genesene Mitarbeiter achten: wirklich gesund zurück?

Abo-Inhalt22.06.2024563 Min. LesedauerVon Christian Noe B. A., Göttingen

| Immer wieder beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, wie gut Kanzleien auf krankheitsbedingte Ausfälle vorbereitet sind. Meistens geht es dabei um die Anwälte selbst, die bei versäumten Fristen ihre Erkrankung genauer erläutern müssen (AK 22, 2). Was aber oft übersehen wird: Anwälte müssen auch darauf achten, dass genesenes Personal wieder einsatzfähig ist. AK stellt Ihnen hierfür eine Musterformulierung bereit. |

1. Gut geschulte Kanzleikräfte nützen wenig, wenn sie fehlen

Das OLG Brandenburg hat die Problematik in einem Fall aufgegriffen, in dem eine Beschwerdebegründungsfrist versäumt worden war (12.12.22, 13 UF 164/22, Abruf-Nr. 237248). Das OLG wies nicht nur auf die bekannte BGH-Rechtsprechung hin, dass ein Anwalt Vorkehrungen gegen eigenmächtige Fristveränderungen oder – wie in diesem Fall – eigenmächtig gelöschte Fristen treffen muss, wenn sein Personal den Fristenkalender führt.

Zu den Anwaltspflichten zähle darüber hinaus, dass die Kanzlei organisatorisch unerwartete Störungen des Geschäftsablaufs bewältigt. Zu solchen Störungen zählt das OLG eine „Überlastung“ (z. B. Ausfall von erkrankten Mitarbeitern) oder eine „noch nicht vollständig abgeklungene Erkrankung“ von Kanzleiangestellten. Melden sich die Mitarbeiter später gesund zurück, kann die Erkrankung vielleicht noch nachwirken. Hierauf muss die Kanzlei im Einzelfall reagieren.

2. Genesene Mitarbeiter in den Kanzleialltag integrieren

Das OLG hat sich nicht damit beschäftigt, wie eine Kanzlei in solchen Fällen konkret vorgehen sollte. Denn Erkrankungen und Genesungsprozesse verlaufen individuell. Im Prinzip gilt zwar der Grundsatz: Wer krank ist, bleibt daheim. Die Realität sieht mitunter aber anders aus und manche Mitarbeiter kehren zu früh an den Arbeitsplatz zurück. Inhaber sollten daher ein Auge darauf haben.

Dabei dürfen sich die Arbeitgeber grundsätzlich darauf verlassen, dass die Rückkehrer gesund sind. Anwälte oder Bürovorsteher können auch kaum mit Fieberthermometer und Fragebogen parat stehen, um einen „Gesundheitscheck“ durchzuführen.

Doch speziell bei Rückkehrern kann die Kanzleiorganisation grundsätzlich durch eine Arbeitsanweisung wie der folgenden abgesichert werden:

Arbeitsanweisung zur Rückkehr nach einem Krankheitsfall

Für alle Kanzleimitarbeiter gilt bei der Rückkehr in die Kanzlei nach einem Krankheitsfall und Wiederaufnahme der Arbeit:

  • Wer nach einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in die Kanzlei zurückkehrt, muss vollständig genesen und in allen Arbeitsbereichen der Kanzlei vollständig einsetzbar sein.
  • Wer nach oder vor Ablauf seiner attestierten Arbeitsunfähigkeitszeit in die Kanzlei zurückkehrt, meldet sich bitte bei (…) für ein kurzes Gespräch.
  • Mitarbeiter, die nachträglich am Arbeitsplatz bemerken, dass ihre überstandene Erkrankung nachwirkt oder dass ggf. Symptome wieder auftreten, müssen sich umgehend bei (…) melden.
  • Jeder Mitarbeiter wird darauf hingewiesen, dass er nicht in hochsensiblen Arbeitsbereichen tätig sein darf, wenn er akut oder nach einer überstandenen Erkrankung physische oder psychische Einschränkungen bzw. Krankheitssymptome verspürt. Zu den hochsensiblen Arbeitsbereichen gehört z. B. das Fristenmanagement mit Fristenkontrolle, Fristberechnung und Fristeintragung sowie der Versand von Schriftstücken per beA.

Wir weisen Sie darauf hin, dass es zu unseren Sorgfaltspflichten als Kanzlei /Anwälte gehört, dass nur vollständig gesunde Mitarbeiter in allen Arbeitsbereichen der Kanzlei einsetzbar sind. Sie sind daher verpflichtet, hieran mitzuwirken, indem Sie uns bei Bedarf dementsprechend und umgehend informieren. Der Kanzlei drohen unter Umständen haftungsrechtliche Probleme, wenn nicht vollständig genesenen Mitarbeitern krankheitsbedingt Fehler in den Geschäftsabläufen unterlaufen (z. B. falsch notierte Fristen, Fehler beim beA-Versand).

Weiterführender Hinweis
  • Versandkontrolle: Personal muss angewiesen und geschult werden, AK 23, 38

AUSGABE: AK 7/2024, S. 122 · ID: 49215321

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