FeedbackAbschluss-Umfrage

StrafrechtPraxisdurchsuchung unverhältnismäßig, nachdem EBM-Nr. 35110 zu Unrecht abgerechnet wurde

Abo-Inhalt12.10.20229578 Min. LesedauerVon RA, FA MedizinR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg

| Es kommt vor, dass Arztpraxen aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses von der Polizei durchsucht werden. Der Schaden für die Arztpraxis ist enorm: Patienten werden möglicherweise abgeschreckt, zudem nehmen die Polizeibeamten häufig Unterlagen, manchmal auch Computer mit, was den Praxisbetrieb erheblich behindert. Deshalb sollten Sie eine Durchsuchung nach Möglichkeit verhindern oder – wenn dies nicht gelingt – darauf hinwirken, dass die Durchsuchung möglichst schnell beendet wird. Ein Arzt hatte sich erfolgreich gegen eine solche Durchsuchung gewehrt, da diese aufgrund des geringen Schadens vom Gericht als unverhältnismäßig eingestuft wurde (Landgericht [LG] Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27.05.2022, Az. 12 Qs 24/22). |

Fall und Entscheidung

Die Kassenpatientin eines Arztes hatte u. a. behauptet, bei ihr sei eine verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen mit einer Dauer von mindestens 15 Minuten (EBM-Nr. 35110, bewertet mit 193 Punkten bzw. 21,74 Euro beim Orientierungswert für das Jahr 2022) abgerechnet worden, die der Arzt tatsächlich aber nicht erbracht habe. Dies traf zwar zu, jedoch war es wahrscheinlich, dass nur ein Versehen vorlag.

Das LG befand, dass eine Durchsuchung angesichts des möglicherweise entstandenen Schadens in Höhe von 21,74 Euro unverhältnismäßig ist und hob deshalb den Durchsuchungsbeschluss auf. Das Gericht ließ sich auch nicht von der – in derartigen Fällen häufig vorgebrachten – Behauptung der Staatsanwaltschaft beirren, die Verdachtsmomente ließen auf eine Vielzahl von Fällen schlussfolgern. Für alle weiteren Fälle lag eben kein konkreter Verdacht vor.

Folgen und Tipps für die Praxis

Bei solchen Durchsuchungen geht es meistens um die Sicherstellung von Unterlagen, die einen bestimmten Patienten betreffen und dies meist aufgrund einer Strafanzeige eben dieses Patienten. Deshalb sollten Sie auf eine Einigung mit dem Patienten bedacht sein, damit dieser nicht zu einer Strafanzeige greift.

Bieten Sie zum anderen an, alle gewünschten Unterlagen vorzulegen, damit keine Durchsuchung und/oder Beschlagnahme nötig ist.

Hat dennoch ein Gericht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, so sollten Sie – mithilfe eines Rechtsanwalts – alle Hebel in Bewegung setzen, damit dieser Beschluss wieder aufgehoben und die beschlagnahmten Unterlagen herausgegeben werden. Dazu muss ein betroffener Arzt unter Vorlage von Beweismitteln vortragen, dass der Verdacht gar nicht zutrifft oder dass die Durchsuchung zumindest unverhältnismäßig ist.

AUSGABE: AAA 1/2023, S. 14 · ID: 48658068

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2023

Bildrechte