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BetriebswirtschaftEinkauf 2024: Stellschrauben, um den Wegfall der Skonti bei Rx-Arzneimitteln zu kompensieren
| Mit dem jüngsten Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs ist den Apotheken eine weitere Möglichkeit genommen worden, in einem stark regulierten Markt ihre Erträge zu sichern. Bereits die seit über einem Jahr geltende Erhöhung des Apothekenabschlags hat zu einer deutlichen Verschlechterung der Spanne bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Rx-Arzneimitteln) geführt. Dieser Beitrag zeigt, welche Auswirkungen die Abschaffung des Skontos im Bereich der Rx-Arzneimittel hat und welche Strategien zur Kompensation ergriffen werden können. |
Wegfall des Skontos bei Rx-Arzneimitteln – was heißt das?
In der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) in der derzeit gültigen Fassung ist der Preis für Rx-Arzneimittel genau definiert. § 2 Abs. 1 AMPreisV bestimmt zur Berechnung des Apothekeneinkaufspreises (AEK), dass auf den Herstellerabgabepreis (ApU) ein prozentualer Zuschlag in Höhe von 3,15 Prozent sowie ein absoluter Zuschlag in Höhe von 0,73 Euro zu erheben ist. Der Festzuschlag von 0,73 Euro ist nach dem Gesetzestext nicht rabattfähig.
Beispiel: Fragmin P Forte 10 Stück | |
ApU | 58,40 Euro |
Zuzüglich 3,15 Prozent des ApU | 1,84 Euro |
Zuzüglich 0,73 Euro Festzuschlag | 0,73 Euro |
AEK | 60,97 Euro |
Auf dieser Basis erfolgt die Rabattierung durch den Großhandel. In den Vereinbarungen wird dabei zwischen einem Rabatt und dem anschließenden Skonto unterschieden. Als Beispiel wird angenommen, dass die Apotheke einen Rabatt von 3 Prozent sowie ein Skonto von 2 Prozent für die frühzeitige Zahlung der Sammelrechnung erhält.
Beispiel | |
AEK | 60,97 Euro |
Abzüglich 3 Prozent Rabatt | 1,83 Euro |
Abzüglich 2 Prozent Skonto | 1,18 Euro |
Nettopreis | 57,96 Euro |
Die Rechnung zeigt, welche Preisnachlässe bisher üblich waren. Wie wirkt sich dies nun auf die Sammelrechnung einer Apotheke aus? Schauen wir uns eine durchschnittliche Apotheke an, so erzielt diese über alle Rx-Packungen (ohne Hochpreiser) einen Verkaufspreis von 69 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Ohne Hochpreiser und Frei- oder Sichtwahlartikel gibt die Apotheke 2.000 Packungen im Monat ab. Das Einkaufsvolumen in diesem Bereich beträgt 95.580 Euro (durchschnittlicher AEK = 47,79 Euro). Bei dem im Beispiel zugrunde gelegten Rabatt und Skonto ergeben sich 4.721,65 Euro. Somit zahlt die Apotheke im angenommenen Bereich effektiv 90.858,35 Euro. Bei Umsetzung der Rechtsprechung erhöht sich dieser Wert um 1.854,25 Euro. Hierdurch verschlechtert sich der Rohertrag der Beispiel-Apotheke im Jahr um 22.251 Euro.
In den meisten Vereinbarungen mit dem Großhandel gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen, die die Verluste minimieren, da auch bisher nicht alle Einkäufe vollständig reduziert wurden. Ein großer Teil der Ausschlüsse betrifft Kontingentartikel. Darunter versteht der Großhändler eine von ihm selbst definierte Liste von Arzneimitteln, die er aus verschiedenen Gründen per se von der Rabattierung ausgeschlossen hat. Da jeder Großhändler eigene Listen führt, ist es schwierig, einen konkreten Wert zu ermitteln. Man kann aber davon ausgehen, dass im Durchschnitt 30 Prozent der eingekauften Arzneimittel auf einer solchen Liste stehen. Neben Kontingentartikeln sind häufig auch Betäubungsmittel, Sera und kühlpflichtige Artikel von der Rabattierung ausgenommen. So ist es denkbar, dass bis zu 40 Prozent der Einkaufssumme nicht als Basis der Rabattierung zählen. Es klingt makaber, aber diese Tatsache führt dazu, dass der Verlust, den eine Apotheke durch das Urteil hinnehmen muss, nun deutlich geringer ausfällt. Bei einem Ausschluss von 40 Prozent verliert die Apotheke „nur noch“ 13.350,60 Euro.
Strategien, um den Verlust zu kompensieren
Eine Möglichkeit des Ausgleichs sind die vielfältigen Gebührenstrukturen, die der Großhandel nicht erst in den letzten Jahren eingeführt hat. Ob z. B. Handelsspannenausgleich, Tourenkosten oder BtM-Zuschläge – betrachtet man die Summe aller Gebühren, die einer Apotheke monatlich im Rahmen der Großhandelsrechnung belastet werden, ergibt sich ein höherer Wert als der Wert, den die Apotheke durch das Skonto verliert. Diese nahezu willkürlich eingeführten Kostenblöcke müssen abgeschafft werden – Neuverhandlungen sind erforderlich.
Handelsspannenausgleich
Der Handelsspannenausgleich ist für Großhändler ein beliebtes Instrument, um Apotheken für einen „schlechten Einkauf“ zu bestrafen. „Schlechter Einkauf“ bedeutet, dass der durchschnittliche Einkaufspreis aller Rx-Packungen in einem Monat höher ist als der vom Großhandel festgelegte Referenzwert.
Beispiel |
Für die oben genannte Beispiel-Apotheke wurde ein Referenzwert von 23,70 Euro festgelegt. Der durchschnittliche Einkaufspreis liegt nun bei 47,79 Euro. Mancher Großhändler berechnet in einem solchen Fall eine „Strafzahlung“ wegen Überschreitung des Referenzpreises, indem er ausrechnet, welche Packungsmenge bei gegebenem Gesamtumsatz (hier: 90.858,35 Euro) nötig wäre, um den Referenzwert zu erreichen. Bei der Beispiel-Apotheke sind dies 3.834 Packungen. Ihr fehlen also 1.932 Packungen. Diese werden mit einer Strafe von 0,73 Euro multipliziert und es ergibt sich ein absoluter Handelsspannenausgleich in Höhe von 1.410,71 Euro. |
Touren- und Inflationskosten
Die in den letzten Jahren stark gestiegene Inflation, die vor allem aus Energiekostensteigerungen und der Erhöhung des Mindestlohns resultiert, hat die Großhändler dazu veranlasst, diese Kosten an die Apotheken weiterzugeben. Je nach Größe der Apotheke wurden tourenabhängige oder auch fixe Kostenpositionen neu eingeführt. In Summe kommen so schnell 200 bis 500 Euro an zusätzlicher Belastung zusammen. Mittlerweile sind die Energiekosten als maßgeblicher Treiber dieser Einführung allerdings wieder etwas gesunken und außerdem hat der Großhandel durch das Urteil eine andere Kompensationsmöglichkeit.
Retourenkosten
Um die Menge der Retouren zu reduzieren, sollte eine vernünftige Kapazitätsplanung bei der Bestellung erfolgen. Dennoch kommt es hin und wieder zu Retouren, die teuer werden können. Das liegt an den getroffenen Vereinbarungen. Viele beinhalten eine Quote, d. h. einen maximalen Einkaufswert der Retouren im Verhältnis zum Gesamteinkauf, und eine Handlinggebühr. Eine solche Vereinbarung könnte z. B. so aussehen, dass jede Packung, die zurückgesandt wird, 0,70 Euro Handlingbeitrag kostet und zudem maximal 2 Prozent des Umsatzes voll erstattet werden. Liegt der Retourenwert im Monat darüber, werden 30 Prozent vom zu erstattenden Betrag abgezogen.
Merke | Bei einer solchen Vereinbarung sollte sich der Apotheker genau überlegen, ob und welche Packungen er retourniert. So kann die Retoure einer Packung im Wert von 500 Euro, weil der falsche Import bestellt wurde, bereits die Quote ausschöpfen. Würde eine zweite Packung retourniert, bekäme der Apotheker nur 350 Euro gutgeschrieben, was mit der bestehenden Vergütungsregelung kaum zu erwirtschaften ist. Die Handlingkosten von 0,70 Euro führen zudem zu der Überlegung, ab welchem Packungswert sich eine Retoure überhaupt lohnt. |
Solche Vereinbarungen können und sollten geändert werden. Darüber hinaus sollte natürlich auch über andere Kostenblöcke gesprochen werden: unklare Retourenkosten, Zusatzkosten und Rabattausschlüsse bei Kühlwaren, BtM etc.
Urteil hat auch Auswirkungen auf den Direkteinkauf
Hersteller treten beim Verkauf von Arzneimitteln an Apotheken als Großhändler auf und unterliegen damit den gleichen rechtlichen Bedingungen wie der vollversorgende pharmazeutische Großhandel. So dürfen auch diese aufgrund des Urteils den Apotheken keine Skonti mehr gewähren. Dies bedeutet, dass der Direktbezug von Rx-Arzneimitteln aufgrund der niedrigeren Netto-Netto-Einkaufspreise und auch unter dem Gesichtspunkt der Prozesskosten nicht mehr vorteilhaft ist. Bei vorhandener Liquidität stellt sich daher nur noch die Frage, ob das Kapital nicht besser alternativ am Kapitalmarkt angelegt werden sollte, anstatt den Einkauf über den Großhandel mit Abrechnung über die Monatsrechnung durchzuführen. Ist die Liquidität nicht vorhanden, ist der Bezug über den Großhandel nicht mehr nachteilig, da beide Beschaffungswege gleichgestellt wurden.
AUSGABE: AH 6/2024, S. 6 · ID: 50021977